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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 12.11.2008
Aktenzeichen: V B 41/08
Rechtsgebiete: FGO, UStG 1999


Vorschriften:

FGO § 96 Abs. 1 S. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 119 Nr. 6
UStG 1999 § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

1.

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist hinsichtlich des Streitjahrs 2002 begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.

a)

Das Urteil des FG verletzt § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO. Nach dieser Vorschrift hat das FG bei seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere den Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Prozessbeteiligten (quantitativ) vollständig und (qualitativ) einwandfrei zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist ein Verfahrensfehler (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. April 2005 IX B 194/03, BFH/NV 2005, 1354, m.w.N.).

b)

Im Streitfall liegt ein solcher Verfahrensfehler vor, auf dem die Vorentscheidung beruht. Das FG hat sein Urteil hinsichtlich des Streitjahrs 2002 darauf gestützt, dass der Kläger Umsatzsteuerminderungen im Hinblick auf die seiner Auffassung nach an die französischen Firmen B und C bewirkten innergemeinschaftlichen Leistungen zuletzt nicht mehr geltend gemacht habe. Hiergegen führt der Kläger mit seiner Beschwerde zu Recht an, dass er einen derartigen Verzicht zu keiner Zeit ausdrücklich erklärt habe und ein derartiger Verzicht auch nicht im Protokoll über die mündliche Verhandlung vermerkt sei. Nicht zuletzt im Hinblick auf den schriftsätzlichen Vortrag des Klägers zu dieser Streitfrage war das FG nicht berechtigt, ohne schriftliche oder zumindest protokollierte Erklärung von einem derartigen Verzicht auszugehen.

c)

Die Kausalität dieses Verfahrensfehlers entfällt nicht dadurch, dass das FG im Hinblick auf den Streitpunkt der Rechnungsberichtigung gegenüber B und C davon ausging, dass nicht festgestellt werden könne, ob die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden sei. Denn diese Begründung reicht nicht aus, um den selbständigen Anspruch auf steuerrechtliche Anerkennung einer Rechnungsberichtigung in seinen wesentlichen Teilen zu erörtern. Daher ist das Urteil insoweit nach § 119 Nr. 6 FGO teilweise nicht mit Gründen versehen, so dass auch insoweit ein Verfahrensfehler vorliegt. Es fehlen insbesondere Feststellungen zum Leistungsort. Weiter bleibt unklar, welche Anforderungen an die Beseitigung einer Gefährdung des Steueraufkommens zu stellen sind.

2.

Die Beschwerde hat hinsichtlich des Streitjahrs 2001 keinen Erfolg. Der Kläger hat die Rüge, das FG habe trotz Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten die Sachaufklärungsklärungspflicht (§ 76 FGO) verletzt, so dass die Revision aufgrund eines Verfahrensfehlers zuzulassen sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.

a)

Macht der Beschwerdeführer eine Verletzung der Pflicht des FG zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen geltend, so muss er für eine dahingehende schlüssige Rüge u.a. substantiiert vortragen, warum er --sofern er durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war-- nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt habe, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 8. April 2008 X B 40/07, Zeitschrift für Recht und Steuern 2008, RR 494).

b)

Diesen Erfordernissen genügen die Ausführungen des Klägers, der seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) versteuert, nicht.

aa)

Der Kläger beanstandet, das FG habe die Schätzung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) schon deshalb nicht als zulässig ansehen dürfen, da er, der Kläger, die Erlöse richtig aufgezeichnet habe. Es könne ihm nicht vorgeworfen werden, dass ein Erlös aus einer Rechnung vom 26. Dezember 2001 erst mit Bezahlung im Jahr 2002 erfasst worden sei. Weiter hätte eine Aufklärung auch insoweit erfolgen müssen, als das FG davon ausgegangen sei, das FA habe die Umsätze nicht weiter ermitteln können und sei daher zur Schätzung berechtigt gewesen, da die Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung mit dem FA abgesprochen worden sei, so dass das FG nicht berechtigt gewesen sei, die Schätzung mit der unterbliebenen Abgabe der Steuererklärung zu rechtfertigen.

bb)

Im Kern macht der Kläger damit keinen Verfahrensfehler geltend. Es fehlen insbesondere Ausführungen zu den entscheidungserheblichen Tatsachen, die sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten. Ebenso ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Der Kläger wendet sich vielmehr gegen das Vorliegen der vom FG bejahten Schätzungsbefugnis und damit gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen FG-Entscheidung. Einwendungen gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit können aber im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zum Erfolg führen.

Dem Vorbringen des Klägers lässt sich darüber hinaus auch nicht entnehmen, dass ein zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO führender sog. qualifizierter Rechtsanwendungsfehler vorliegt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; vom 7. Juli 2004 VII B 344/03, BFHE 206, 226, BStBl II 2004, 896; vom 30. Januar 2007 IV B 111/05, BFH/NV 2007, 1146, und vom 25. Januar 2008 X B 90/07, BFH/NV 2008, 610). Bei Schätzungen kommt ein derartiger zur Zulassung der Revision berechtigender erheblicher Rechtsanwendungsfehler nur in Betracht, wenn das Schätzungsergebnis wirtschaftlich unmöglich und damit schlechthin unvertretbar ist, wenn sich also das Ergebnis der Schätzung als offensichtlich realitätsfremd darstellt. Diese besonderen Umstände sind in der Beschwerdeschrift darzulegen (BFH-Beschlüsse vom 9. August 2007 X B 218/06, BFH/NV 2007, 2273, und vom 1. April 2008 X B 92/07, BFH/NV 2008, 1337), woran es im Streitfall fehlt.

Ende der Entscheidung

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