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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 06.04.2005
Aktenzeichen: V B 60/04
Rechtsgebiete: UStG, AO 1977, FGO


Vorschriften:

UStG § 9 Abs. 1
UStG § 14 Abs. 2
UStG § 14 Abs. 3 a.F.
UStG § 14c
UStG § 14c Abs. 1 n.F.
UStG § 14c Abs. 2 n.F.
UStG § 17 Abs. 1
AO 1977 § 227
AO 1977 § 233a
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft, errichtete in den Jahren 1995 bis 1998 (Streitjahre) ein mehrgeschossiges Wohn- und Geschäftshaus und veräußerte das so geschaffene Wohn- und Teileigentum an eine Vielzahl von Erwerbern, die es teilweise zu eigenen Wohnzwecken, teilweise zur Vermietung nutzten.

Die Klägerin optierte für sämtliche errichtete Wohnungen und Teileigentumseinheiten zur Umsatzsteuer. Sie wies in sämtlichen der ihren Kunden erteilten Rechnungen Umsatzsteuer gesondert aus und zog die ihr im Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer ab. In den Streitjahren führte die Klägerin in Bezug auf Wohnungen, welche eigenen Wohnzwecken der Erwerber dienten, Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 1 001 927,92 DM an die Finanzverwaltung ab. Im gleichen Zeitraum und für die identischen Wohnungen machte die Klägerin Vorsteuerbeträge in Höhe von 828 026,70 DM geltend.

Bei einer im Jahr 2000 durchgeführten Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) für eine Option zur Steuerpflicht teilweise nicht vorgelegen hatten und die Klägerin deshalb insoweit zu Unrecht Vorsteuerbeträge geltend gemacht hatte. Aufgrund dieser (unstreitigen) Feststellungen änderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) durch Änderungsbescheide vom 9. Februar 2001 die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre entsprechend. Gleichzeitig setzte das FA Nachzahlungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO 1977) in Höhe von insgesamt 125 234 DM fest.

Die Klägerin hat im Jahr 2000 die Rechnungen, in denen sie zu Unrecht Umsatzsteuer ausgewiesen hatte, gemäß § 14 Abs. 2 UStG berichtigt und mit der Umsatzsteuer-Voranmeldung für September 2000 die Umsatzsteuer gemäß § 17 Abs. 1 UStG entsprechend korrigiert.

Die Klägerin legte gegen die Festsetzung der Zinsen Einspruch ein und beantragte deren Erlass. Diesen lehnte das FA durch Bescheid vom 4. Oktober 2001 ab.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) stützte seine Entscheidung im Wesentlichen auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. August 2001 V R 72/00 (BFH/NV 2002, 545).

Die Klägerin beantragt, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Es muss sich um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage handeln, die im Revisionsverfahren geklärt werden kann. Am Klärungsbedarf fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BFH beantwortet werden kann und keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 29. April 2004 V B 43/03, BFH/NV 2004, 1303, m.w.N.). So liegt es hier.

a) Die Klägerin hält folgende Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam:

"Sind der unrichtige Steuerausweis nach § 14 Abs. 2 UStG a.F. bzw. § 14c Abs. 1 UStG n.F. und der unberechtigte Steuerausweis nach § 14 Abs. 3 UStG a.F. bzw. § 14c Abs. 2 UStG n.F. jeweils i.V. mit § 17 Abs. 1 UStG aufgrund Vorgaben des europäischen Rechts sowie in verfassungskonformer Auslegung insoweit gleichzubehandeln, als in beiden Fällen, wenn der Rechnungsaussteller nachweist, dass eine Gefährdung des Steueraufkommens dadurch beseitigt worden ist, dass der Rechnungsempfänger den Vorsteuerabzug nicht in Anspruch genommen hat, die Rechnung für den Zeitraum zu berichtigen ist, in dem die Steuer entstanden ist, und sind demzufolge, falls eine Berichtigung des ursprünglichen Umsatzsteuerbescheides wegen dessen Bestandskraft nicht mehr möglich ist, im Falle des unrichtigen Steuerausweises die Zinsen auf die zurückgeforderten Vorsteuern aus den der Leistungserbringung zugrundeliegenden Aufwendungen des gleichen Zeitraums wegen sachlicher Unbilligkeit gem. § 227 AO zwingend zu erlassen?"

b) Diese Frage ist anhand folgender bereits vorliegender Rechtsprechung des BFH zu verneinen:

Hat der Unternehmer steuerfreie Umsätze als steuerpflichtig behandelt, die damit unmittelbar zusammenhängenden Vorsteuerbeträge geltend gemacht sowie die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer angemeldet und abgeführt, können die Korrektur der zu Unrecht beanspruchten Vorsteuer einerseits und die Berichtigung der zu Unrecht ausgewiesenen Umsatzsteuer andererseits in unterschiedliche Besteuerungszeiträume fallen, weil Letztere die Rechnungsberichtigung und ggf. die Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger voraussetzt. Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen von Nachzahlungszinsen, die durch den unterschiedlichen Entstehungszeitpunkt von Vorsteuerrückzahlungs- und Umsatzsteuererstattung bedingt sind, kommt nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 545).

Es ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, ob eine wegen unzutreffenden Steuerausweises in einer Rechnung gemäß § 14 Abs. 2 UStG entstandene Steuer gemäß § 233a AO 1977 zu verzinsen ist. Das Gesetz enthält insoweit eine eindeutige Regelung. Danach besteht die aufgrund des Steuerausweises entstandene Umsatzsteuer bis zur --ohne Rückwirkung eintretenden-- Berichtigung des Steuerbetrags (vgl. BFH-Beschluss vom 6. August 1996 V B 51/95, BFH/NV 1997, 165).

Eine rückwirkende Berichtigung eines unzutreffend ausgewiesenen Steuerbetrags widerspräche dem Regelungszweck des § 14 Abs. 2 UStG. Für eine sachliche Unbilligkeit der Verzinsung von solchen Umsatzsteuernachforderungen ist kein Anhaltspunkt ersichtlich (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2002 V R 66/00, BFH/NV 2003, 591).

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin rechtfertigen weder Art. 21 Abs. 1 Buchst. d der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG, noch die Neuregelung der Rechnungsberichtigungsvorschriften mit Wirkung vom 1. Januar 2004 durch § 14c UStG 1999 noch der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Streitjahre eine andere Beurteilung. Denn nur zinsspezifische Gründe können einen Erlass von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen rechtfertigen (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juni 2003 V B 59/02, BFH/NV 2003, 1531).

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