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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.08.2002
Aktenzeichen: V B 71/01
Rechtsgebiete: ZPO, FGO


Vorschriften:

ZPO § 227 Abs. 1
ZPO § 227 Abs. 2
FGO § 91 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
FGO § 155
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) meldete in seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1989 bis 1992 u.a. Umsätze aus der Vermittlung von Haartransplantationsaufträgen an. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, nicht die vom Kläger als seine Auftraggeber bezeichneten, auf den britischen Kanalinseln residierenden Gesellschaften englischen Rechts hätten die streitigen Leistungen erbracht; leistender Unternehmer sei vielmehr der Kläger selbst gewesen. Das FA änderte die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1989 bis 1992 bzw. erließ erstmalige Bescheide für die Jahre 1993 und 1994. Die Einsprüche und Klagen des Klägers blieben erfolglos.

Auf die Verfahrens-Revision des Klägers hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 27. Juli 2000 V R 38/99 (BFH/NV 2001, 181) das Urteil des Finanzgericht (FG) auf und verwies die Sache zur Nachholung einer unterlassenen Beweiserhebung an das FG zurück.

Im zweiten Rechtsgang stellte das FG fest, dass

* der Kläger wie auch sein früherer Prozessbevollmächtigter in Untersuchungshaft sind,

* letzterer seine Anwaltszulassung zurückgegeben hat,

* der Kläger dem zum Abwickler bestellten Rechtsanwalt das Mandat entzogen hat und

* von Rechtsanwalt F, dem jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers, vertreten wird.

Dass Rechtsanwalt F den Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren vertrete, hatte dieser zunächst bestätigt. Nachdem Rechtsanwalt F erklärt hatte, einer Terminierung zur Nachholung einer unterlassenen Beweisaufnahme im Februar 2001 stehe nichts entgegen, lud das FG am 19. Januar 2001 zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme auf den 13. Februar 2001. Die Ladung wurde sowohl dem Kläger als auch Rechtsanwalt F jeweils zusammen mit dem Beweisbeschluss vom 17. Januar 2001 am 22. Januar 2001 zugestellt.

Mit Schreiben vom 30. Januar 2001 teilte Rechtsanwalt F dem FG mit, er sei für dieses Verfahren nicht bevollmächtigt und auch nicht Zustellungsbevollmächtigter des Klägers. Er gebe lediglich als Bote des Klägers den Antrag auf Aufhebung des Termins weiter. Der Kläger benötige Akteneinsicht und Zeit, einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten zu bestellen. Das FG teilte dem Kläger persönlich mit Schreiben vom 6. Februar 2001 mit, der Termin werde auf den 6. März 2001 verlegt, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, einen Prozessbevollmächtigten zu bestellen und ggf. von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, selbst die Akten in der Justizvollzugsanstalt einzusehen.

Mit seinem Schreiben vom 15. Februar 2001 bat Rechtsanwalt F --wiederum unter Hinweis darauf, er schreibe "als Bote" des Klägers-- um Verlegung des Termins um weitere sechs Monate; diese Zeit brauche der Kläger, um sich selbst und einen neuen Prozessbevollmächtigten in den Prozessstoff einarbeiten zu können.

Nachdem das FG dem Kläger mitgeteilt hatte, dass keine Gründe für eine weitere Verlegung vorlägen, meldete sich mit Schreiben vom 1. März 2001 erneut Rechtsanwalt F "als Bote" des Klägers; er teile nur in Kurzform die handschriftlichen Argumente des Klägers für die Notwendigkeit einer Vertagung mit.

Am 2. März 2001 ging beim FG der --bereits angekündigte-- handschriftliche Antrag des Klägers persönlich auf Verlegung des Termins um mindestens sechs Monate ein. Er wies darin u.a. darauf hin, Rechtsanwalt F habe in seinem Auftrag vergeblich versucht, andere Berater zu finden. Niemand sei bereit gewesen, in der Kürze der Zeit das Mandat zu übernehmen, denn selbst wenn er und sein bisheriger, in Untersuchungshaft befindlicher Prozessbevollmächtigter, der allein die ganzen Vorgänge, alle Details des Sachverhalts und des bisherigen Verfahrens kenne, diesen in die Unterlagen einweise, brauche ein neuer Prozessbevollmächtigter mindestens neun Monate zur Vorbereitung. Qualifizierte Berater seien ausgelastet und könnten andere Mandate nicht liegen lassen. Alle im vorausgegangenen Verfahren gestellten Beweisanträge blieben weiterhin aufrechterhalten; außerdem seien noch viele Beweisanträge zu stellen; für den Fall, dass der Termin nicht vertagt werde, werde er den Antrag stellen, das Gericht wegen Voreingenommenheit abzulehnen. Bis zum Einsetzen eines neuen Prozessbevollmächtigten solle Rechtsanwalt F weiterhin, wie bisher, als "Zustelladresse und Bote" zugelassen werden; dieser könne ihm die Schreiben erläutern und mögliche von ihm, dem Kläger, getroffene Entscheidungen ausführen. Von der Möglichkeit, die Akten einzusehen, hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Zur mündlichen Verhandlung erschienen weder der Kläger noch für diesen ein Prozessbevollmächtigter. Anwesend war allerdings u.a. Rechtsanwalt F als Zuhörer.

Das FG wies nach Beweisaufnahme die Klage ab. Es begründete ausführlich, weshalb es eine Verlegung des Termins ablehnte. Das Vorbringen des Klägers, er habe keinen Berater finden und sich in der Untersuchungshaft nicht auf die mündliche Verhandlung vorbereiten können, wies es als Schutzbehauptung zurück.

Mit der Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen Verletzung rechtlichen Gehörs. Im Beschwerdeverfahren wird er vertreten durch Rechtsanwalt F, der sich zunächst unter Hinweis auf eine für das Verfahren "...(Kläger) .\. FA ..." ausgestellte Prozessvollmacht vom 26. September 2000 legitimiert hat.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder 3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Gemäß § 116 Abs. 3 FGO müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden.

2. Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger die Darlegungsvoraussetzungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfüllt hat. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.

a) Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Anwesenheit des (ordnungsgemäß) geladenen Beteiligten oder seines Prozessbevollmächtigten kann den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen, wenn einem vor dem Termin gestellten Antrag auf Verlegung zu Unrecht nicht stattgegeben worden ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 2000 IV B 86/99, BFH/NV 2000, 1353; vom 22. Dezember 1997 X B 23/96, BFH/NV 1998, 726; vom 14. Mai 1996 VII B 237/95, BFH/NV 1996, 902, m.w.N.). Der Beteiligte ist allerdings gehalten, sich im Rahmen des Zumutbaren selbst das rechtliche Gehör zu verschaffen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt deshalb nur vor, wenn dem Beteiligten trotz zumutbaren eigenen Bemühens die Möglichkeit zur Äußerung verweigert oder abgeschnitten wurde (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2000, 1353; in BFH/NV 1998, 726; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 119 Rz. 13 und 15, m.w.N.).

b) Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) "kann" das Gericht "aus erheblichen Gründen" einen Termin aufheben oder verlegen. Der Beteiligte muss dem Gericht aber im Einzelfall darlegen, dass es sich um erhebliche Gründe handelt. Zwar sind die erheblichen Gründe nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO erst auf Verlangen glaubhaft zu machen. Das berührt aber nicht die Pflicht des Beteiligten, selbst die Gründe so genau anzugeben, dass sich das Gericht aufgrund seiner Schilderung ein Urteil über deren Erheblichkeit bilden kann. Deshalb rechtfertigen formelhafte, nicht im Einzelnen nachprüfbare Begründungen eine Terminsverlegung nicht (BFH-Beschluss vom 31. August 1995 VII B 160/94, BFH/NV 1996, 228). Darüber hinaus kann die Versagung trotz Vorliegens erheblicher Gründe ermessensgerecht sein, wenn offenkundig Prozessverschleppungsabsicht besteht oder der Beteiligte seine prozessualen Mitwirkungspflichten in anderer Weise erheblich verletzt (ständige Rechtsprechung BFH-Urteil vom 3. September 2001 GrS 3/98, Betriebs-Berater 2001, 2459; Steuer-Eildienst 2001, 691, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 2000 IV B 87/99, BFH/NV 2000, 1354; vom 29. Juni 1992 V B 9/91, BFH/NV 1993, 180).

c) Das FG brauchte im Streitfall den Termin zur mündlichen Verhandlung (§ 91 Abs. 1 FGO) nicht aufzuheben oder zu verlegen; denn der Kläger hatte --dafür erforderliche-- erhebliche Gründe nicht substantiiert vorgetragen.

Das FG hatte den Termin zur mündlichen Verhandlung im Einvernehmen mit Rechtsanwalt F --der den Kläger im vorliegenden Beschwerdeverfahren vertritt und sich im Übrigen bei Einlegung der Beschwerde durch eine vom Kläger bereits am 26. September 2000 erteilte Vollmacht legitimiert hatte-- bestimmt und diesen wie auch den Kläger persönlich zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme geladen. Nachdem Rechtsanwalt F mit Schreiben vom 30. Januar 2001, in dem er sich ausdrücklich nur "als Bote" des Klägers bezeichnete, Terminsverlegung beantragte, hob das FG den anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung auf und verlegte ihn, um dem Kläger antragsgemäß Gelegenheit zur Akteneinsicht und zur Bestellung eines fachkundigen Prozessbevollmächtigten zu geben. Auf den Schriftsatz von Rechtsanwalt F vom 15. Februar 2001, mit dem dieser unter Hinweis auf Rechtsprechung zur Bedeutung des rechtlichen Gehörs wiederum "als Bote" des Klägers Terminsverlegung beantragt hatte, teilte das FG dem Kläger mit, dass eine Terminsverlegung nicht in Betracht komme, weil seinem Anliegen bereits mit der ersten Terminsverlegung Rechnung getragen worden sei. Der Kläger konkretisierte dennoch weder in seinem handschriftlich verfassten Schreiben, noch in dem wiederum von Rechtsanwalt F "als Boten" verfassten Schriftsatz seine Behauptung, er habe keinen fachkundigen Berater finden können. Gleichzeitig beantragte er in seinem handschriftlichen Verlegungsantrag, er wolle, dass Rechtsanwalt F wie bisher als "Zustelladresse bzw. Bote" anerkannt werde, weil dieser ihm Schreiben erläutern könne, besser in der Lage sei, sich rechtlich zu artikulieren und seine Entscheidungen ausführen könne. Angesichts dessen war es nicht ermessensfehlerhaft, wenn das FG ohne nachprüfbare Angaben, welche konkreten Anstrengungen der Kläger unternommen hat, einen Prozessvertreter zu finden und wer auf entsprechende Frage eine Übernahme des Mandats abgelehnt hat, die Behauptung der vergeblichen Suche nach einem Prozessbevollmächtigten als nicht überprüfbare Schutzbehauptung mit dem Ziel der Prozessverschleppung sowie die vorgetragenen Gründe als nicht erheblich beurteilt hat und eine weitere Verlegung des Termins abgelehnt hat.

3. Einer weiteren Begründung bedarf es nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.

Ende der Entscheidung

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