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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.08.2006
Aktenzeichen: V B 86/05
Rechtsgebiete: AO 1977, UStG, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 193 Abs. 1
AO 1977 § 193 Abs. 2 Nr. 2
UStG § 4 Nr. 23
UStG § 4 Nr. 23 Satz 1
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ein als gemeinnützig anerkannter Verein, unterhält eine Tagungsstätte in O. unter Anleitung eines angestellten Theologen. In der Tagungsstätte, aber auch an anderen Orten, führt der Kläger Veranstaltungen durch, bei denen er Teilnehmergebühren, Spenden und Kollekten vereinnahmt. In der Tagungsstätte halten auch andere Organisationen Veranstaltungen ab; auch aus diesen sog. Fremdbelegungen hat der Kläger Einnahmen.

Am 22. April 2003 erließ das bis zum 1. März 2005 für die Besteuerung des Klägers zuständige Finanzamt eine Prüfungsanordnung nach § 193 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) bezüglich Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer, die es auf den Einspruch des Klägers am 14. Mai 2003 hinsichtlich Prüfungsbeginn und Prüfungsort änderte.

Gegenstand des Klageverfahrens, das vom zwischenzeitlich zuständigen Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) weitergeführt wird, war die Frage, ob das FA berechtigt war, vor Abschluss der Prüfung --mit Anordnung vom 14. Juli 2003-- den Prüfungszeitraum auf das Jahr 2001 zu erweitern. Der Umsatzsteuererklärung für dieses Jahr vom 21. März 2003 hatte das FA am 14. April 2004 zugestimmt.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging bei seiner Entscheidung davon aus, die erweiterte Prüfungsanordnung sei ermessensfehlerfrei, wenn bei einer durch Tatsachen gestützten Prognose mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen sei. Diese Voraussetzungen lägen vor, wenn bereits die Prüfung des eingeschränkten Prüfungszeitraums nicht unerhebliche Steuernachforderungen ergeben habe und nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu erwarten sei, dass ähnliche Ergebnisse auch in den Zeiträumen vorliegen werden, um die der Prüfungszeitraum erweitert worden sei. Nicht unerhebliche Steuernachforderungen seien bereits Beträge ab 1 000 DM bis 3 000 DM je Veranlagungszeitraum. Maßgebend für die gerichtliche Prüfung seien diejenigen tatsächlichen Verhältnisse, die der Behörde im Zeitpunkt der letzten Ermessensausübung (spätestens in der Einspruchsentscheidung) bekannt waren oder bekannt sein mussten. Diese Anforderungen seien im Streitfall erfüllt.

Schon der Komplex "Fremdbelegung" in der Tagungsstätte führe aufgrund der Prüfung zu Mehrergebnissen in Höhe von 4 151 DM (1998), 2 951 DM (1999) und 4 623 DM (2000). Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 23 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vorlägen, habe der Kläger nicht substantiiert und bedürften einer weiteren Überprüfung. Das FA habe deshalb aufgrund der bisherigen Prüfungsfeststellungen für 1998 bis 2000 davon ausgehen dürfen, dass es sich bei den vom Kläger unter "Fremdbelegung" erfassten Veranstaltungen in der Tagungsstätte um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und keinen Zweckbetrieb (§ 65 AO 1977) handele, und deshalb nicht der ermäßigte Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG anzuwenden sei. Vergleichbares gelte für die vereinnahmten Beherbergungsentgelte. Dass es sich hierbei um durchlaufende Posten gehandelt habe, habe weder der Kläger selbst substantiiert vorgetragen noch ergäben sich hierfür Anhaltspunkte aus den Akten. Gleiches gelte für die Voraussetzungen des § 4 Nr. 23 UStG; selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstelle, die Hälfte der Entgelte sei steuerbefreit, blieben Mehrergebnisse in den Jahren 1998 bis 2000 zwischen jährlich 2 650 DM und 12 300 DM.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen; hiergegen richtet sich die Beschwerde.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 FGO).

Der Kläger hat Zulassungsgründe zum Teil nicht ordnungsgemäß dargelegt, zum Teil liegen die geltend gemachten Mängel nicht vor.

1. Der Kläger rügt, das FG sei zwar zu Recht davon ausgegangen, maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung seien die Verhältnisse im Zeitpunkt der Prüfungsanordnung bzw. der Beschwerdeentscheidung. Er habe aber bereits mit seinem Einspruch und wiederholt im Klageverfahren dargelegt, dass die Prämissen für die von der Außenprüfung erhofften Mehrergebnisse fehlerhaft seien und gegen allgemein anerkannte Regeln der Mathematik verstießen. Insbesondere sei der Schriftsatz des Klägers vom 15. März 2005 ein Indiz für gravierende Rechenfehler der Prüfung. Das FG-Urteil erwähne mit keinem Wort die fehlende und fehlerhafte Vorsteuerberücksichtigung. Das FG sei deshalb von falschen "Sachentscheidungsvoraussetzungen" ausgegangen und verstoße gegen den klaren Akteninhalt.

a) Die Rüge eines "Verstoßes gegen den (klaren) Inhalt der Akten" kann dahin zu verstehen sein, dass hiermit die Nichtbeachtung des § 96 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz FGO geltend gemacht wird, wonach das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet. Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist das FG verpflichtet, den Inhalt der ihm vorliegenden Akten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen (BFH-Beschlüsse vom 4. Februar 2003 VI B 70/02, BFH/NV 2003, 798; vom 21. Juni 2004 VII B 167/03, BFH/NV 2005, 62). Davon, dass das FG den Akteninhalt zur Kenntnis genommen und erwogen hat, kann jedoch grundsätzlich ausgegangen werden, sofern nicht besondere Umstände des konkreten Falls auf einen diesbezüglichen Verstoß hindeuten (BFH-Beschlüsse vom 20. Dezember 1994 V B 3/94, BFH/NV 1995, 946; vom 13. März 1995 XI B 160/94, BFH/NV 1995, 817; BFH-Urteil vom 5. Oktober 1999 VII R 25/98, BFH/NV 2000, 235). Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt hingegen nicht bereits deshalb vor, weil das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend den Vorstellungen des Klägers gewürdigt hat.

b) Gegen die Verpflichtung aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das FG nicht verstoßen. Es hat ausdrücklich auf den Schriftsatz des Klägers vom 15. März 2005 Bezug genommen und sich mit den Einwänden des Klägers, insbesondere --entgegen der Behauptung des Klägers-- sich auch mit dessen Einwendungen in Bezug auf den Vorsteuerabzug auseinandergesetzt. Das FG geht davon aus, dass --nach der Korrektur der Prognose durch das FA selbst-- auch bei Berücksichtigung der Einwendungen des Klägers bereits die bisherigen Feststellungen zur "Tagungsstätte" und zu den "Einnahmen aus Beherbergung und Beköstigung" die Erwartung von Steuernachforderungen in Höhe von 16 700 DM für die Jahre 1998 bis 2000 rechtfertigten, also von durchschnittlich mehr als 5 000 DM pro Jahr. Daraus folge die Prognose nicht unerheblicher Steuernachforderungen für das Streitjahr 2001. Der Vortrag des Klägers, der sich im Übrigen mit den Ausführungen des FG zu den Komplexen "Tagungsstätte" und "Beherbergung und Beköstigung" nicht auseinander setzt, lässt vielmehr erkennen, dass er letztlich nur eine andere Würdigung des festgestellten Sachverhalts anstrebt, als vom FG vorgenommen. Es fehlt schon an einer schlüssigen Behauptung, welche konkreten für die Entscheidung des FG wesentlichen Aktenbestandteile das FG in Bezug auf die für dessen Entscheidung wesentlichen Komplexe "Tagungsstätte" und "Einnahmen aus Beherbergung und Beköstigung" nicht berücksichtigt hat. Behauptet wird somit lediglich ein materiell-rechtlicher Fehler, nicht aber ein Verfahrensfehler.

2. Auch die Rüge mangelhafter Sachverhaltsaufklärung verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.

a) Insoweit rügt der Kläger, das FG habe zur Tatsache, dass der Kläger Insolvenz anmelden müsse, wenn die Ansicht des FA Bestand habe, keine Feststellungen getroffen. Es habe deshalb zu Unrecht entschieden, die Voraussetzungen für eine vorbeugende Feststellungsklage lägen nicht vor.

b) Wird --wie hier-- ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht gerügt, so ist u.a. vorzutragen, welche Tatsachen hätten aufgeklärt oder welche Beweise hätten erhoben werden müssen, aus welchen Gründen sich die Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei weiterer Aufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und vor allem auch inwiefern sich daraus auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Gerichts eine andere Entscheidung hätte ergeben können (vgl. hierzu die Nachweise bei Gräber/Ruban, FGO, 6. Aufl. , § 120 Rz. 70).

c) Welche weiteren konkreten Ermittlungen das FG hätte anstellen müssen, hat der Kläger nicht vorgetragen; vielmehr trägt er selbst vor, allen Beteiligten wie auch dem FG sei bekannt gewesen, in welch schwieriger Lage sich der Kläger befunden habe.

Auch fehlt die Darlegung, inwiefern die vom Kläger vermisste Feststellung, "ob den Kirchenmitgliedern bekannt und bewusst war, ob sie mit ihrer Zahlung einer mildtätigen Spende bei dem Empfänger eine Steuerpflicht auslösen" --nach der für die Beurteilung eines Verfahrensfehlers maßgeblichen Rechtsauffassung des FG-- entscheidungerheblich hätte sein können für die Beurteilung der Frage, ob der Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis für eine vorbeugende Feststellungsklage hatte.

Ende der Entscheidung

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