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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 31.10.2008
Aktenzeichen: V B 29/08
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 78
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wendet sich gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem dieses den Antrag seines Prozessbevollmächtigten auf Aktenübersendung in seine Kanzleiräume abgelehnt hat. Zur Begründung hat das FG ausgeführt, in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens sei die Akteneinsicht durch Einsichtnahme beim FG, beim Beklagten oder bei einem in der Nähe der Kanzlei des Bevollmächtigten befindlichen Amtsgericht zu gewähren, nicht jedoch durch Übersendung in die Kanzleiräume. Etwas anderes gelte nur, wenn der Umfang der Akten außergewöhnlich umfangreich und unübersichtlich oder eine körperliche Behinderung des Bevollmächtigten vorliege. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde. Es sei nicht nachvollziehbar, dass zwar in der Sozial-, Zivil- und Strafgerichtsbarkeit eine Aktenübersendung in die Kanzlei eines Rechtsanwaltes erfolgen könne, nicht jedoch im Steuerverfahren. Die Gefahr eines Aktenverlustes sowie der Verletzung des Steuergeheimnisses bestünde nicht, weil es sich bei einem Anwalt um ein Organ der Rechtspflege handele.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Gemäß § 78 der Finanzgerichtsordnung (FGO) können die Beteiligten die Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen und sich durch die Geschäftsstellen auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ergibt sich aus dem Begriff "einsehen" und der Regelung über die Erteilung von Abschriften u.ä. durch die Geschäftsstelle des Gerichts, dass die Einsichtnahme der Akten bei Gericht die Regel und eine Übersendung von Akten in die Wohnung oder die Kanzlei des Bevollmächtigten nur ausnahmsweise in Betracht kommt (u.a. BFH-Beschlüsse vom 15. Juli 2008 X B 5/08, BFH/NV 2008, 1695; vom 25. September 2006 VI B 136/05, BFH/NV 2007, 86; vom 1. August 2002 VII B 65/02, BFH/NV 2003, 59; Gräber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 78 Rz 9, m.w.N.; Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 78 FGO Rz 147 ff.).

Diese Rechtsprechung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 26. August 1981 2 BvR 637/81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1982, 77; vom 11. Juli 1984 1 BvR 1523/83, Die Information über Steuer und Wirtschaft 1984, 478).

b) Entgegen der Rechtsauffassung des Bevollmächtigten sieht § 78 FGO keine Ausnahme für Rechtsanwälte als Organ der Rechtspflege vor. Denn aus der unterschiedlichen Fassung des Akteneinsichtsrechts z.B. in § 100 Abs. 2 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung ("Nach dem Ermessen des Vorsitzenden können die Akten dem bevollmächtigten Rechtsanwalt zur Mitnahme in seine Wohnung oder in seine Geschäftsräume übergeben werden") sowie in § 147 Abs. 4 der Strafprozessordnung ("Auf Antrag sollen dem Verteidiger ... die Akten ... zur Einsichtnahme in seine Geschäftsräume oder seine Wohnräume mitgegeben werden") folgt, dass für den Steuerprozess andere Maßstäbe gelten. Wie sich aus den Motiven zu § 78 FGO ergibt, wonach eine Bevorzugung der Rechtsanwälte gegenüber den anderen als Bevollmächtigte im Steuerprozess in Betracht kommenden Berufsträgern ausgeschlossen werden sollte (BTDrucks IV/1446, 53), beruhen die unterschiedlichen Fassungen des Akteneinsichtsrechts in den verschiedenen Verfahrensordnungen auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, an die das Gericht gebunden ist.

c) Das FG ist von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat entschieden, dass im Streitfall keine Gründe für eine ausnahmsweise Übersendung der Akten in die Kanzleiräume vorgetragen worden sind. Besondere Umstände, wie etwa eine körperliche Behinderung des Bevollmächtigten oder bei außergewöhnlich umfangreichen und unübersichtlichen Akten (BFH-Beschluss vom 26. September 2003 III B 112/02, BFH/NV 2004, 210) liegen nicht vor. Der erkennende Senat teilt als Tatsachengericht im Beschwerdeverfahren bei der Ausübung eigenen Ermessens (vgl. BFH-Beschluss vom 15. November 2004 V B 182/04, BFH/NV 2005, 569) diese Auffassung und sieht keine Gründe für eine abweichende Entscheidung.



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