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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 13.05.2009
Aktenzeichen: V B 37/08
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 91 Abs. 1 S. 1
FGO § 116 Abs. 3 S. 3
ZPO § 178 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 178 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 180
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Mit der Beschwerde macht der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend, er sei zur mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 1. April 2008 nicht ordnungsgemäß geladen worden. Die Angaben in der Postzustellungsurkunde träfen nicht zu. Die Zustellerin der Post habe nicht versucht die Ladung in den Büroräumen des Prozessbevollmächtigten abzugeben. Diese seien am Tag der Zustellung (25. Februar 2008) durch eine Mitarbeiterin durchgehend von 8.45 Uhr bis 15.00 Uhr besetzt gewesen. Im Übrigen befinde sich an den Büroräumen seines Prozessbevollmächtigten kein verschließbarer Briefkasten, sondern nur eine frei zugängliche sog. Mailbox, in die die Ladung eingelegt worden sei. Auch bei der Zustellung des FG-Urteils habe die Zustellerin keinen Versuch einer Zustellung in den Büroräumen unternommen. Als sich die Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten in die Mittagspause habe begeben wollen, habe sich die Zustellungsurkunde über die Zustellung des Urteils in der Mailbox befunden. Das belege, dass die Zustellerin des Öfteren Ersatzzustellungen vornehme, ohne vorher einen Zustellversuch unternommen zu haben.

Die Beschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Der von der Beschwerde in zulässiger Weise geltend gemachte Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 FGO) liegt vor und das Urteil des FG beruht auch auf diesem Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 3 FGO).

a)

Mit dem Vorbringen des Klägers, das FG habe ohne ihn verhandelt, obwohl er zur mündlichen Verhandlung nicht geladen worden sei, wird ein Verfahrensmangel in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Weise schlüssig dargelegt. Ist ein Beteiligter nicht ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen worden und wird der Termin gleichwohl in seiner Abwesenheit durchgeführt, liegt darin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. September 2008 VII B 49/08, BFH/NV 2009, 212). Die schlüssige Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör, weil das Gericht verfahrensfehlerhaft in Abwesenheit des Beteiligten aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden hat, erfordert keine Ausführungen darüber, was bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre und dass dieser Vortrag die Entscheidung des Gerichts hätte beeinflussen können (BFH-Beschluss vom 3. September 2001 GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802).

b)

Der Verfahrensmangel liegt auch vor. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 FGO sind die Beteiligten zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem FG mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen zu laden. Gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FGO ist die Ladung nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) zuzustellen. Der Kläger hat schlüssig dargelegt, dass die vom FG veranlasste Zustellung der Ladung im Wege eines Zustellungsauftrags an die Post (§ 53 Abs. 2 FGO i.V.m. §§ 176 ff. ZPO) nicht ordnungsgemäß bewirkt worden ist.

Der Kläger trägt vor, dass die Ladung in eine für Dritte frei zugängliche sog. Mailbox eingelegt worden sei. Diese Darstellung wird durch die Mitteilung der Deutschen Post vom 1. April 2009 nach Befragung des Zustellers bestätigt.

Damit sind die Anforderungen an eine Ersatzzustellung i.S. des § 180 ZPO nicht erfüllt. Gemäß § 180 ZPO "kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Posteingang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist", wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht ausführbar ist. Ein nicht verschlossener Briefkasten bietet keinen hinreichenden Schutz vor Zugriffen Dritter und ist daher im Zweifel für eine Zustellung gemäß § 180 ZPO nicht zu benutzen (Münchener Kommentar-Häublein, § 180 ZPO Rz 5; Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, 29. Aufl., § 180 Rz 4; Stein/Jonas-Roth, ZPO, § 180 Rz 3). Dasselbe gilt für eine offene und für Dritte zugängliche Mailbox. Ein Verstoß gegen § 180 ZPO macht die Zustellung unwirksam (Münchener Kommentar-Häublein, ZPO, § 180 Rz 7; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 181 Rz 8, § 180 Rz 8).

Zwar begründet die Postzustellungsurkunde gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2, § 418 ZPO den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Der Gegenbeweis für die Unrichtigkeit der Angaben in der Zustellungsurkunde kann aber gemäß § 418 Abs. 2 ZPO mit Beweismitteln jeder Art geführt werden.

Eine Heilung des Zustellungsmangels nach § 189 ZPO, wonach die Zustellung in dem Zeitpunkt als bewirkt gilt, in dem das Schriftstück der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist, kommt vorliegend nicht in Betracht, weil der Prozessbevollmächtigte schlüssig vorgetragen hat, dass er die Ladung nicht erhalten hat.

Ende der Entscheidung

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