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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 25.09.2003
Aktenzeichen: V B 77/03
Rechtsgebiete: FGO, GG


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 2
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Steuerberatungs-GmbH, machte in ihrer Umsatzsteuererklärung für 1993 u.a. vergeblich die ihr für den Erwerb einer Steuerberaterpraxis von X, dem Geschäftsführer der Klägerin, in Rechnung gestellte Umsatzsteuer geltend. Die von ihm bis Ende 1991 betriebene Einzelpraxis hatte X bereits zum 1. Februar 1992 an die Klägerin veräußert. Am 31. Dezember 1992 erwarb X die zuvor von seinem Vater allein betriebene Steuerberaterpraxis zum Preis von ... DM zuzüglich Umsatzsteuer und veräußerte diese sogleich mit Wirkung vom 1. Januar 1993 an die Klägerin zum Preis von ... DM zuzüglich Umsatzsteuer. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, X habe --nach dem Verkauf seiner Einzelpraxis zum 1. Februar 1992, dem letzten Akt seiner eigenen unternehmerischen Tätigkeit-- nicht als Unternehmer gehandelt; die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer sei nicht abziehbar.

Die Klage hatte keinen Erfolg: Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) aus, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass X Unternehmer gewesen sei. Für die Behauptung, ihr Geschäftsführer, X, sei auch nach dem Verkauf seiner Steuerberaterpraxis an die Klägerin noch als Steuerberater tätig gewesen, habe sie keine Nachweise gebracht. Insbesondere habe sie weder entsprechende Rechnungen noch sonstige Buchhaltungsunterlagen vorgelegt. Im Widerspruch zu der Behauptung der Klägerin, ihr Geschäftsführer sei als selbständiger Steuerberater tätig gewesen, stehe, dass die Klägerin die betreffenden Leistungen im eigenen Namen abgerechnet habe.

Die Klägerin begehrt die Zulassung der Revision mit der Begründung, das FG sei von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen; des Weiteren macht sie Verfahrensfehler geltend.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind entweder nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt worden oder liegen nicht vor.

1. Die Klägerin hat die Abweichungen des finanzgerichtlichen Urteils von einer Entscheidung des BFH nicht schlüssig dargelegt. Dazu muss ein tragender abstrakter Rechtssatz des Urteils des FG und die ebenfalls tragenden Rechtsausführungen der Divergenzentscheidung so herausgearbeitet und gegenübergestellt werden, dass die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Januar 2002 V B 88/01, BFH/NV 2002, 748; vom 16. April 2002 X B 140/01, BFH/NV 2002, 1046; vom 26. März 2003 III B 92/02, BFH/NV 2003, 939). Als solche reicht weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls aus (vgl. BFH in BFH/NV 2002, 1046). Erforderlich ist die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen. Daran fehlt es.

Soweit die Klägerin eine Abweichung vom BFH-Urteil vom 21. April 1993 XI R 50/90 (BFHE 171, 129, BStBl II 1993, 696) rügt, hat sie keine voneinander abweichenden Rechtssätze des FG und des BFH gegenübergestellt. Im Übrigen räumt die Klägerin selbst ein, dass das FG von den Grundsätzen des zitierten BFH-Urteils vom 16. März 1995 V R 72/93 (BFH/NV 1996, 187) ausgegangen ist: Danach kommt es für die Frage, ob jemand "nachhaltig" tätig geworden ist, auf das Gesamtbild der Verhältnisse an, weshalb auch nicht mit Rücksicht auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines der in der Rechtsprechung für die Abwägung entwickelten Kriterien, die für oder gegen die Nachhaltigkeit sprechen, das Vorliegen einer nachhaltigen Betätigung im Einzelfall bejaht oder verneint werden kann.

Unzutreffend ist die Behauptung der Klägerin, das FG habe nur auf die "Zukunft nach dem hier streitigen Akt" abgestellt, denn ausdrücklich führt das FG aus, es seien auch die Besteuerungszeiträume nach dem Streitjahr miteinzubeziehen. Keine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO, sondern lediglich fehlerhafte Sachverhaltswürdigung bzw. fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall rügt die Klägerin, soweit sie darlegt, weshalb das FG bei der erforderlichen Gesamtwürdigung bei einer anderen --ihrer Meinung nach richtigen-- Gewichtung der Umstände zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen.

2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

a) Kein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt vor, soweit sich die Einwendungen gegen das Verhalten des FA richten. Gleiches gilt für Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des Urteils des FG.

b) Die Revision kann auch nicht wegen des von der Klägerin gerügten Verstoßes gegen § 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zugelassen werden.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) umfasst das Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern und die Pflicht des Gerichts sich mit dem entscheidungserheblichen Vorbringen auseinander zu setzen. Eine verfahrensfehlerhafte Überraschungsentscheidung ist danach gegeben, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste. Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und die richterliche Hinweispflicht i.S. des § 76 Abs. 2 FGO verlangen jedoch nicht, dass das Gericht die maßgeblichen Rechtsfragen mit den Beteiligten umfassend und in allen Einzelheiten erörtert. Das Gericht ist grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet. Auf nahe liegende rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte braucht es zumindest dann nicht ausdrücklich hinzuweisen, wenn die Beteiligten --wie hier die Klägerin-- fachkundig vertreten sind (zu Vorstehendem vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. April 2002 X B 56/01, BFH/NV 2002, 947, m.w.N.; vom 11. Februar 2003 XI B 4/02, BFH/NV 2003, 802, jeweils m.w.N.).

Entgegen der Auffassung der Klägerin hätte das FG sie deshalb nicht im Voraus darauf hinweisen müssen, dass es unter Berücksichtigung der vorhandenen Unterlagen und dem Vortrag der Klägerin keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine unternehmerische Tätigkeit des X Ende 1992 und Anfang 1993 findet.

Nachdem der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, es lägen keine Umsatzsteuererklärungen bzw. -voranmeldungen des X für 1993 vor, bestand auch keine Hinweispflicht des FG auf Zweifel an dem entsprechenden gegenteiligen Vortrag der Klägerin. Im Übrigen hat das FG seine Entscheidung vor allem darauf gestützt, dass --selbst wenn X entsprechende Erklärungen abgegeben habe-- durch deren Abgabe nicht belegt sei, dass es sich um Honorare aus einer Tätigkeit als selbständiger Steuerberater nach Aufgabe seiner Einzelpraxis oder um --nach den Grundsätzen der "Ist-Besteuerung" erklärte-- Entgelte aus einer Tätigkeit vor Aufgabe der Praxis gehandelt habe.

c) Auch die Rüge, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.

Ein Verfahrensmangel ist nur dann ordnungsgemäß bezeichnet, wenn innerhalb der Begründungsfrist die Tatsachen genau und schlüssig angegeben werden, die den Mangel ergeben. Es ist ferner vorzutragen, inwiefern das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel beruhen kann, es also ohne ihn möglicherweise anders ausgefallen wäre (BFH-Beschluss vom 13. September 1991 IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148, unter I. 1. b, ständige Rechtsprechung). Insoweit kommt es auf den materiell-rechtlichen Standpunkt des FG an, unabhängig davon, ob dieser richtig oder falsch ist (z.B. BFH-Beschluss vom 13. Januar 2003 III B 51/02, BFH/NV 2003, 640).

Wird --wie hier-- die Verletzung der von Amts wegen gebotenen Sachaufklärungspflicht gerügt, setzt eine schlüssige Rüge nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 22. März 1999 X B 142/98, BFH/NV 1999, 1236) zu einem schlüssigen Sachvortrag u.a. Ausführungen dazu, welche Tatsachen das FG hätte aufklären oder welche Beweise es hätte erheben müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Substantiierter Vortrag der Klägerin in diesem Sinne liegt nicht vor.

aa) Das FG stützt seine Entscheidung u.a. darauf, dass die Klägerin zwar behauptet hat, X sei als Strafverteidiger und Prozessvertreter im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig geworden, in der mündlichen Verhandlung aber erklärt hat, sie, die Klägerin, habe diese Leistungen im eigenen Namen abgerechnet. Für die Behauptung, X habe Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbracht, habe die Klägerin keine entsprechenden Unterlagen, insbesondere keine Honorarabrechnungen beigebracht. Eine schlüssige Rüge hätte deshalb u.a. den Vortrag erfordert, dass X im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Leistungen als Strafverteidiger oder Prozessvertreter gegenüber Dritten erbracht hat und dies ggf. durch entsprechende Honorarrechnungen des X hätte belegt werden können.

Daran fehlt es; die Klägerin trägt hierzu vielmehr u.a. vor, dass "die GmbH selbst weder als Strafverteidiger noch vor dem BFH auftreten", "die Leistung also von vornherein nur der StB selbst erbringen" könne; es sei "auch möglich, daß der so tätige Steuerberater seine Abrechnungen direkt von der Gesellschaft machen" lasse; es sei "selbstverständlich, daß der StB seine Erlöse" zur Vermeidung einer verdeckten Gewinnausschüttung der Gesellschaft zuführen müsse. Dass die Klägerin bei weiterer Sachverhaltsermittlung den Nachweis für Leistungen des X im eigenen Namen und für eigene Rechnung hätte erbringen können, ergibt sich daraus nicht.

bb) Gleiches gilt, soweit die Klägerin weitere Ermittlungen bezüglich der Umsatzsteuererklärungen bzw. -voranmeldungen vermisst.

cc) Soweit die Klägerin weitere Sachverhaltsermittlungen zur Frage einer unternehmerischen Tätigkeit des X durch "An- und Verkauf von Unternehmen" vermisst, hat die Klägerin nicht dargelegt, was die benannten Beweismittel zur Konkretisierung der behaupteten Absicht hätten beitragen können.

3. Im Übrigen ergeht die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Begründung.

Ende der Entscheidung

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