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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.02.2002
Aktenzeichen: V B 56/01
Rechtsgebiete: WEG, UStG, FGO, 6. USt-Richtlinie


Vorschriften:

WEG § 31
UStG § 4 Nr. 12 Satz 2
UStG § 4 Nr. 12 Buchst. c
UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 4
FGO § 40 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
6. USt-Richtlinie Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) konzipierte und vertrieb im Streitjahr (1993) eine Ferienwohnanlage im Rahmen eines sog. Time-Sharing-Modells. Zum Zweck der Vermarktung zu wochenweiser Nutzung war der Wohnpark in Eigentumswohnungen aufgeteilt worden. Die Klägerin bestellte den "Erwerbern" an den einzelnen Ferienwohnungen jeweils (mindestens) einen Anteil von jeweils 1/52 eines Dauerwohnrechts gemäß § 31 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG), verbunden mit dem Sondernutzungsrecht für eine bestimmte Woche des Jahres. Das Dauerwohnrecht hatte nach dem notariellen Erwerbsvertrag u.a. folgenden Inhalt:

"1. Das Dauerwohnrecht wird auf die Dauer von 99 Jahren, beginnend mit dem Tag der Grundbucheintragung, bestellt.

2. Durch diesen Vertrag soll der Dauerwohnberechtigte wirtschaftlich einem Mieter gleichgestellt werden.

3. Der Dauerwohnberechtigte hat das Recht der alleinigen Nutzung des Gebäudes sowie des Gartens. Das Gebäude darf nur zu Wohnzwecken genutzt werden. Der Dauerwohnberechtigte darf sein Recht --unbeschadet seiner Pflicht zur Zahlung des Wirtschaftsgeldes-- Dritten zur Nutzung überlassen.

4. Das Dauerwohnrecht ist veräußerlich und vererblich. Die Veräußerung bedarf der Zustimmung des Eigentümers, die nur aus wichtigem Grund versagt werden darf.

Der Veräußerer beabsichtigt, sein Dauerwohnrecht unter Einbehalt eines eigenen Anteils an bis zu 51 Interessenten zu veräußern. Mit jedem 1/52-Anteil soll das Nutzungsrecht an einer Woche verbunden werden. Der Eigentümer erteilt hiermit seine Zustimmung zu dieser Veräußerung."

Als Gegenleistung hatten die Erwerber eine "einmalige Mietvorauszahlung" zu zahlen. Die Ferienwohnanlage war einem internationalen "Tauschpool" angeschlossen. Die Klägerin erhielt im Streitjahr Mietvorauszahlungen, die sie zunächst nicht der Umsatzsteuer unterwarf.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die Klägerin durch Umsatzsteuerbescheid 1993 vom 7. April 1995 wegen anderweitiger Umsätze Umsatzsteuer in Höhe von 2 700 DM fest.

Im Dezember 1999 beantragte die Klägerin, diesen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheid nach Maßgabe der von ihr nunmehr eingereichten Umsatzsteuererklärung (Umsatzsteuer 215 097,15 DM, Vorsteuer 299 490,25 DM, Überschuss 84 393,10 DM) zu ändern. Zur Begründung führte sie aus, die Vermietung der Ferienanlage sei ihrer Auffassung nach steuerpflichtig, denn zum einen sei die Anlage über die weltweite Tauschmöglichkeit "für ein unübersehbares Massenpublikum" geöffnet, zum anderen sei die geplante Vermietung einer kurzfristigen Beherbergung im Gastgewerbe i.S. des § 4 Nr. 12 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) gleichzusetzen.

Das FA lehnte mit Bescheid vom 12. Mai 2000 die beantragte Änderung mit der Begründung ab, es handele sich um eine Einräumung von Dauerwohnrechten, die nach § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG steuerfrei sei.

Daraufhin hat die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage (zunächst) mit dem Antrag erhoben, die Umsatzsteuerveranlagung 1993 entsprechend ihrer im Dezember 1999 eingereichten Umsatzsteuererklärung zu ändern.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) wies der Vorsitzende die Klägerin auf die Abweichung zwischen den von ihr für das Streitjahr erklärten Umsätzen in Höhe von ... DM und den Erlösen in Höhe von ... DM hin, die sie nach den im Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. November 1999 5 StR 221/99 (Neue Zeitschrift für Strafrecht --NStZ-- 2000, 203, Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht --wistra-- 2000, 137) wiedergegebenen Feststellungen im Streitjahr erzielt hatte. Durch dieses Urteil hatte der BGH die Revision des Geschäftsführers und jetzigen Liquidators der Klägerin gegen ein Urteil verworfen, durch das dieser im Hinblick auf die im vorliegenden Verfahren streitigen Vorgänge wegen Steuerhinterziehung und versuchter Steuerhinterziehung verurteilt worden war.

Auf den weiteren Hinweis des Vorsitzenden, dass Anzahlungen über 10 000 DM gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 4 UStG zu versteuern seien, erklärte die Klägerin, im Streitjahr hätten 2/3 der Anzahlungen über diesem Betrag gelegen. Sie beantragte nunmehr, unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides vom 7. April 1995 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21. September 2000, den Beklagten zu verpflichten, die Umsatzsteuer 1993 in Höhe von 633 928,90 DM festzusetzen.

Das FG beurteilte die Klage als zulässig, aber unbegründet. Es führte zur Zulässigkeit aus, ein Steuerpflichtiger könne auch dann durch eine zu niedrige Steuerfestsetzung in seinen Rechten verletzt sein, wenn nach seiner Darlegung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden müsse, dass ihm der Vorgang, auf dem die Festsetzung beruhe, bei der gleichen Steuer für spätere Steuerabschnitte steuerliche Nachteile verursachen werde, die den durch die angefochtene zu niedrige Steuerfestsetzung bewirkten Vorteil überwögen (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Mai 1981 VIII R 143/78, BFHE 133, 396, BStBl II 1981, 665). Diese Möglichkeit schloss das FG "im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin, dass die Summe der für den Ferienpark ... anfallenden Vorsteuern die nach ihrer Rechtsauffassung durch den Verkauf der Wohnrechte entstehende Umsatzsteuer übersteigt, nicht aus" und bejahte "aus diesem Grund die Beschwer für die Klage".

Die somit zulässige Klage sei aber unbegründet.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die sie auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützt.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Maßgebend sind die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. nach In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757), weil das angefochtene Urteil nach dem 1. Januar 2001 verkündet worden ist (vgl. Art. 4, 6 2.FGOÄndG).

2. Die Revision kann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen werden.

a) Nach Ansicht der Klägerin kommt folgender Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zu:

"Stellt die auf 99 Jahre befristete Einräumung eines 1/52-stel Anteils eines Dauerwohnrechts an einer Ferienwohnung in einem hotelmäßig bewirtschafteten Ferienpark eine -steuerpflichtige- "Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung" i.S.d. Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 1 der 6. USt-Richtlinie dar bzw. ist die Leistung bei richtlinienkonformer Auslegung unter den Begriff der "kurzfristigen Beherbergung" i.S.d. § 4 Nr. 12 Satz 2 erste Alternative UStG zu fassen?"

b) Es kann offen bleiben, ob die von der Klägerin herausgestellte Rechtsfrage grundsätzlich bedeutsam und klärungsbedürftig ist.

Die Frage ist im Streitfall jedenfalls nicht klärbar. Denn die Klage ist --entgegen der Auffassung des FG-- unzulässig, so dass die von der Klägerin angestrebte Revision mit dieser Maßgabe zurückgewiesen werden müsste, ohne dass der Senat zu materiellen Fragen Stellung nehmen könnte.

aa) Nach § 40 Abs. 2 FGO ist eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein.

bb) Im Streitfall begehrt die Klägerin, dass der Umsatzsteuerbescheid 1993 vom 7. April 1995 über 2 700 DM dahin gehend geändert wird, dass die Umsatzsteuer 1993 auf 633 928,90 DM festgesetzt wird. Sie erstrebt also eine höhere Umsatzsteuer als festgesetzt.

Eine Klage mit dem Begehren, eine höhere Steuer festzusetzen ist grundsätzlich unzulässig (vgl. BFH-Urteile vom 8. November 1989 I R 174/86, BFHE 158, 540, BStBl II 1990, 91; vom 19. Juli 1994 VIII R 58/92, BFHE 176, 317, BStBl II 1995, 362; BFH-Beschluss vom 14. März 2000 V B 187/99, BFH/NV 2000, 1252).

cc) Ausnahmsweise kann ein Kläger nach der vom FG zutreffend wiedergegebenen Rechtsprechung des BFH durch eine zu niedrige Steuerfestsetzung in seinen Rechten verletzt sein. Das ist der Fall, wenn nach seiner Darlegung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden muss, dass ihm der Vorgang, auf dem die Festsetzung beruht, bei der gleichen Steuer für spätere Steuerabschnitte steuerliche Nachteile verursachen wird, die den durch die angefochtene zu niedrige Steuerfestsetzung bewirkten Vorteil überwiegen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 133, 396, BStBl II 1981, 665; vom 17. Dezember 1987 V B 152/87, BFHE 152, 40, BStBl II 1988, 286).

Dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind, hat die Klägerin nicht dargelegt. Ihre in der mündlichen Verhandlung vor dem FG aufgestellte Behauptung, die Summe der für den Ferienpark ... anfallenden Vorsteuern übersteige die nach ihrer Rechtsauffassung durch den Verkauf der Wohnrechte entstehende Umsatzsteuer, ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar und jedenfalls nicht belegt. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, welchen Vorteil die Klägerin etwa bei Steuerfestsetzungen für andere Veranlagungszeiträume oder aus sonstigen Gründen hätte, wenn sie im Streitjahr 1993 entsprechend ihrem Klageantrag veranlagt würde.

Ende der Entscheidung

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