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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 21.05.2004
Aktenzeichen: V B 30/03
Rechtsgebiete: AO 1977, UStG, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 164 Abs. 2
AO 1977 § 174 Abs. 4
AO 1977 § 174 Abs. 4 Satz 1
UStG § 15a
UStG § 15a Abs. 4
UStG § 17 Abs. 1 Nr. 2
UStG § 17 Abs. 1 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) berechtigt war, die angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen für 1989 und 1990 (Streitjahre) nach § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) zu ändern und darin Vorsteuerberichtigungsbeträge nach § 15a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG) zu berücksichtigen. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte zuvor Vorsteuerbeträge aus der Herstellung von zwei Doppelhaushälften und einer Ferienwohnung in G abgezogen.

Er hatte aus Bauleistungen zur Herstellung von zwei Doppelhaushälften auf fremdem Grund und Boden von der GbR H im Jahr 1988 Vorsteuerbeträge erklärt. Die Wohnräume sollten steuerfrei mit der Berechtigung zum Vorsteuerabzug vermietet werden. Das seinerzeit zuständige FA K ließ die angemeldeten Vorsteuerbeträge aber nicht zum Abzug zu, weil es der Auffassung war, der Kaufvertrag sei nicht wirksam. Nach Finanzierungsschwierigkeiten wurde eine dieser Doppelhaushälften 1989, die andere 1990 (steuerfrei) verkauft.

Das --während des Verfahrens zuständig gewordene-- FA ließ in dem nach § 164 Abs. 2 AO 1977 ergangenen Umsatzsteueränderungsbescheid für 1988 (vom 9. Oktober 1991) zunächst Vorsteuern zum Abzug zu. In zugleich bekannt gegebenen Umsatzsteuerbescheiden für 1989 und 1990 berücksichtigte er wegen der steuerfreien Veräußerung der Doppelhaushälften Vorsteuerberichtigungsbeträge nach § 15a UStG.

In Umsatzsteueränderungsbescheiden für 1988 bis 1990 vom 13. Dezember 1991 ließ er Vorsteuern aus den Doppelhaushälften nicht mehr zum Abzug zu, weil er nunmehr die Auffassung vertrat, die Verträge über die Herstellung der Doppelhaushälften seien mit der Folge rückabgewickelt worden, dass Vorsteuerbeträge nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 UStG berichtigt werden müssten. In den geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen für 1989 und 1990 machte das FA die Berichtigung der Vorsteuerbeträge (gemäß § 15a UStG) aus den Herstellungskosten für die Doppelhaushälften rückgängig.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid des FA für 1988 vom 13. Dezember 1991 Klage. Während des Klageverfahrens änderte das FA den angefochtenen Steuerbescheid durch die Steuerfestsetzung für 1988 vom 14. August 1995, den der Kläger zum Gegenstand des Verfahrens erklärte.

Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage überwiegend ab. Eine vollständige Rückgängigmachung der Lieferung der Doppelhaushälften mit der Folge der Berichtigung von Vorsteuern nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 UStG sei, so führte das FG u.a. aus, nicht feststellbar. Der Kläger sei aber noch 1988 nach § 15a Abs. 4 UStG zur Berichtigung der ihm wegen der Herstellung der Doppelhaushälften berechneten Vorsteuerbeträge verpflichtet, weil es im Laufe des Jahres 1988 zur Rückabwicklung dieser Lieferungen gekommen sei.

Auf die Revision des Klägers hob der Bundesfinanzhof (BFH) das Urteil des FG auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück (Urteil des BFH vom 20. Januar 1997 V R 5/96, BFH/NV 1997, 811). Der BFH verpflichtete das FG, bei der erneuten Entscheidung die Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG zu überprüfen. Dazu führte er u.a. aus, die Schlussfolgerung des FG, der Kläger habe durch die Bewilligung der Löschung der Vormerkung im Oktober 1988 die auf fremdem Grund und Boden errichteten Doppelhaushälften steuerfrei dadurch geliefert, dass er die Verwertungsbefugnis übertragen habe, stehe im Widerspruch zu der Sachverhaltsschilderung, nach der die H (von der der Kläger die Doppelhaushälften erhalten hatte) bei der Weiterveräußerung der Hausgrundstücke die "Bausubstanz" gerade nicht auf eigene Rechnung verwertet habe.

Nunmehr ließ das FA in einem Änderungsbescheid für 1988 vom 11. August 1997 die streitigen Vorsteuerbeträge zum Abzug zu. Die Beteiligten erklärten darauf die Hauptsache für erledigt.

Das FA änderte zugleich die vorhandenen Umsatzsteuerfestsetzungen für 1989 und 1990 nach § 174 Abs. 4 AO 1977 durch Änderungsbescheide --ebenfalls vom 11. August 1997-- und berücksichtigte in ihnen (wieder) Vorsteuerberichtigungsbeträge nach § 15a Abs. 4 UStG wegen der steuerfreien Veräußerung der Doppelhaushälften.

In dem Umsatzsteueränderungsbescheid für 1990 waren außerdem noch Vorsteuerberichtigungsbeträge im Zusammenhang von Vorsteuern enthalten, die der Kläger aus Anschaffungskosten für eine Ferienwohnung in G abgezogen hatte. Der Kläger hatte die Wohnung seit April 1989 steuerpflichtig an Feriengäste vermietet. Im September 1990 wurde sie steuerfrei zwangsversteigert.

Die gegen die Umsatzsteueränderungsbescheide für 1989 und 1990 vom 11. August 1997 nach erfolglosem Einspruchsverfahren gerichtete Klage wies das FG als unbegründet ab. Es wies die Einwendungen des Klägers, die sich gegen die Änderungsbefugnis des FA nach § 174 Abs. 4 AO 1977 richteten, soweit Vorsteuer für die Doppelhaushälften betroffen war, zurück. Das FG begründete, dass die Voraussetzungen für die Änderungsberechtigung vorgelegen hätten, weil das FA den unveränderten Sachverhalt hinsichtlich des Vorsteuerabzugs für die Doppelhaushälften irrig in dem maßgebenden der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Umsatzsteueränderungsbescheid für 1988 vom 11. August 1997 beurteilt habe. Deshalb komme es auf bewusst falsche Entscheidungen des FA in vorangegangenen Bescheiden (z.B. vom 14. August 1995) nicht an. Eine bewusst falsche Entscheidung sei auch nicht feststellbar, weil die Entscheidungen des FA --die das FG für 1988 weitgehend nicht beanstandet hatte-- bei dem komplexen und schwierigen Sachverhalt vertretbar gewesen seien.

Mit der Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Der Kläger hat keine zur Zulassung der Revision verpflichtenden Gründe (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO) in der dafür gesetzlich geforderten Form dargelegt.

1. Wer Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) begehrt, muss Rechtsfragen aufzeigen, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärbar und klärungsbedürftig sind (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschlüsse vom 25. Juli 2000 XI B 122/99, BFH/NV 2000, 1495; vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51).

Die von dem Kläger sinngemäß als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage, wie bei der Anwendung von § 174 Abs. 4 AO 1977 eine irrige Beurteilung von einer bewusst falschen Beurteilung abzugrenzen ist, ist nicht klärungsbedürftig.

Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 können, wenn aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird (§ 174 Abs. 4 Satz 2 AO 1977).

Diese Bestimmung eröffnet nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 28. Februar 2001 I R 29/99, BFH/NV 2001, 1099) u.a. die Möglichkeit, Folgerungen aus einem bestimmten Sachverhalt, die zunächst nicht im "richtigen" Bescheid, sondern in einem anderen Verfahren gezogen worden sind, durch Erlass eines richtigen Bescheids nachzuholen (Urteil des BFH vom 8. Juli 1992 XI R 54/89, BFHE 168, 231, BStBl II 1992, 867, m.w.N.). Irrig ist die Beurteilung eines Sachverhalts, wenn sie sich nachträglich als unrichtig erweist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Februar 1996 I R 150/94, BFHE 180, 8, BStBl II 1996, 417; vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647). Ob der Fehler im tatsächlichen oder rechtlichen Bereich anzusiedeln ist, ist unerheblich (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 174 AO 1977 Anm. 39).

Der Wortlaut enthält keine weitere Einschränkung, nach der zwar eine Änderung des angefochtenen Bescheids aufgrund des Rechtsbehelfs zulässig sein sollte, die Änderung der irrigen Beurteilung in anderen Bescheiden aber deswegen unterbleiben müsste, weil das FA vorsätzlich fehlerhaft gehandelt hat.

Gegen eine solche Auslegung spricht vor allem der Sinn des § 174 Abs. 4 AO 1977. Die Vorschrift bietet den Finanzbehörden im Falle der Aufhebung oder Änderung einer unrichtigen Steuerfestsetzung auf Betreiben des Steuerpflichtigen eine Ermächtigungsgrundlage dahin gehend, den nunmehr unberücksichtigten Sachverhalt in dem richtigen Bescheid zu erfassen (vgl. Beschluss des BFH vom 10. Juli 2003 I B 150/02, BFH/NV 2003, 1535; Kruse/Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO 1977 Anm. 39). Der Steuerpflichtige soll folglich im Falle seines Obsiegens mit einem gewissen Rechtsstandpunkt an seiner Auffassung festgehalten werden, soweit derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist. Der Steuerpflichtige, der erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten hat, muss auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen (Beschluss des BFH vom 27. Juli 2001 XI B 85/00, BFH/NV 2001, 1534).

2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

a) Weil das FG es zutreffend für unerheblich halten konnte, auf welche Weise es bei dem FA zu der irrigen Beurteilung des Sachverhalts gekommen ist, konnte es eine weitere Erörterung und Sachaufklärung, welche Gründe dafür maßgebend waren, unterlassen.

Die innerhalb der Beschwerdefrist bezeichneten Verfahrensmängel --nur diese sind zu prüfen-- erschöpfen sich sinngemäß in der Behauptung, die vor der Bekanntgabe der angefochtenen Änderungsbescheide beteiligten FÄ hätten zusammengewirkt und eine bewusst falsche Entscheidung getroffen. Darauf kam es aber nach der maßgebenden und zutreffenden Rechtsauffassung des FG nicht an.

b) Ebenfalls verfahrensfehlerfrei hat das FG den Sachverhalt nicht danach weiter aufgeklärt, ob der Kläger den vom FA irrig beurteilten Sachverhalt schon bei der Abgabe der Steuererklärungen vollständig vorgetragen hat. Davon ist das FG sinngemäß ausgegangen, so dass keine Notwendigkeit für eine weitere Sachaufklärung bestand. Im Übrigen war dieser Umstand für die irrige Beurteilung des Sachverhalts durch das FA bedeutungslos.

c) Der vom Kläger gerügte Verstoß gegen Denkgesetze ("Grundsätze logischer und geordneter Denkweise") ist kein Verfahrensfehler, sondern --wie Fehler in der Tatsachen- und Beweiswürdigung-- ein materiell-rechtlicher Fehler (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Dezember 1999 IV B 76/99, BFH/NV 2000, 848; vom 23. Mai 2000 XI B 122/98, BFH/NV 2001, 43; vom 14. November 2001 II B 29/00, BFH/NV 2002, 512). Er führt nicht zur Zulassung der Revision (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 248).

3. Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.

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