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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 06.04.2006
Aktenzeichen: V B 22/06
Rechtsgebiete: FGO, UStG


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 3 Satz 1
FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
FGO § 128 Abs. 3
UStG § 14 Abs. 4
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist die Entwicklung und der Vertrieb von Hard- und Software für Computer. Die Umsätze betrugen zwischen 1989 und 2000 ca. 4 bis 8 Mio. DM und stiegen in 2001 stark an auf ca. 33 Mio. DM. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erließ der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) am 3. Mai 2005 Änderungsbescheide für 2000 und 2001, in denen es die Umsatzsteuer 2000 um 20 562 € und für 2001 um 79 951 € erhöhte.

Grund für die Erhöhung war neben Umsatzerhöhungen die Kürzung des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen der Firma A-GmbH über die Lieferung von Hard- und Software für Computer an die Antragstellerin in Höhe von 18 586,48 € für das Jahr 2000 und in Höhe von 53 967,45 € für das Jahr 2001. Das FA vertrat (und vertritt) die Rechtsauffassung, die Leistungsbeschreibung in den Rechnungen der A-GmbH sei mangelhaft, weil die Seriennummern der Hardware bzw. die Lizenznummern der Software dort nicht angegeben sind; die gelieferte Ware sei anhand der Rechnungen nicht eindeutig identifizierbar.

Die Rechnungen lauteten auszugsweise z.B. wie folgt:

Beispiel 1

 "Art.Nr.BezeichnungMenge MEPreisSumme (DM)
...SD RAM 128 MB PC 1001100 Stck......"

Beispiel 2

 "Art.Nr.BezeichnungMenge MEPreisSumme (DM)
...Intel CPU P III 933 Mhz Tray300 Stck......"

Gegen die Änderungsbescheide hat die Antragstellerin fristgerecht Einspruch eingelegt, über den das FA noch nicht entschieden hat, sowie Aussetzung der Vollziehung beantragt. Nach Zurückweisung des Antrags hat die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG) Aussetzung der Vollziehung der Änderungsbescheide beantragt.

Das FG hat die Vollziehung der Umsatzsteuer-Änderungsbescheide 2000 und 2001 vom 3. Mai 2005 in Höhe von 18 586,48 € (2000) nebst der Zinsfestsetzung in Höhe von 3 411 € bzw. 53 967,45 € (2001) nebst der Zinsfestsetzung in Höhe von 6 750 € bis zur Bestandskraft der Bescheide, längstens jedoch bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung eines Urteils in einem eventuellen Hauptsacheverfahren ausgesetzt.

Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Ob der Vorsteuerabzug allein mit der Begründung versagt werden könne, in den Rechnungen über Computerbauteile und Software fehlten auf das einzelne Bauteil hinweisende Gerätenummern oder Lizenznummern, sei nicht geklärt.

So sei streitig, ob in Rechnungen über die Lieferung von Mobiltelefonen die jedem Gerät vom Hersteller zugeordnete Gerätenummer in der Rechnung oder in einer Anlage zur Rechnung (Lieferschein) angegeben werden müssten. Eine eindeutige Klärung der Rechtslage ergebe sich auch nicht aufgrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Beschluss vom 29. November 2002 V B 119/02 (BFH/NV 2003, 518), wonach bei der Lieferung hochpreisiger Uhren und Armbänder von über 5 000 DM je Stück zur Leistungsbeschreibung allgemeine Gattungsbezeichnungen wie "Uhren und Armbänder" nicht ausreichten. Ob diese Rechtsprechung "auf die massenhafte Lieferung von elektronischen Bauteilen zu Preisen von ca. 400 DM/Stück" übertragbar sei, bleibe zweifelhaft.

Das FA habe die "Handelsüblichkeit" der Angabe von Gerätenummern nicht hinreichend durch die beigefügten Rechnungen anderer Lieferanten und der Antragstellerin selbst nachgewiesen. Zwar ist in einigen der Rechnungen die Angabe einer Garantienummer für jedes einzelne Bauteil enthalten; in anderen Rechnungen fehlten diese Angaben jedoch. Eingehende tatsächliche Feststellungen zur Handelsüblichkeit seien in dem noch nicht abgeschlossenen Einspruchsverfahren oder ggf. in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren zu treffen, nicht jedoch in dem vorliegenden Eilverfahren.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde tritt das FA der Auffassung des FG entgegen, die Anforderungen an den Inhalt einer Rechnung seien für jede Lieferung gleich und könnten nicht davon abhängen, ob die Geschäfte --wie hier-- bar abgewickelt worden seien oder ob die Rechnungssumme überwiesen worden sei. Vielmehr komme es --so trägt das FA vor-- auf die Umstände des Einzelfalls an. Im vorliegenden Fall habe es sich bei der A-GmbH nicht um ein ordentliches, ihren steuerlichen Pflichten nachkommendes Unternehmen gehandelt. Deshalb dürften an die Rechnungen dieses Unternehmens erhöhte Anforderungen gestellt werden.

Überdies seien entgegen der Ansicht des FG die Anforderungen der Rechtsprechung an die Leistungsbeschreibung hochpreisiger Uhren (FG München, Urteil vom 24. April 2002 14 K 4520/97, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2002, 1334; nachfolgend BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 518) auch im Streitfall anwendbar.

Das FA beantragt sinngemäß, den Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde des FA ist unbegründet.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das FG die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes auf Antrag u.a. dann aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden (§ 69 Abs. 3 Satz 2 FGO).

Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen. Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. Juni 2002 V B 110/01, BFHE 199, 55, BFH/NV 2002, 1736, unter II. 1., m.w.N.).

2. Für den Streitfall ist entscheidend, ob die Leistungsbeschreibungen in den Rechnungen der A-GmbH für den Vorsteuerabzug der Antragstellerin ausreichend sind.

a) In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Angaben in einer Rechnung i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 14 Abs. 4 UStG eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug ermöglichen müssen. Der Aufwand zur Identifizierung der Leistung muss dahin gehend begrenzt sein, dass die Rechnungsangaben eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet worden ist. Was zur Erfüllung dieser Voraussetzungen erforderlich ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 518, m.w.N).

b) Welche Anforderungen insoweit im Streitfall zu stellen sind, lässt sich der bisherigen Rechtsprechung des Senats nicht ohne weiteres entnehmen. Einen vergleichbaren Fall hat der Senat noch nicht entschieden.

Zwar reicht nach der Rechtsprechung des Senats für den Vorsteuerabzug aus einer Rechnung zur Identifizierung der Leistung nicht aus, wenn über hochpreisige Uhren und Armbänder mit Kaufpreisen von jeweils 5 000 DM und mehr mit bloßen Gattungsbezeichnungen "Uhren" und "Armbänder" abgerechnet wird (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 51). Das FG hat aber zu Recht ausgeführt, es sei zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung zur Leistungsbeschreibung auf den Streitfall übertragbar sei. Überdies weisen die Rechnungen der A-GmbH nicht nur bloße --allgemeine-- Gattungsbezeichnungen auf, sondern auch Artikel-Nummern.

Ist --wie mithin hier-- die Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärende Frage im summarischen Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsakts nicht abschließend zu entscheiden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. November 2000 V B 187/00, BFH/NV 2001, 657; vom 14. Oktober 2002 V B 60/02, BFH/NV 2003, 87, unter II. 3., m.w.N.; vom 25. November 2005 V B 75/05, BFH/NV 2006, 447).

c) Überdies ist nach den Ausführungen des FG --denen das FA mit der Beschwerde nicht widersprochen hat-- unklar, ob bei Lieferungen der hier zu beurteilenden Art die Angabe von Serien- bzw. Lizenznummern handelsüblich ist.

Das FG hat mit Recht darauf hingewiesen, dass dahin gehende tatsächliche Feststellungen in dem noch nicht abgeschlossenen Einspruchsverfahren oder ggf. in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren zu treffen sind, nicht jedoch in dem vorliegenden Eilverfahren.

3. Gründe für die Anordnung einer Sicherheitsleistung (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m Abs. 2 Satz 3 FGO) sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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