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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.01.2007
Aktenzeichen: V B 39/05
Rechtsgebiete: FGO, UStG 1999


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
FGO § 69 Abs. 3 Satz 1
FGO § 128 Abs. 3
UStG 1999 § 10 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) betreibt Telefonautomaten, die unter anderem auch Telefongespräche gegen Münzeinwurf ermöglichen. In den Fällen, in denen der eingeworfene Betrag nicht vollständig durch Gesprächseinheiten verbraucht wird, entstehen Restbeträge. Nicht vertelefonierte Restbeträge werden von den Telefonautomaten nur entsprechend der Höhe und Stückelung der eingeworfenen Münzen erstattet. "Angebrochene Münzen" werden nur erstattet, wenn der verbrauchte Betrag vom Benutzer nachträglich passend eingeworfen wird. Sofern der verbrauchte Betrag der angebrochenen Münzen nicht innerhalb von zwei Minuten passend eingeworfen wird, verfällt das Guthaben.

In den Monaten Mai und Juni 2004 nahm die Antragstellerin auf diese Weise auf die Münzrestwerte entfallende Beträge in Höhe von ... € (Mai 2004) und ... € (Juni 2004) ein, die sie im Rahmen ihrer Umsatzsteuervoranmeldungen nicht erklärte.

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ für Mai und Juni 2004 Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide, in denen die nicht erstatteten Restbeträge in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer einbezogen waren. Die Antragstellerin legte hiergegen Einspruch ein, über den das FA noch nicht entschieden hat. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Mai und Juni 2004 in Höhe der auf die nicht erstatteten Restbeträge entfallenden Umsatzsteuer lehnte das FA ab.

Anschließend stellte die Antragstellerin den entsprechenden Antrag erfolglos beim Finanzgericht (FG). Zur Begründung seiner Entscheidung führte das FG im Wesentlichen aus, es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Vorauszahlungsbescheide. Auch die nicht ausgezahlten Restbeträge seien Entgelt für die von der Antragstellerin ausgeführten Leistungen, weil der Benutzer der Telefonautomaten sämtliche nach Abschluss des Abrechnungsvorgangs von dem Automaten nicht ausgeworfenen Münzen als Gegenleistung für die Telekommunikationsleistung der Antragstellerin aufwende.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde der Antragstellerin. Sie trägt vor, Mehraufwendungen des Leistungsempfängers seien nur dann zusätzliches Entgelt, wenn sie für die Leistung aufgewendet würden. Das sei vorliegend nicht der Fall, weil die Restbeträge lediglich aus technischen Gründen gezahlt würden.

Auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) sei für den Begriff des Entgelts entscheidend, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe und dass die Vergütung den subjektiven Wert darstelle, den die Beteiligten der Leistung beimessen. Die einbehaltenen Restbeträge stünden aber in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen, weil für sie eine gesonderte Rechtsgrundlage bestehe.

Im Übrigen stellten die Restbeträge nicht den subjektiven Wert dar, den die Beteiligten der Leistung beimessen. Dieser sei vielmehr der sich aus dem Tarif ergebende Wert.

Es fehle auch an einem "Leistungsentgeltwillen" des Benutzers, weil dieser sich in der Regel darüber ärgere, wenn er die angebrochene Münze in Ermangelung eines ausreichenden Kleingeldvorrates nicht "auslösen" könne.

Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide ergäben sich auch aus einem Vergleich mit der Rechtslage bei sog. Prepaid-Karten. Durch Kauf und Aktivierung der Prepaid-Karte werde lediglich ein Zahlungsmittel in "elektronisches Geld" umgewandelt. Die Umsatzsteuer entstehe für den Netzbetreiber erst im Zeitpunkt der Leistungsausführung, also mit dem Telefonieren des Kunden. Werde das Guthaben nicht innerhalb einer bestimmten Frist abtelefoniert, verfalle es. Ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch liege insoweit nicht vor. Nicht anders zu beurteilen sei der vorliegende Sachverhalt, nur dass die Verfallzeit nur zwei Minuten betrage.

Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Mai 2004 vom 6. Juli 2004 in Höhe von ... € und für Juni 2004 vom 27. Juli 2004 in Höhe von ... € auszusetzen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde ist unbegründet. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das FG die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts auf Antrag u.a. dann aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden (§ 69 Abs. 3 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. März 2006 V B 156/05, BFH/NV 2006, 1527, m.w.N.).

2. Eine derartige Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Tatfrage besteht vorliegend nicht. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) ist Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Damit wird Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der für das Streitjahr geltenden Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) umgesetzt. Danach ist bei Dienstleistungen Besteuerungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Dienstleistende für diese Umsätze vom Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll. Dabei sind auch Nebenkosten, die der Leistungserbringer von dem Dienstleister fordert, in die Besteuerungsgrundlage einzubeziehen (Art. 11 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG).

Die Antragstellerin erhält vorliegend nicht nur die dem angegebenen Tarif entsprechenden Beträge. Vielmehr gehören auch die Restbeträge zu dem zwischen der Antragstellerin und ihren Kunden vereinbarten Preis, denn es ergibt sich aus den Nutzungsbedingungen der Antragstellerin, dass sie einen Anspruch darauf hat, diese nicht genutzten Restbeträge zu behalten. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt ergibt sich vorliegend schon daraus, dass die Restbeträge nur entstehen können, wenn die von der Antragstellerin erbrachte Dienstleistung vom Kunden in Anspruch genommen wird. Der Kunde hätte auch gar nicht die Möglichkeit, die Telefonautomaten zu anderen Bedingungen, also ohne den Verfall nicht vertelefonierter oder "ausgelöster" Restbeträge, zu benutzen.

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen (freiwillige) Mehraufwendungen zum Entgelt gehören, stellt sich insoweit nicht. Handelte es sich bei den Restbeträgen um zusätzliche Aufwendungen, wie die Antragstellerin meint, sind diese Bestandteil des Entgelts, denn sie werden wegen des Anspruchsgrundes, der der Leistung zugrunde liegt, gezahlt (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 16. März 2000 V R 16/99, BFHE 191, 94, BStBl II 2000, 360; vom 26. Januar 1990 V B 169/88, BFH/NV 1990, 605; vom 15. Dezember 1988 V R 24/84, BFHE 155, 431, BStBl II 1989, 252). Das Recht, auch die Restbeträge behalten zu dürfen, ergibt sich aus den Nutzungsbedingungen, die die Antragstellerin zur Voraussetzung der Nutzung ihrer Telefonautomaten und damit zu Bestandteilen der vertraglichen Vereinbarungen mit ihren Kunden macht.

Diese Beurteilung entspricht, entgegen der Auffassung der Antragstellerin, der ständigen Rechtsprechung des EuGH zu Art. 13 Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach ist Besteuerungsgrundlage bei Lieferung einer Ware oder Erbringung einer Dienstleistung die tatsächlich dafür erhaltene Gegenleistung. Diese Gegenleistung stellt also den subjektiven, nämlich tatsächlich erhaltenen Wert und nicht einen nach objektiven Kriterien geschätzten Wert dar (vgl. EuGH-Urteile vom 16. Oktober 1997 Rs. C-258/95, Fillibeck KG, ... Rz 13; vom 2. Juni 1994 Rs. C-33/93, Empire Stores, Slg. 1994, I-2329 Rz 18; vom 24. Oktober 1996 Rs. C-288/94, Argos Distributors, Slg. 1996, I-5311 Rz 16). Gegenleistung in diesem Sinn ist das, was der Benutzer tatsächlich aufwendet. Dass er sich möglicherweise darüber ärgert, dass er die verfallenden Restbeträge nicht zurückerhält, ändert nichts daran, dass er den Telefonautomaten unter den von der Antragstellerin vorgegebenen Bedingungen nutzt und diese damit als Vertragsbestandteil anerkennt.

Das steht --im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin-- im Einklang mit dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Glawe (vom 5. Mai 1994 C-38/93, BStBl II 1994, 548). Auch danach ist die Besteuerungsgrundlage die tatsächlich erhaltene Gegenleistung. Nur Beträge, die der Leistende im Ergebnis tatsächlich nicht behält und über die er effektiv nicht selbst verfügen kann, gehören nicht dazu. Das ist hier nicht der Fall; die Klägerin darf auch die Restbeträge behalten und tut dies auch.

Der Hinweis der Antragstellerin auf sog. Prepaid-Telefonkarten führt zu keiner anderen Beurteilung. Über die umsatzsteuerliche Beurteilung des Verfalls von Restguthaben bei Prepaid-Telefonkarten hat der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden.

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