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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.10.2000
Aktenzeichen: V R 12/00
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1
UStG § 14
UStG § 2 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH. Sie hat die Aufgabe, den Fremdenverkehr an der A zu fördern. Hauptgesellschafter der Klägerin sind die Landkreise B und C; zu den Minderheitsgesellschaftern zählen überwiegend weitere Landkreise, Städte und Verbandsgemeinden.

Zur Finanzierung ihrer Aufgaben erhebt die Klägerin Entgelte von denjenigen, für die sie unmittelbar --vom Finanzgericht (FG) nicht näher festgestellte-- Leistungen erbringt (§ 5 Abs. 1 der Satzung der Klägerin). Die Höhe dieser Entgelte war in einem besonderen Preisverzeichnis festgelegt.

Außerdem finanziert sie sich aus Beiträgen ihrer Gesellschafter. § 5 Abs. 2 der Satzung der Klägerin in der im Streitjahr (1997) geltenden Fassung bestimmte hierzu:

"Zur Erhaltung und Sicherstellung des laufenden Geschäftsbetriebes leistet der Landkreis B jährlich bis zu 160 000 DM, der Landkreis C bis zu 240 000 DM jährlich. Gebietskörperschaften aus Landkreisen, die Gesellschafter sind, leisten jährlich einen Betrag bis zum einfachen ihrer Stammeinlage. Alle übrigen Gesellschafter haben bis zum zweifachen ihrer Stammeinlage jährlich zu leisten. Eine darüber hinausgehende Nachschusspflicht der Gesellschafter besteht nicht. Sparkassen sind von der Regelung der jährlichen Zufinanzierung befreit."

In der Vergangenheit behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) "zur Vermeidung schwieriger Einzelermittlungen" 25 % der als "Zuschüsse" bezeichneten Zahlungen als umsatzsteuerpflichtiges Leistungsentgelt und gewährte den vollen Vorsteuerabzug. Diese Regelung war von der Klägerin ursprünglich akzeptiert worden.

Die Gesellschafterzuschüsse für das Streitjahr 1997 betrugen 538 000 DM.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1997 erklärte die Klägerin Umsätze zum Regelsteuersatz von 15 % in Höhe von 174 562 DM und zum ermäßigten Steuersatz von 7 % in Höhe von 26 423 DM. Vorsteuern machte sie in Höhe von 40 414,71 DM geltend.

Davon abweichend rechnete das FA bei der Veranlagung der Klägerin 25 % "des Nettoumsatzes aus den Zuschüssen" (25 % von 467 826 DM = 116 956 DM) den mit dem Regelsteuersatz besteuerten Umsätzen hinzu, so dass sich ein Betrag von 291 518 DM (174 562 DM + 116 956 DM) ergab (Umsatzsteuerbescheid vom 17. August 1998).

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG, dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1039 veröffentlicht ist, sah in den "Zuschüssen" zwar kein Entgelt für steuerpflichtige Leistungen der Klägerin; es sah aber die "bezuschusste Tätigkeit" als nichtunternehmerisch an und kürzte entsprechend den Vorsteuerabzug.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts; sie sieht ihre gesamte Tätigkeit als unternehmerisch an.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung den Umsatzsteuerbescheid für 1997 vom 17. August 1998 dahin zu ändern, dass die Umsätze zu 15 % um 116 956 DM gekürzt werden.

Das FA ist der Revision entgegengetreten. Es ist nach wie vor der Meinung, dass den streitbefangenen Zahlungen steuerpflichtige Leistungen der Klägerin gegenüber stehen; hilfsweise hält es die vom FG vorgenommene Kürzung des Vorsteuerabzugs für rechtens.

II. Die Revision ist begründet. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden.

Das FG hat zutreffend entschieden, dass den streitbefangenen Zahlungen keine steuerpflichtigen Leistungen der Klägerin entsprechen; seine Feststellungen rechtfertigen aber nicht die Annahme einer nichtunternehmerischen Tätigkeit der Klägerin.

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

a) Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG setzt einen Leistungsaustausch voraus. Der Leistende muss seine Leistung erkennbar um der Gegenleistung willen erbringen; die Leistung muss auf die Erlangung der Gegenleistung gerichtet sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. November 1997 V R 11/97, BFHE 184, 137, BStBl II 1998, 169). Zahlungen, durch die lediglich eine aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen erwünschte Tätigkeit des Zahlungsempfängers gefördert werden soll, sind kein Entgelt für eine steuerbare Leistung (BFH in BFHE 184, 137, BStBl II 1998, 169). Wird einem Unternehmer für seine Tätigkeit (Leistung) ein Geldbetrag gezahlt, ist für die Beantwortung der Frage, ob die Leistung derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, auf die Vereinbarungen des Leistenden mit dem Zahlenden abzustellen (BFH-Urteil vom 25. Januar 1996 V R 61/94, BFH/NV 1996, 715).

Diese Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG stimmt mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu Art. 2 Nr. 1, Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) überein. Nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG unterliegen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer. Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt eine derartige Dienstleistung vor, wenn sie an einen identifizierbaren Verbraucher erbracht wird oder einem anderen Beteiligten am Wirtschaftsleben einen Vorteil verschafft, der einen Kostenfaktor in dessen Tätigkeit bildet (vgl. EuGH-Urteil vom 18. Dezember 1997 Rs. C-384/95 - Landboden-Agrardienste, Slg. 1997, I-7387 Randnr. 26). Außerdem setzt der Begriff der Dienstleistung gegen Entgelt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Entgelt voraus (vgl. EuGH-Urteil vom 8. März 1988 Rs. 102/86 - Apple und Pear Development Council, Slg. 1988, 1443 Randnr. 12). Dem entspricht es, dass der EuGH einen Verband (das Hong-Kong Trade Development Council), der regelmäßig Unternehmern ausschließlich unentgeltlich Dienstleistungen erbrachte, nicht als Steuerpflichtigen ansah und damit konkludent entgeltliche Dienstleistungen des Verbandes an seine Geldgeber verneinte (EuGH-Urteil vom 1. April 1982 Rs. 89/81 - Hong-Kong Trade Development Council, Slg. 1982, 1277). Nach dem Urteil in Slg. 1988, 1443 liegen keine Dienstleistungen gegen Entgelt i.S. von Art. 2 der Richtlinie 77/388/EWG vor, wenn eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, der die Förderung der Obsterzeugung obliegt, Tätigkeiten der Werbung, Absatzförderung und der Qualitätsverbesserung der Erzeugnisse ausübt und zur Finanzierung dieser Tätigkeiten von den Erzeugern einen Pflichtbeitrag erhebt; nach Auffassung des EuGH setzt nämlich der Begriff Dienstleistung gegen Entgelt "das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Entgelt voraus, woran es fehlt, wenn die Aufgaben der Einrichtung die gemeinsamen Interessen der Erzeuger betreffen und die einzelnen Erzeuger, von denen die Beiträge unabhängig davon eingezogen werden können, ob eine bestimmte Dienstleistung ihnen einen Vorteil verschafft, nur mittelbar von den Vorteilen profitieren, die allgemein dem gesamten Wirtschaftszweig erwachsen". Diese Rechtsprechung ist auch bei Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1993 zu berücksichtigen (vgl. für staatliche Zuschüsse an Forschungseinrichtungen BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 V R 51/96, BFH/NV 1999, 833, und für Zuschüsse einer Stadt an einen Verkehrsverein BFH-Urteil vom 22. Juli 1999 V R 74/98, BFH/NV 2000, 240).

b) Das FG hat in Übereinstimmung mit diesen Rechtsgrundsätzen einen Leistungsaustausch verneint. Es hat ausgeführt, dass die Leistungen, um die es hier geht, primär "den Bewohnern der Region (Hotel- und Gaststättengewerbe, Weinbaubetriebe, sonstige vom Tourismus profitierende Gewerbebetriebe durch die Förderung entstehende und erhaltene Arbeitsplätze) zugute" kamen. Sie wirkten sich zwar auch im Interesse der Gesellschafter der Klägerin aus, wurden aber nicht an sie als identifizierbare Verbraucher erbracht. Nach den Feststellungen des FG dienten die Zahlungen der Gesellschafter ausschließlich dem Zweck, der Klägerin ihre nichtkostendeckende Tätigkeit zu ermöglichen. Die Gesellschafter hatten die Zahlungen aufgrund der Satzung und nicht für an sie erbrachte Leistungen zu erbringen. Die Landkreise B und C zahlten jährlich bis zu 160 000 DM bzw. 240 000 DM; die Höhe der Zahlungen der übrigen Gesellschafter hing von deren Stammeinlage ab; die Zahlungen richteten sich also nicht nach den Vorteilen, die die einzelnen Gesellschafter aus den Aktivitäten der Klägerin zogen. Deshalb fehlte der nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH notwendige Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt.

Das FA beruft sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf das Urteil des BFH vom 10. August 1989 V R 154/84 (BFH/NV 1990, 398). Das Urteil betraf eine Wirtschaftsförderungs-GmbH (Gesellschafter: ein Landkreis und die ihm angehörenden Gemeinden), die im Bereich des Landkreises Grundstücke aufkaufte, um sie bei Bedarf gewerblichen Interessenten zum Zwecke der Ansiedlung anzubieten; sie erhielt von der Belegenheitsgemeinde und dem Landkreis Zinszuschüsse für die Fremdfinanzierung des Grundstückserwerbs, welche der BFH als Entgelt für eine steuerbare sonstige Leistung der GmbH beurteilte. Abgesehen davon, dass der vorliegende Sachverhalt und der des Urteils in BFH/NV 1990, 398 nicht ohne weiteres miteinander verglichen werden können, erging das BFH-Urteil vor der gemeinschaftsrechtlichen Klärung der Frage durch die spätere Rechtsprechung des EuGH. Insoweit können die Grundsätze der älteren Rechtsprechung des BFH zur Abgrenzung von Leistungsentgelten und sog. echten Zuschüssen nur noch mit Vorsicht herangezogen werden.

2. Der vom FG festgestellte Sachverhalt rechtfertigt nicht die Annahme, dass die vorsteuerbelasteten Eingangsumsätze, um die es hier geht, nur zum Teil für das Unternehmen der Klägerin bezogen wurden.

a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer u.a. die in Rechnungen i.S. von § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ist der Vorsteuerabzug gegeben, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. Dies setzt voraus, dass die mit Vorsteuer belasteten Eingangsleistungen vom Steuerpflichtigen für sein Unternehmen bezogen wurden. Insoweit deckt sich die Regelung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG mit der des Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG umfasst das Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmens. Nach der Vorentscheidung hat die Klägerin eine derartige unternehmerische Tätigkeit ausgeübt, wenn auch Feststellungen dazu fehlen, worin diese bestand. Ob sie daneben noch eine nichtunternehmerische Tätigkeit ausgeübt hat, für die die Leistungsbezüge, um die es hier geht, verwendet wurden, kann der Senat dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen.

b) Das FG durfte jedenfalls aus dem Umstand, dass die Gesellschafterbeiträge nicht als Entgelt für steuerbare Leistungen der Klägerin an ihre Gesellschafter angesehen werden können, nicht ohne weiteres auf eine bezuschusste nichtunternehmerische Tätigkeit der Klägerin schließen.

Dies ergibt sich aus Art. 11 und 19 der Richtlinie 77/388 EWG.

Nach Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG ist bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen die Besteuerungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet "einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen". Art. 19 der Richtlinie 77/388/EWG betrifft die Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs. Danach können die Mitgliedstaaten in den Nenner des dort genannten Bruches auch die Subventionen einbeziehen, die nicht in Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG genannt sind, die also nicht der Umsatzsteuer unterliegen (Art. 19 Abs. 1 2. Gedankenstrich Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG). Die Einbeziehung dieser Subventionen in den Nenner des Bruches bewirkt im Ergebnis, dass sie den Vorsteuerabzug beschränken. Diese Regelung wäre sinnlos, wenn die Subventionen stets einen nichtunternehmerischen Bereich des Empfängers begründen würden, so dass der Vorsteuerabzug --jedenfalls für einige Eingangsumsätze-- bereits nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, § 15 Abs. 1 UStG zum Teil ausgeschlossen wäre. Der in Deutschland übliche Begriff der Zuschüsse (vgl. Abschn. 150 der Umsatzsteuer-Richtlinien) wird von dem gemeinschaftsrechtlichen Begriff der Subventionen (Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a und Art. 19 Abs. 1 2. Gedankenstrich Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG) umfasst.

Deutschland hat von der genannten Ermächtigung in Art. 19 der Richtlinie 77/388/EWG keinen Gebrauch gemacht. Die dort genannten Subventionen beschränken deshalb in Deutschland grundsätzlich nicht den Vorsteuerabzug.

c) Da der Senat die Aktivitäten der Klägerin im Einzelnen nicht kennt, wird das FG im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob die Klägerin außerhalb ihres Unternehmens tätig wurde. Im Übrigen ist zu bedenken, dass nicht sämtliche gemischt (unternehmerisch und nichtunternehmerisch) genutzte Eingangsleistungen nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigen; vielmehr hat der Unternehmer bei gemischtgenutzten Gegenständen grundsätzlich ein Wahlrecht, ob er sie ganz oder nur teilweise seinem Unternehmen zuordnen will (vgl. EuGH-Urteil vom 4. Oktober 1995 Rs. C-291/92 - Armbrecht, Slg. 1995, I-2775, BStBl II 1996, 392, und wegen weiterer Einzelheiten Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, 44. Ergänzungslieferung, § 15 Rz. 266 ff.). Allerdings müssen die Eingangsleistungen für Zwecke der besteuerten Umsätze des Unternehmers verwendet werden.

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