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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 02.08.2004
Aktenzeichen: V B 75/04
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 56
FGO § 53 Abs. 2
FGO § 54 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 4
FGO § 56 Abs. 1
FGO § 56 Abs. 2
ZPO § 176
ZPO § 180
ZPO § 176 Abs. 2
ZPO § 177
ZPO § 178
ZPO § 179
ZPO § 180
ZPO § 181
ZPO § 178 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 418 Abs. 1
ZPO § 222
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Steuerberater. Mit Urteil vom 16. April 2004, das den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich der Postzustellungsurkunde am 17. April 2004 (Samstag) zugestellt wurde, wies das Finanzgericht (FG) dessen Klage wegen Umsatzsteuer 1992 bis 1994 ab. Die Revision ließ das FG nicht zu. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers.

Am 21. Juni 2004 beantragte der Kläger per Fax, die Begründungsfrist um einen Monat zu verlängern. Mit Schreiben vom 23. Juni 2004 (mit Postzustellungsurkunde zugestellt am 25. Juni 2004) wies die Geschäftsstelle des erkennenden Senats den Kläger darauf hin, dass das FG-Urteil am 17. April 2004 zugestellt worden und die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht eingereicht worden sei. Sie wies außerdem auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hin. Darauf verwies der Kläger auf seinen Fristverlängerungsantrag vom 21. Juni 2004. Mit Fax vom 15. Juli 2004 begründete der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde und beantragte vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Anders als in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. Juni 1993 V B 9/93 (BFH/NV 1994, 183) sei die Post nicht hinterlegt, sondern in der Kanzlei übergeben worden und dort sei der Eingangsvermerk "19. 6. 2004" angebracht worden. Wenn der Postbeamte das Datum vom 17. April 2004 angebracht habe, sei es möglich, dass er die Post am 17. April 2004 bei sich gehabt habe und wie üblich noch im Auto sitzend die Zustellvermerke angebracht habe. Dies erfolge regelmäßig so. Anschließend trage er die Post dann persönlich in das Büro und gebe sie ab. Dort werde sie geöffnet und der Eingangsstempel angebracht. Die Fristenkontrolle sei ohne Beanstandung. Er könne sich dabei darauf verlassen, dass die Frist ordnungsgemäß berechnet worden sei. Außerdem sei eine Bürokraft wegen schwerer Erkrankung dauerhaft ausgefallen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie verspätet begründet worden ist. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lagen nicht vor.

1. Der Kläger hat die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 116 Abs. 3 FGO) versäumt.

a) Das Urteil ist gemäß § 53 Abs. 2 FGO i.d.F. des Zustellungsreformgesetzes vom 25. Juni 2001 (BGBl I 2001, 1206) i.V.m. §§ 176 und 180 der Zivilprozessordnung (ZPO) wirksam zugestellt worden. Wird der Post ein Zustellungsauftrag erteilt, erfolgt nach § 176 Abs. 2 ZPO die Ausführung der Zustellung nach den §§ 177 bis 181 ZPO. Wird die Person, der zugestellt werden soll, hier dem Kläger, in dem Geschäftsraum nicht angetroffen, kann das Schriftstück nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person zugestellt werden. Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht ausführbar, kann nach § 180 ZPO das Schriftstück in einen zu dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO). Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 180 Satz 3 ZPO).

b) Ausweislich der Postzustellungsurkunde hat der Postbedienstete das mit dem Aktenzeichen und Zusatz "Urteil vom 16.4.04" versehene Schriftstück zu übergeben versucht und, weil die Übergabe in dem Geschäftsraum nicht möglich war, in dem zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung am 17. April 2004, einem Samstag, eingelegt. Damit gilt das Urteil mit der Einlegung am 17. April 2004 als zugestellt.

Gemäß § 418 Abs. 1 ZPO begründet die Postzustellungsurkunde den vollen Beweis dieser in ihr bezeugten Tatsache. Den Beweis der Unrichtigkeit gemäß § 418 Abs. 2 ZPO hat der Kläger schon deshalb nicht geführt, weil er insoweit lediglich Vermutungen über den Geschehensablauf geäußert und im Übrigen lediglich darauf hingewiesen hat, das Qualitätsmanagement der Kanzlei verlange u.a. die Öffnung der Post am Tage des Eingangs und die Anbringung eines Eingangsstempels.

c) Der Umstand, dass das Urteil an einem Samstag zugestellt worden ist und die Möglichkeit besteht, dass der Kläger die Sendung erst am darauffolgenden Montag zur Kenntnis genommen hat, weil die Kanzlei am Samstag nicht besetzt war, lässt die Wirksamkeit der Zustellung unberührt (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1994, 183).

d) Innerhalb der Frist von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils (§ 116 Abs. 3 FGO), die mit Ablauf des 17. Juni 2004 (Donnerstag) endete (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 ZPO und § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), ist die Beschwerde nicht begründet worden. Auch der Antrag des Klägers auf Fristverlängerung ist nicht, wie nach § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO erforderlich, vor Ablauf der Begründungsfrist am 17. Juni 2004, sondern erst am 21. Juni 2004 beim BFH eingegangen.

2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO wegen Versäumung der Begründungsfrist kann nicht gewährt werden. Abgesehen davon, dass der Kläger keinen Wiedereinsetzungsgrund schlüssig vorgetragen hat, scheitert die Wiedereinsetzung schon daran, weil er nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 FGO nach Wegfall des Hindernisses die Tatsachen zur Begründung des Antrags vorgetragen und die versäumte Rechtshandlung --hier die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde-- nachgeholt hat.

Die Frist begann am 25. Juni 2004 mit der Zustellung der Mitteilung der Geschäftsstelle des erkennenden Senats vom 23. Juni 2004, in der der Kläger auf den Ablauf der Begründungsfrist sowie auf § 56 FGO hingewiesen worden war. Die Zweiwochenfrist lief danach am 9. Juli 2004 ab. Die erst am 15. Juli 2004 eingegangene Begründung konnte deshalb nicht mehr berücksichtigt werden.



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