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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 23.04.1998
Aktenzeichen: V R 13/92
Rechtsgebiete: UStG 1980


Vorschriften:

UStG 1980 § 10 Abs. 1 Satz 2
UStG 1980 § 14 Abs. 2, Abs. 5
UStG 1980 § 24a Abs. 1
BUNDESFINANZHOF

1. Bemessungsgrundlage für den Kürzungsanspruch nach § 24a UStG 1980 ist das Entgelt. Es wird errechnet, indem von dem gesamten Aufwand des Leistungsempfängers der gesetzlich für die Leistung geschuldete Steuerbetrag abgezogen wird.

2. Nimmt der leistende Unternehmer eine Gutschrift widerspruchslos entgegen, in der ein höherer als der gesetzlich geschuldete Steuerbetrag gesondert ausgewiesen worden ist, schuldet er auch den Mehrbetrag.

UStG 1980 § 10 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 2, Abs. 5, § 24a Abs. 1

Urteil vom 23. April 1998 - V R 13/92 -

Vorinstanz: Niedersächsisches FG


Gründe

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) versteuerte seine im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze im Streitjahr 1985 aufgrund einer entsprechenden Option (§ 24 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes --UStG 1980--) nicht nach Durchschnittsätzen (§ 24 Abs. 1 UStG 1980), sondern nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes 1980. Über seine Lieferungen von Mastschweinen rechneten die Leistungsempfänger (Viehhändler) gegenüber dem Kläger mit Gutschriften ab (§ 14 Abs. 5 UStG 1980). Den Viehhändlern war nicht bekannt, daß der Kläger auf die Durchschnittsatzbesteuerung verzichtet hatte. Sie wiesen deshalb in den Gutschriften Umsatzsteuerbeträge in Höhe von dreizehn vom Hundert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UStG 1980) des Entgelts gesondert aus und nicht --wie es der Regelbesteuerung entsprochen hätte (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Nr. 1 Buchst. c der Anlage zum UStG 1980)-- in Höhe von sieben vom Hundert des Entgelts.

In den Gutschriften waren Umsatzsteuerbeträge von insgesamt 30 999,63 DM gesondert ausgewiesen worden. Der Kläger unterließ es, dem gesonderten Steuerausweis insoweit zu widersprechen, als er die Steuerbeträge nicht aufgrund seiner steuerpflichtigen Umsätze schuldete.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte bei der Festsetzung der Umsatzsteuer für 1985 einen Kürzungsbetrag nach § 24a Abs. 1 UStG 1980 von fünf vom Hundert von --gerundet-- 238 458,80 DM (Bruttogutschriftbeträge von 269 458,45 DM abzüglich gesondert mit 30 999,63 DM ausgewiesener Steuerbeträge) und nicht --wie der Kläger verlangt-- mit fünf vom Hundert auf eine Bemessungsgrundlage von 251 830,30 DM (nach Herausrechnen der Umsatzsteuerbeträge von sieben vom Hundert --17 628,15 DM-- aus den Bruttoeinnahmen von 269 458,45 DM).

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt und änderte die Umsatzsteuerfestsetzung für 1985, indem es den Kürzungsbetrag nach § 24a UStG 1980 um 668,55 DM erhöhte. Zur Begründung legte es u.a. dar, die Bemessungsgrundlage der von dem Kläger ausgeführten Lieferungen und der in § 24a Abs. 1 UStG 1980 bezeichneten Kürzungsansprüche sei das Entgelt i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG 1980, das sich durch Herausrechnen des gesetzmäßigen Steuerbetrages aus dem Aufwand des Leistungsempfängers ergebe.

Mit der Revision wendet das FA dagegen ein, die in § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 enthaltene Formulierung "abzüglich der Umsatzsteuer" sei der Steuerbetrag, der beim Leistungsempfänger als Vorsteuer abziehbar sei.

Das FA begehrt Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung.

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

Der Senat hat eine Vorabentscheidung bei dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) eingeholt und den Beteiligten Gelegenheit gegeben, zu den Auswirkungen der Entscheidung für dieses Verfahren Stellung zu nehmen.

II.

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Vorentscheidung hält den Angriffen der Revision stand.

1. Die Einwendungen des FA gegen die Berechnung des Kürzungsbetrags durch das FG sind unberechtigt. Das FG hat den Kürzungsbetrag nach § 24a UStG 1980 zutreffend ermittelt.

Nach § 24a Abs. 1 Satz 1 UStG 1980 ist der Unternehmer, der § 19 Abs. 1 UStG 1980 nicht anwendet, berechtigt, die geschuldete Steuer für die Lieferungen von Gegenständen, für die nach § 24 Abs. 1 UStG 1980 in der für das Streitjahr 1985 geltenden Fassung ein Durchschnittsatz von dreizehn vom Hundert gilt, zu kürzen. Der Kürzungssatz beträgt im Streitjahr 1985 fünf vom Hundert der Bemessungsgrundlage (§ 24a Abs. 1 Satz 2 UStG 1980).

Danach ist der Kläger zur Kürzung seiner Steuer berechtigt, weil er Mastschweine geliefert hat, für die im Streitjahr 1985 nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UStG 1980 ein Durchschnittsatz von dreizehn vom Hundert gilt. Es ist für die Anwendung des Kürzungssatzes nicht notwendig, daß der Unternehmer seine Umsätze nach Durchschnittsätzen (§ 24 Abs. 1 UStG 1980) versteuert (allgemeine Ansicht; vgl. Abschn. 271b Abs. 1 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR-- 1988).

Bemessungsgrundlage für den Kürzungsanspruch nach § 24a Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 ist das Entgelt (§ 10 Abs. 1 UStG 1980), weil § 24a Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 ausdrücklich auf § 10 UStG 1980 verweist. Entgelt ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Die aus dem, was der Leistungsempfänger aufgewendet hat, abzuziehende Umsatzsteuer ist der für die erhaltene Leistung gesetzlich geschuldete Steuerbetrag. Dieser wird durch die Abrechnung über die Leistung nicht beeinflußt. Der gesetzlich für die Leistung geschuldete Steuerbetrag ist weder davon abhängig, daß eine Rechnung erteilt, noch daß darin in richtiger Höhe über die Leistung abgerechnet wird. Der aus dem gesamten Aufwand des Leistungsempfängers für die Leistung abzuziehende Umsatzsteuerbetrag entzieht sich einer Vereinbarung der an der Leistung Beteiligten. Es kommt somit nicht darauf an, ob der Kläger mit seinen Abnehmern einen Netto- oder Bruttokaufpreis vereinbart hat. Maßgebend ist für die Höhe des Entgelts für die Lieferungen von Mastschweinen, was die Abnehmer wirklich aufgewendet haben und welcher Steuerbetrag für diese Lieferung gesetzlich geschuldet wird.

Das FG hat den Kürzungsbetrag (§ 24a Abs. 1 Satz 2 UStG 1980) somit zutreffend dadurch ermittelt, daß es den Steuerbetrag in Höhe eines für Viehlieferungen geltenden Steuersatzes von sieben vom Hundert (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 i.V.m. Nr. 1 Buchst. c der Anlage zum UStG 1980) aus den Gesamtaufwendungen der Abnehmer für die bezeichneten Lieferungen herausgerechnet hat.

2. Die Revision des FA hat auch nicht deshalb Erfolg, weil der Kläger die in den Gutschriften über Viehlieferungen ausgewiesenen zu hohen Steuerbeträge gemäß § 14 Abs. 2 UStG 1980 schuldet. Zwar hat das FG diesen Gesichtspunkt nicht erörtert. Jedoch sind im angefochtenen Steuerbescheid diese Beträge bereits berücksichtigt.

a) Der Senat hat dem EuGH u.a. die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob Art. 22 Abs. 3 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) es zulasse, eine Gutschrift i.S. von § 14 Abs. 5 UStG 1980 als Rechnung zu betrachten; weiter ob Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG es zulasse, denjenigen, der eine Gutschrift mit einem höheren als dem aufgrund von steuerpflichtigen Umsätzen geschuldeten Steuerbetrag widerspruchslos annehme, als eine Person zu behandeln, die diese Mehrwertsteuer deshalb schulde.

Der EuGH hat in dem Urteil vom 17. September 1997 Rs. C-141/96 (Slg. 1997, I-5073, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1997, 471, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1997, 390) für Recht erkannt: Art. 22 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG ermächtigt die Mitgliedstaaten, eine vom Empfänger der Gegenstände oder Dienstleistungen ausgestellte Gutschrift als "Rechnung oder ähnliches Dokument" zu betrachten, wenn sie die nach dieser Richtlinie für die Rechnungen vorgeschriebenen Angaben enthält, mit Einverständnis des Steuerpflichtigen, der die Gegenstände liefert oder die Dienstleistungen erbringt, ausgestellt wird und dieser dem in ihr ausgewiesenen Mehrwertsteuerbetrag widersprechen kann. Der EuGH hat weiter entschieden: Der Steuerpflichtige, der dem in einer als Rechnung zu betrachtenden Gutschrift ausgewiesenen Mehrwertsteuerbetrag, der höher ist als der aufgrund von steuerpflichtigen Umsätzen geschuldete Betrag, nicht widersprochen hat, kann als die Person angesehen werden, die diesen Betrag ausgewiesen hat und ihn deshalb i.S. von Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG schuldet.

b) Danach schuldete der Kläger die über die jeweils gesetzlich geschuldeten Steuerbeträge für Viehlieferungen (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 i.V.m. Nr. 1 Buchst. c der Anlage zum UStG 1980) hinaus ausgewiesenen Steuerbeträge nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1980; denn er hat Gutschriften (§ 14 Abs. 5 UStG 1980), in denen diese Beträge ausgewiesen worden waren, widerspruchslos entgegengenommen. Die nach dem Urteil des EuGH gemeinschaftsrechtlich zulässige Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1980 auf Gutschriften entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung (Abschn. 189 Abs. 3 UStR 1988/1992) und der überwiegenden Ansicht im Schrifttum (Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, 10. Aufl., § 14 Anm. 164, 167, 427 f.; Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz, 8. Aufl., § 14 Anm. 217; Bunjes/Geist, Umstzsteuergesetz, 5. Aufl., § 14 Anm. 30; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, IV Rz. 416; Stadie, Das Recht des Vorsteuerabzugs, Köln, 1989, S. 118; Schwakenberg, UR 1990, 155, 156).

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