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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 12.10.2004
Aktenzeichen: V R 15/02
Rechtsgebiete: UStG 1991, FGO, PostVerfG


Vorschriften:

UStG 1991 § 2
UStG 1991 § 2 Abs. 3
UStG 1991 § 2 Abs. 3 Satz 1
UStG 1991 § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1
UStG 1991 § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a
UStG 1991 § 9
UStG 1991 § 9 Abs. 1
UStG 1991 § 14
UStG 1991 § 15 Abs. 1 Nr. 1
UStG 1991 § 15a
FGO § 68
FGO § 40 Abs. 2
PostVerfG § 65 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), stellte im Jahre 1992 zwei Gebäude fertig und vermietete diese ab dem 1. Oktober 1992 an die Deutsche Bundespost TELEKOM. Die Klägerin verzichtete gemäß § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1991) auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1991 und machte in ihren Umsatzsteuererklärungen die in der Bauphase in den Streitjahren 1991 und 1992 angefallenen Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM (1991: ... DM; 1992: ... DM) geltend. Die Deutsche Bundespost TELEKOM nutzt diese Räume seit 1993 als Entwicklungszentrum. Das Leistungsspektrum dieses Entwicklungszentrums umfasst die Entwicklung, Praxiseinführung und Instandhaltung von Softwaresystemen.

Im Anschluss an eine bei der GbR durchgeführte Außenprüfung wurden die Vorsteuerbeträge nicht zum Abzug zugelassen, weil die Deutsche Bundespost TELEKOM auch in diesen Bereichen erst ab 1993 als Unternehmerin anzusehen sei mit der Folge, dass die Klägerin als Vermieterin nicht zur Option gemäß § 9 UStG 1991 berechtigt gewesen sei. Ab 1993 wurden die Umsätze aufgrund der nunmehr zulässigen Option als steuerpflichtig behandelt. Gemäß § 15a UStG 1991 wurde der Vorsteuerabzug für 1993 in Höhe von 10 % von 3 826 030,28 DM zugunsten der GbR berücksichtigt.

Gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1991 und 1992 erhob die Klägerin Klage. Während des Klageverfahrens hat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den Vorsteuerabzug zu einem geringfügigen Anteil gewährt, soweit die vermietete Fläche unstreitig der Überlassung und Instandhaltung von Endstelleneinrichtungen dienten (Umsatzsteueränderungsbescheide vom 24. Oktober 2001). Die Änderungsbescheide wurden gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 718 veröffentlicht ist, führte zunächst aus, dass die Klage zulässig sei. Im Streitfall seien zwar die drei Gesellschafter der GbR als Kläger aufgetreten, die Klageschrift sei jedoch dahin auszulegen, dass nicht die Gesellschafter, sondern die GbR Klägerin sei (demgegenüber werden jedoch im Rubrum der Vorentscheidung X und zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung "als Gesellschafter der Projektgemeinschaft Y-Straße GbR" und als "Kläger" bezeichnet). Zur Sache meinte das FG, das Betreiben eines Entwicklungszentrums für Softwaresysteme durch die Deutsche Bundespost TELEKOM sei schon im Jahre 1992 unternehmerisch i.S. des § 2 Abs. 3 UStG 1991 (in der im Jahre 1992 geltenden Fassung) gewesen. Die unternehmerische Tätigkeit habe sich nicht auf die in § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG 1991 in der in den Streitjahren geltenden Fassung genannte Tätigkeit (d.h.: die Überlassung und Unterhaltung von Fernsprech-Nebenstellenanlagen durch die Deutsche Bundespost TELEKOM) beschränkt.

Hiergegen wendet sich das FA mit der vorliegenden Revision.

Zunächst rügt das FA einen Verfahrensfehler. Es behauptet, die Gesellschafter der GbR hätten die Klage als Einzelpersonen erhoben; die Klageschrift könne nicht dahin umgedeutet werden, dass nicht diese Einzelpersonen, sondern die GbR die Klage erhoben habe. Die Klage sei deshalb mangels Klagebefugnis der Gesellschafter nach § 40 Abs. 2 FGO unzulässig.

Sodann rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es meint, die Deutsche Bundespost TELEKOM sei vor 1993 gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG 1991 a.F. nur im Rahmen der Überlassung und Instandhaltung von Endstelleneinrichtungen unternehmerisch tätig gewesen. Im Übrigen sei sie hoheitlich tätig gewesen. Ferner meint das FA, die gemieteten Gebäude seien im Streitjahr 1992 nur zum Teil bezugsfertig gewesen, das 1. bis 5. Obergeschoss des Gebäudes Y-Straße sei erst im Jahre 1993 fertig gestellt und bezogen worden.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie weist darauf hin, dass sie bereits in der Klageschrift die GbR als Klägerin und nicht ihre Gesellschafter als Kläger bezeichnet habe. Im Übrigen hält sie die Entscheidung des FG für zutreffend.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Der vom FA gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor.

Das FG hat die Klageschrift im Ergebnis zutreffend dahin ausgelegt, dass die GbR und nicht ihre Gesellschafter als Einzelpersonen die Klage erhoben haben. Die Klageschrift vom 6. Oktober 1998 ist zwar insofern nicht ganz eindeutig, als einleitend einerseits von dem "Rechtsstreit der Gesellschafter der ... GbR" und andererseits von der "Klägerin" die Rede ist. Bei einer verständigen Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls kann aber kein Zweifel sein, dass die GbR die Klägerin sein sollte. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide waren an die GbR und nicht an die einzelnen Gesellschafter gerichtet. Deshalb war auch nur die GbR zur Erhebung der Klage befugt. Dementsprechend sollte die Klage auch im Namen der GbR erhoben werden. Die Angabe der Gesellschafter der Klägerin war erforderlich, da eine GbR keine Handelsfirma hat (vgl. § 17 des Handelsgesetzbuches --HGB--) und deshalb regelmäßig nur mit ihren Gesellschaftern bezeichnet werden kann. Entgegen der Auffassung des FA liegt in der Auslegung der Klageschrift, dass die GbR die Klägerin sein sollte, keine unzulässige Umdeutung, sondern eine dem erkennbaren Willen der Klägerin entsprechende Auslegung der Klageschrift.

2. Die Revision hat auch in der Sache keinen Erfolg.

a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1991 kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG 1991 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist u.a. die Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1991). Dabei richtet sich der Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug grundsätzlich nach der objektiv belegten Verwendungsabsicht bei Bezug der Leistung (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Februar 2004 V R 90/01, BFHE 205, 323, BStBl II 2004, 795); in der Regel ist allerdings davon auszugehen, dass die (spätere) tatsächliche Verwendung der bei Bezug der Leistungen beabsichtigten Verwendung entspricht.

b) Die Klägerin hat nach § 9 UStG 1991 auf die Steuerfreiheit der ab 1992 getätigten Vermietungsumsätze nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1991 verzichtet. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass sie auch vor der Vermietung der Gebäude ernstlich beabsichtigt hat, auf die Steuerfreiheit zu verzichten. Gegenteilige Gesichtspunkte sind nicht festgestellt.

c) Die Klägerin konnte auch nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1991 wirksam auf die Steuerfreiheit ihrer Vermietungsumsätze verzichten, da sie die Gebäude (ab Vermietungsbeginn --1. Oktober 1992--) an einen Unternehmer i.S. des § 2 UStG 1991 vermietet hat.

Die Deutsche Bundespost TELEKOM war zwar in den Streitjahren 1991 und 1992 eine juristische Person des öffentlichen Rechts i.S. des § 2 Abs. 3 UStG 1991; sie war aber seit dem 1. Juli 1991 unternehmerisch tätig (BFH-Urteil in BFHE 205, 323, BStBl II 2004, 795).

Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 sind die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts unternehmerisch (wirtschaftlich) tätig, wenn sie auf privatrechtlicher Grundlage und nicht im Rahmen der eigens für sie geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen handelt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 205, 323, BStBl II 2004, 795).

Nach diesen Grundsätzen war die Deutsche Bundespost TELEKOM (nur) bis zum 1. Juli 1991 nicht unternehmerisch, sondern hoheitlich tätig. Dies ergibt sich aus den gesetzlichen Regelungen zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens.

Zwar gilt nach § 9 Abs. 1 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen i.d.F. des Art. 3 Nr. 7 des Poststrukturgesetzes (PostStruktG) vom 8. Juni 1989 (BGBl I 1989, 1026), dass die im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Einrichtungen der Deutschen Bundespost TELEKOM entstehenden Rechtsbeziehungen privatrechtlicher Natur sind. Dies gilt jedoch erst seit Aufhebung der "Telekommunikationsordnung" (TKO) vom 5. November 1986 (BGBl I 1986, 1749); denn bis zu diesem Zeitpunkt blieben nicht nur die bestehenden, sondern auch die entstehenden Rechtsbeziehungen bei Inanspruchnahme der Leistungen der Deutschen Bundespost TELEKOM nach Maßgabe der besonders hierfür erlassenen Regelungen, hier der TKO, bestehen. Erst mit Aufhebung der TKO zum 1. Juli 1991 wurden die aufgrund der Inanspruchnahme der Leistungen der Deutschen Bundespost TELEKOM bereits bestehenden öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen als privatrechtliche weitergeführt und erst ab diesem Zeitpunkt waren die entstehenden Rechtsbeziehungen nach § 9 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen i.d.F. des Art. 3 Nr. 7 PostStruktG privatrechtlicher Natur (vgl. § 65 des Postverfassungsgesetzes --PostVerfG-- i.d.F. des Art. 1 PostStruktG, und BFH in BFHE 205, 323, BStBl II 2004, 795).

Bis zum 1. Juli 1991 erbrachte die Deutsche Bundespost TELEKOM hiernach die Leistungen im Rahmen der eigens für sie geltenden Regelungen; sie war damit nicht im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art tätig.

Ab dem 1. Juli 1991 waren nach § 65 Abs. 3 Satz 2 PostVerfG sowohl die bestehenden als auch --nach § 9 Abs. 1 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen-- die entstehenden Rechtsbeziehungen bei Inanspruchnahme entgeltlicher Leistungen der Deutschen Bundespost TELEKOM privatrechtlicher Natur; die Deutsche Bundespost TELEKOM übte danach die streitigen Tätigkeiten nicht mehr im Rahmen von öffentlich-rechtlichen Sonderregelungen aus. Ab diesem Zeitpunkt war sie deshalb Unternehmerin i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG 1991. Hinsichtlich der Vermietung des Gebäudes an die Deutsche Bundespost TELEKOM ab 1. Juli 1991 konnte die Klägerin wirksam auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1991 verzichten und den Vorsteuerabzug für die damit zusammenhängenden Leistungen beanspruchen (BFH in BFHE 205, 323, BStBl II 2004, 795).

d) Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG 1991 in der in den Streitjahren geltenden Fassung galt zwar die Überlassung und Unterhaltung von Fernsprech-Nebenstellenanlagen durch die Deutsche Bundespost TELEKOM auch dann als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 nicht erfüllt waren. Diese Sonderregelung greift aber nur ein, "wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 ... nicht gegeben sind". Sie schließt deshalb nicht aus, dass eine Person des öffentlichen Rechts bereits nach der allgemeinen Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 unternehmerisch tätig ist (BFH in BFHE 205, 323, BStBl II 2004, 795). Aus der Sonderregelung in § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG 1991 a.F. kann deshalb nicht abgeleitet werden, dass die Deutsche Bundespost TELEKOM in den Streitjahren nur insoweit unternehmerisch tätig war, als sie Fernsprech-Nebenstellenanlagen an ihre Kunden überließ und unterhielt.

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