Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 24.08.2006
Aktenzeichen: V R 16/05
Rechtsgebiete: UStG 1999, UStDV 1999, Richtlinie 77/388/EWG, AO 1977, FGO, ZPO, BGB


Vorschriften:

UStG 1999 § 3 Abs. 1
UStG 1999 § 3 Abs. 1b Nr. 2
UStG 1999 § 3 Abs. 1b Nr. 3
UStG 1999 § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
UStG 1999 § 14 Abs. 1 Satz 5
UStG 1999 § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1
UStG 1999 § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2
UStDV 1999 § 31 Abs. 1
UStDV 1999 § 33 Satz 1 Nr. 4
Richtlinie 77/388/EWG Art. 5 Abs. 1
Richtlinie 77/388/EWG Art. 5 Abs. 6 Satz 2
Richtlinie 77/388/EWG Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 2
Richtlinie 77/388/EWG Art. 17 Abs. 1
Richtlinie 77/388/EWG Art. 17 Abs. 2
AO 1977 § 42
FGO § 94
FGO § 96 Abs. 1 Satz 3
FGO § 103
FGO § 104 Abs. 1 Satz 1
FGO § 105 Abs. 2 Nr. 5
FGO § 155
ZPO § 136 Abs. 4
ZPO § 160 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 164 Abs. 1 Satz 2
BGB § 164 Abs. 2
BGB § 172 Abs. 1
1. Schließt ein Unternehmer mit einem anderen Unternehmer einen Kaufvertrag über den Bezug von Werbegeschenken, ist der Unternehmer auch dann Abnehmer (Leistungsempfänger), wenn der andere die Werbegeschenke vereinbarungsgemäß nicht unmittelbar an den Unternehmer, sondern an den Inhaber eines "Warenzertifikats" (Warengutscheins) als Beauftragten des Unternehmers übergibt und hierauf auf dem Gutschein ausdrücklich hingewiesen wurde. Eine derartige Gestaltung ist nicht rechtsmissbräuchlich.

2. Der Vorsteuerabzug aus Rechnungen über Lieferungen, auf die eine Anzahlung geleistet wurde, setzt voraus, dass die Gegenstände der Lieferung zum Zeitpunkt der Anzahlung genau bestimmt sind.


Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Jahr 1999 (Streitjahr) der Vorsteuerabzug aus Lieferungen von Waren (Parfümartikeln) durch die Firma E zusteht.

Die Klägerin betreibt einen Sportartikelhandel. Sie forderte im Streitjahr 1999 bei E 90 "Geschenkgutscheine" an. Grundlage der Anforderung war folgende Rahmenvereinbarung (RV) zwischen E und der Klägerin als Rechnungsnehmerin (RN):

"§ 1

Vertragsgegenstand

Der RN beabsichtigt, bei E Waren zu erwerben, um diese an Dritte weiterzugeben. Kauf und Übereignung dieser Waren sollen nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Vereinbarung erfolgen.

§ 2

Kaufverträge

Zwischen E und dem RN kommt immer dann ein Kaufvertrag zustande, wenn der RN bei E einen Gutschein über einen bestimmten Geldbetrag in Deutsche Mark anfordert und E dem RN einen solchen Gutschein aushändigt. Inhalt eines solchen Kaufvertrages ist die Verpflichtung von E, an den RN Ware aus dem bei E vorhandenen Warensortiment im Wert bis zu dem auf dem Gutschein angegebenen Betrag zu übergeben und das Eigentum hieran zu verschaffen, sowie die Verpflichtung des RN, E den Kaufpreis hierfür zu zahlen und die ausgesuchten Waren abzunehmen. Der Wert der Waren und der Kaufpreis entsprechen den jeweils von E festgesetzten allgemeinen Verkaufspreisen für die ausgesuchten Waren. Der RN ist zur Auswahl der Waren aus dem bei E vorhandenen Warensortiment berechtigt. Für Ausübung und Umfang dieses Wahlrechts gelten §§ 263 bis 265 BGB ergänzend. Bei der Erklärung gem. § 263 Abs. 1 BGB kann der RN sich vertreten lassen. Gegenüber E gilt jeder Inhaber eines Gutscheins bei dessen Vorlage als ermächtigt, den RN bei der Ausübung des Wahlrechts zu vertreten. ...

§ 3

Übereignung

Nach Ausübung des Wahlrechts durch den RN oder seinen Vertreter ist E unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB berechtigt und verpflichtet, sich im eigenen Namen und im Namen des RN darüber zu einigen, dass das Eigentum an den ausgesuchten Waren von E auf den RN übergehen soll. E wird die ausgesuchten Waren für den RN ab dem Zeitpunkt der Einigung verwahren.

Nach erfolgter Übereignung von E auf den RN ist E ermächtigt, sich im Namen des RN mit dem Inhaber des Gutscheins gegen Aushändigung des Gutscheins zu einigen, dass das Eigentum an den ausgesuchten Waren auf den Inhaber des Gutscheins oder einen von ihm benannten Dritten übergehen soll und dem Inhaber des Gutscheins die ausgesuchten Waren zu übergeben.

§ 4

Rechnungsstellung; Zahlung des Kaufpreises

E wird gegenüber dem RN auf Anforderung die ausgesuchten Waren abrechnen und diese dem RN unter gesondertem Ausweis der anfallenden Umsatzsteuer anzeigen.

Der RN wird die jeweils in Rechnung gestellten Kaufpreise einschließlich Umsatzsteuer innerhalb von 14 Tagen (Zahlungseingang) ... bezahlen.

§ 5

Verschiedenes

...

Der RN erklärt durch Zahlung des Kaufpreises sein Einverständnis."

Die ausgegebenen "Geschenkgutscheine" enthielten folgenden Hinweis: "Dieses Warenzertifikat berechtigt Sie, sich bei E aus dem vorhandenen Sortiment Waren bis zum angegebenen Gesamtwert für Rechnung des Rechnungsnehmers auszusuchen. E handelt im Namen des Rechnungsnehmers." Als Gesamtwert war ein Geldbetrag angegeben. Auf der linken Seite des Gutscheins war der Name der Klägerin aufgedruckt. Auf der Rückseite befand sich die Aufschrift: "Dieses Warenzertifikat kann in allen E-Parfümerien ... ausschließlich gegen Ware eingelöst werden. Bei Verlust dieses Warenzertifikats ist kein Ersatz möglich."

Die Klägerin gab die Gutscheine an Kunden und Mitarbeiter aus. Löste ein Gutscheinempfänger den Gutschein bei E ein, erhielt er einen "Kassenzettel". Auf den "Kassenzetteln" wurde weder Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen noch der Steuersatz angegeben.

Am 21. September 1999 erteilte E der Klägerin eine Rechnung über die "Lieferung unserer Geschenkgutscheine" und wies Umsatzsteuer in Höhe von 620,65 DM gesondert aus. Am 17. Februar 2003 erteilte E der Klägerin eine Schlussrechnung über die im Jahr 1999 aufgrund der Gutscheine gelieferten Parfümartikel.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1999 ließ die Klägerin die in der Rechnung vom 21. September 1999 ausgewiesene Umsatzsteuer zunächst unberücksichtigt, legte aber gegen ihre Steueranmeldung Einspruch ein und machte geltend, ihr stehe ein weiterer Vorsteuerabzug in Höhe von 620,65 DM zu, weil sie von E Geschenkgutscheine bezogen habe. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) wies den Einspruch als unbegründet zurück, weil die Veräußerung der Gutscheine an die Klägerin keine steuerbare Lieferung oder sonstige Leistung sei.

Mit ihrer Klage machte die Klägerin zunächst geltend, der zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungsaustausch liege in der Lieferung der Gutscheine. Später trug sie vor, ihr, der Klägerin, stehe ein Recht auf Vorsteuerabzug aus der Lieferung von Parfümartikeln zu, auf die sie Anzahlungen geleistet habe. Sie, die Klägerin, sei Leistungsempfängerin der von E bezogenen Waren, weil die Gutscheininhaber bei der Auswahl der Waren und der Lieferung sie, die Klägerin, vertreten hätten. E habe somit die Parfümartikel an sie, die Klägerin, für ihr Unternehmen geliefert. Sie, die Klägerin, habe sodann (vertreten durch E) die Waren an die Gutscheininhaber weitergeliefert. Die Rechnung vom 21. September 1999 berechtige nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1999) zum Vorsteuerabzug.

Im Laufe des Klageverfahrens änderte das FA aus anderen Gründen mehrfach den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid; die Änderungsbescheide wurden jeweils gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es vertrat in seinem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2003, 1352 veröffentlichten Urteil die Auffassung, die Klägerin sei nicht Leistungsempfängerin der Parfümartikel; ihr stehe daher kein Recht auf Vorsteuerabzug zu. Die Parfümartikel seien an die Inhaber der Gutscheine und nicht an die Klägerin geliefert worden. E habe die Gutscheine lediglich als Zahlungsmittel angenommen. Ob die im Jahr 2003 erteilte Schlussrechnung zum Vorsteuerabzug im Streitjahr berechtige, könne deshalb dahinstehen. Das FG verkündete sein Urteil am 13. März 2003. In den Entscheidungsgründen des am 16. Mai 2003 dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellten Urteils zog es u.a. das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 6. Februar 2003 C-185/01, Auto Lease Holland BV (Slg. 2003, I-1317, BStBl II 2004, 573) zur Begründung heran.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 15 Abs. 1 UStG 1999. Sie trägt vor, ihr, der Klägerin, stehe als Leistungsempfängerin aufgrund der Rechnung vom 21. September 1999 aus Lieferungen von Parfümartikeln im Streitjahr ein Recht auf Vorsteuerabzug zu. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass E diese an die Inhaber der Gutscheine geliefert habe.

Daneben rügt die Klägerin Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und nicht vorschriftsmäßige Besetzung des FG als Verfahrensfehler. Das EuGH-Urteil Auto Lease Holland BV (in Slg. 2003, I-1317, BStBl II 2004, 573) sei mit ihr, der Klägerin, nicht erörtert worden; sie habe deshalb dazu nicht Stellung nehmen können. Es sei davon auszugehen, dass das EuGH-Urteil, das am 6. Februar 2003 ergangen sei, dem FG am 13. März 2003 noch nicht bekannt gewesen und dieser Begründungsteil deshalb nicht mit den ehrenamtlichen Richtern beraten worden sei. Auf diesen Verfahrensfehlern beruhe das Urteil.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid des FA für das Jahr 1999 vom 10. März 2000 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 4. Juli 2001 dahin gehend zu ändern, dass weitere Vorsteuerbeträge in Höhe von 496,51 DM anerkannt werden, und die Umsatzsteuer entsprechend festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es verteidigt die angefochtene Vorentscheidung und macht ergänzend geltend, die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs durch die Klägerin sei rechtsmissbräuchlich.

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zwar zu Unrecht angenommen, dass E die Parfümartikel nicht an die Klägerin geliefert habe. Die Vorentscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO). E hat der Klägerin über diese Lieferungen keine Rechnung erteilt, die die Klägerin zur Ausübung ihres Rechts auf Vorsteuerabzug im Streitjahr berechtigt.

1. Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

a) Ohne Erfolg rügt die Klägerin, das FG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

Eine schlüssige Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs, die --wie hier-- auf einzelne rechtliche Gesichtspunkte eines FG-Urteils bezogen ist, erfordert die Darlegung, dass bei Berücksichtigung des Vortrags eine andere Entscheidung des FG möglich gewesen wäre (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juli 2001 VIII B 79/00, BFH/NV 2001, 1553; vom 12. Mai 2003 V B 252/02, BFH/NV 2003, 1285). Hieran fehlt es im Streitfall. Die Klägerin behauptet, das EuGH-Urteil Auto Lease Holland BV (in Slg. 2003, I-1317, BStBl II 2004, 573) sei dem FG erst nach Klageabweisung bekannt geworden. Träfe diese Behauptung zu, könnte das Urteil aber für die Klageabweisung nicht entscheidungserheblich gewesen sein.

b) Auch die Besetzungsrüge greift nicht durch.

Nach § 103 FGO ist das Urteil von den Richtern zu fällen, die an der dem Urteil zugrunde liegenden mündlichen Verhandlung teilgenommen haben. "Fällung" des Urteils ist die Beschlussfassung über die Urteilsformel nach einer Kollegialberatung (BFH-Urteil vom 23. Oktober 2003 V R 24/00, BFHE 203, 523, BStBl II 2004, 89, m.w.N.). Unschädlich ist, dass die ehrenamtlichen Richter an der konkreten Abfassung der Gründe nicht mitwirken (vgl. BFH-Urteile vom 13. Dezember 2000 X R 67/99, BFH/NV 2001, 635, unter 2.; vom 23. Februar 1994 IV R 12/93, BFH/NV 1995, 56, unter 2. a).

Im Streitfall hat das FG in der zutreffenden Besetzung beraten und entschieden, dass die Klage abgewiesen wird. In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung der Streitsache vom 13. März 2003 ist beurkundet worden, dass die ehrenamtlichen Richter mitgewirkt haben (§ 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung --ZPO--) und dass der Vorsitzende nach geheimer Beratung in öffentlicher Sitzung das Urteil verkündet hat (§ 104 Abs. 1 Satz 1, § 155 FGO i.V.m. § 136 Abs. 4 ZPO).

c) Soweit die Besetzungsrüge als Rüge eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 3, § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO verstanden werden könnte, hat auch diese Rüge keinen Erfolg. Nach § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO sind im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das Urteil muss dazu u.a. Entscheidungsgründe enthalten (§ 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO), um den Beteiligten Kenntnis davon zu vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Erwägungen eine Entscheidung beruht (BFH-Urteile vom 23. April 1996 VIII R 70/93, BFH/NV 1997, 31; vom 26. Juni 1975 IV R 122/71, BFHE 116, 540, BStBl II 1975, 885). Dem genügt die angefochtene Vorentscheidung.

Die Klägerin hat in der Revisionsbegründung vorgetragen, "die Beteiligten" seien "ebenso wie der erkennende Senat des Finanzgerichts in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des BFH ausgegangen", wonach "für die umsatzsteuerliche Beurteilung der Leistungsbeziehung grundsätzlich an die schuldrechtliche Vertragsbeziehung anzuknüpfen" sei. Entsprechend hat das FG auf Seiten 7 und 8 der angefochtenen Vorentscheidung an die zivilrechtlichen Vertragsbeziehungen angeknüpft und --als tragende Begründung für die Klageabweisung-- ausgeführt, warum es diese anders rechtlich beurteilt als die Klägerin. Nur das verlangen § 96 Abs. 1 Satz 3 und § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO. Der ergänzende Hinweis des FG auf das EuGH-Urteil Auto Lease Holland BV (in Slg. 2003, I-1317, BStBl II 2004, 573) ist --entgegen dem Revisionsvorbringen der Klägerin-- kein "neuer rechtlicher Gesichtspunkt", sondern nur ein zusätzliches, stärkendes Argument, das das FG seiner zivilrechtlichen Beurteilung beigefügt hat.

2. Das FG ist allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Klägerin deswegen kein Recht auf Vorsteuerabzug zusteht, weil E die Parfümartikel nicht an die Klägerin geliefert habe.

a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1999 kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG 1999 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG 1999, Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Der Vorsteuerabzug steht dem Unternehmer zu, der als Leistungsempfänger eine auf ihn ausgestellte Rechnung besitzt (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1995 V R 113/92, BFHE 178, 493, BStBl II 1996, 111).

b) Leistungsempfänger ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH grundsätzlich derjenige, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (vgl. BFH-Urteile vom 16. Mai 1995 XI R 50/93, BFH/NV 1996, 185; vom 23. November 2000 V R 49/00, BFHE 193, 170, BStBl II 2001, 266). Ob ein Leistungsbezug dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber Dritten im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines Anderen beim Bezug einer Leistung aufgetreten ist (vgl. BFH-Urteile vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628; vom 30. September 1999 V R 8/99, BFH/NV 2000, 353; vom 28. Juni 2000 V R 70/99, BFH/NV 2001, 210, zum Leistenden). Wird jedoch unter Missachtung des Anspruchs des Vertragspartners eine Leistung tatsächlich gegenüber einem Dritten erbracht, so ist Leistungsempfänger der Dritte (BFH-Urteil vom 1. Juni 1989 V R 72/84, BFHE 157, 255, BStBl II 1989, 677).

aa) Nach diesen Grundsätzen ist das FG zu Unrecht davon ausgegangen, die Klägerin sei nicht Leistungsempfängerin, weil sie nicht aus Kaufverträgen über Parfümartikel als Käuferin berechtigt und verpflichtet gewesen sei.

Das FG nahm an, lediglich die Gutscheininhaber hätten Kaufverträge in eigenem Namen mit E abgeschlossen. Nach § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 4 RV sind aber bereits mit der Anforderung der Gutscheine durch die Klägerin Kaufverträge zwischen E und der Klägerin zustande gekommen. Diese Kaufverträge hatte die Klägerin in eigenem Namen und für eigene Rechnung abgeschlossen, bevor ein Gutscheininhaber ein Ladengeschäft der E betrat. Die Klägerin konnte nach § 2 Abs. 1 Satz 2 RV die Lieferung an sich beanspruchen und war zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet.

Die Klägerin hat demnach nicht Käufe der Gutscheininhaber finanziert oder --unter Abkürzung des Zahlungswegs-- (Voraus-)Zahlungen auf einen von den Gutscheininhabern geschuldeten Kaufpreis für Waren aus dem Sortiment der E geleistet, sondern selbst Waren gekauft, um diese (als Werbegeschenke) an Dritte weiterzugeben (§ 1 RV). Die Gutscheine ermächtigten zur Auswahl von Waren für die Klägerin (§ 2 Abs. 1 Satz 7 RV); sie können folglich nicht als allgemeines Zahlungsmittel (und damit als "Bargeld") oder als sog. Preisnachlass- oder Preiserstattungsgutscheine angesehen werden (vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 2006 V R 33/03, BFH/NV 2006, 1602, unter II.2. und 3., zu Parkchips, m.w.N.; zum Sachbezug bei § 8 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- siehe BFH-Urteile vom 27. Oktober 2004 VI R 51/03, BFHE 207, 314, BStBl II 2005, 137; vom 27. Oktober 2004 VI R 29/02, BFHE 207, 309, BStBl II 2005, 135; a.A. Urteil des FG Nürnberg vom 15. Januar 2004 IV 398/2002, juris-Dokument STRE200470246; vgl. zu verschiedenen Arten von Gutscheinen allgemein Ahrens, Betriebs-Berater 1996, 2477 ff.).

bb) Die Lieferungen erfolgten --entsprechend der Vertragslage-- an die Klägerin. Denn die Gutscheininhaber handelten bei der Entgegennahme der Waren im Namen der Klägerin.

Das FG hat insoweit zwar angenommen, dass die Gutscheininhaber bei der Entgegennahme der Parfümartikel nicht ausdrücklich in fremdem Namen aufgetreten seien. Es macht aber keinen Unterschied, ob eine Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll (§ 164 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Bei der Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung (§§ 133, 157 BGB) kommt es darauf an, wie ein objektiver Betrachter in der Lage des Erklärungsempfängers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte die Erklärung verstehen musste (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 7. Juni 2001 I ZR 49/99, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2002, 85, unter II.3.a, m.w.N.; MünchKommBGB/Schramm, 4. Aufl., § 164 BGB Rdnr. 21 ff.). Ob der Vertreter Vertretungswillen hatte, ist nach § 164 Abs. 2 BGB unerheblich (BGH-Urteil vom 5. Oktober 1961 VII ZR 207/60, BGHZ 36, 30).

Ausgehend davon traten aus Sicht eines objektiven Betrachters in der Lage der E die Gutscheininhaber im Namen der Klägerin auf. Dies folgt aus der Vorlage der von E an die Klägerin ausgegebenen Gutscheine. Die Klägerin händigte i.S. des § 172 Abs. 1 BGB ihrem Vertreter (dem Gutscheininhaber) eine Vollmachtsurkunde (den Gutschein) aus und dieser legte die Vollmachtsurkunde dem Dritten (E) vor. Die Bedeutung des Gutscheins kannte E aufgrund von § 2 Abs. 1 Satz 7 RV und den Namen des Vertretenen aufgrund des Aufdrucks auf dem Gutschein.

Die Lieferung an den jeweiligen Gutscheininhaber hingegen erfolgte nicht durch E, sondern durch die Klägerin. E handelte insoweit im Namen und Auftrag der Klägerin, was aus Sicht der Gutscheininhaber aus dem Aufdruck "E handelt im Namen des Rechnungsnehmers" folgte, der sich auf dem Gutschein befand. Wenn ein Ladeninhaber --wie hier-- in eindeutiger Weise bei dem Geschäftsabschluss zu erkennen gibt, dass er für einen anderen tätig wird, also in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt, und der Kunde, der dies erkannt hat, sich ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden erklärt, ist dies umsatzsteuerrechtlich anzuerkennen (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 2000 V R 44/99, BFHE 191, 97, BStBl II 2000, 361, unter II.1.b).

Aus dem Hinweis des FG, die Verfügungsmacht über eine Ware könne nur einheitlich verschafft werden, ergibt sich nichts anderes. Das FG hat daraus in den Fällen, in denen Ware erworben wurde, deren Wert den Gutscheinbetrag überstieg, gefolgert, die Verfügungsmacht könne nur dem Gutscheininhaber selbst verschafft worden sein. Jedoch ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH, dass mehr als eine Person das Recht innehaben kann, über einen Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen (vgl. zuletzt EuGH-Urteil vom 15. Dezember 2005 C-63/04, Centralan, BFH/NV 2006, Beilage 2, 136, RandNr. 64, 66). So lag es in diesen Fällen: E handelte insoweit anteilig im Namen der Klägerin.

Mit dieser Beurteilung weicht der Senat nicht vom EuGH-Urteil Auto Lease Holland BV (in Slg. 2003, I-1317, BStBl II 2004, 573, RandNr. 33 ff.) ab; denn dieses Urteil betrifft einen anderen Sachverhalt. Anders als dort der Leasinggeber hat hier die Klägerin Verfügungsmacht an den Gegenständen der Lieferung erhalten, weil sie E anweisen konnte und auch tatsächlich angewiesen hat, die Waren an die Gutscheininhaber zu übergeben. Der Streitfall ist insoweit vielmehr vergleichbar mit der Ausgangslage, die dem EuGH-Urteil vom 8. März 1988 C-165/86, Intiem (Slg. 1988, 1471, RandNr. 3, 14) zugrunde lag (vgl. auch EuGH-Urteil vom 6. April 2006 C-245/04, EMAG, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2006, 243, RandNr. 15, 38, 45, zur Lieferung beim sog. "Reihengeschäft").

c) Entgegen der Auffassung des FA liegt auch kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 der Abgabenordnung --AO 1977--) vor.

aa) Nach § 42 Abs. 1 AO 1977 kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Eine Gestaltung ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn sie, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen und ungewöhnlich ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (z.B. BFH-Urteil vom 11. November 2004 V R 36/02, BFH/NV 2005, 392, m.w.N.). Die Gestaltung muss trotz formaler Anwendung der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 77/388/EWG und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe, und aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte muss ersichtlich sein, dass mit der Gestaltung im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird (vgl. EuGH-Urteil vom 21. Februar 2006 C-255/02, Halifax, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2006, 420, RandNr 74 ff.).

bb) Im Streitfall liegt nach diesen Grundsätzen kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts vor, weil das Recht der Klägerin auf Vorsteuerabzug dem Ziel des UStG und der Richtlinie 77/388/EWG nicht zuwider läuft. Das Recht auf Abzug der für den Bezug von Werbegeschenken entrichteten Vorsteuer folgt vielmehr aus Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. EuGH-Urteil vom 27. April 1999 C-48/97, Kuwait Petroleum, Slg. 1999, I-2323, UR 1999, 278, RandNr. 19). Die Klägerin hatte im Streitfall die Wahl, Gutscheine als Zahlungsmittel (ohne Vorsteuerabzug) oder (Warengutscheine für) Werbegeschenke (mit Vorsteuerabzug) zu erwerben, um sie Mitarbeitern und Kunden zu überreichen. Sie hat sich vorliegend für den Bezug von Werbegeschenken mittels Warengutscheinen entschieden. Wenn der Steuerpflichtige die Wahl zwischen zwei Umsätzen hat, schreibt ihm die Richtlinie 77/388/EWG nicht vor, den Umsatz zu wählen, der die höhere Steuer nach sich zieht (EuGH-Urteil Halifax, in DStR 2006, 420, RandNr. 73).

Soweit das FA geltend macht, es komme aufgrund der Gestaltung zu einem umsatzsteuerrechtlich unerwünschten "unversteuerten Endverbrauch", beruht dieser --sofern er überhaupt eintritt-- nicht auf dem Recht der Klägerin auf Vorsteuerabzug aus den Eingangsumsätzen, sondern ist die Folge der bewussten Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers, bestimmte Entnahmen nicht zu besteuern (Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG, § 3 Abs. 1b Nr. 2 und 3 UStG 1999). Dies zu nutzen ist kein Missbrauch.

3. Dennoch ist die Vorentscheidung nicht aufzuheben, denn sie stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO). Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin keine Rechnung besitzt, die es ihr erlaubt, ihr Recht auf Vorsteuerabzug im Streitjahr auszuüben.

a) Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UStG 1999 (jetzt: § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG) musste im Streitjahr in einer Rechnung u.a. die Menge und die handelsübliche Bezeichnung des Gegenstandes der Lieferung angegeben werden. Vereinnahmte der Unternehmer --wie im Streitfall-- das Entgelt für eine noch nicht ausgeführte steuerpflichtige Lieferung, galt dies nach § 14 Abs. 1 Satz 5 UStG 1999 sinngemäß. Die erforderlichen Angaben konnten unter weiteren Voraussetzungen in anderen Unterlagen enthalten sein (§ 31 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung --UStDV-- 1999).

Der Vorsteuerabzug aus Rechnungen über Lieferungen, auf die eine Anzahlung geleistet wurde, setzt voraus, dass alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestands, d.h. der künftigen Lieferung, bereits bekannt und somit insbesondere die Gegenstände der Lieferung zum Zeitpunkt der Anzahlung genau bestimmt sind (EuGH-Urteil vom 21. Februar 2006 C-419/02, BUPA Hospitals u.a., BFH/NV 2006, Beilage 3, 273, RandNr. 48, 50); denn Lieferungen von Gegenständen unterliegen der Mehrwertsteuer und nicht die als Gegenleistung erbrachten Anzahlungen für noch nicht klar bestimmte Lieferungen von Gegenständen. Die Rechnung muss deshalb Angaben tatsächlicher Art enthalten, welche eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet worden ist. Hinsichtlich der Bezeichnung des Leistungsgegenstandes ist zu berücksichtigen, dass eine fehlerhafte Verwendung rechtlicher Begriffe "in der Laiensphäre" im Zusammenhang mit anderen Anhaltspunkten ausgelegt werden kann (BFH-Urteile vom 12. Dezember 1996 V R 16/96, BFH/NV 1997, 717; vom 10. November 1994 V R 45/93, BFHE 176, 472, BStBl II 1995, 395).

b) Ausgehend davon kann mit der Rechnung vom 21. September 1999 kein Recht auf Vorsteuerabzug ausgeübt werden; denn in dieser Rechnung sind als Gegenstand der Lieferung Gutscheine und nicht die gelieferten Parfümartikel genannt.

Diese "Falschbezeichnung" des Gegenstands der Lieferung kann nicht im Wege der Auslegung und durch andere Unterlagen beseitigt werden; denn nach der RV und den Gutscheinen, auf deren Nummern die Anlage zur Rechnung konkret Bezug genommen hat, waren Gegenstände der zukünftigen Lieferungen Waren "aus dem Sortiment der E". Hierdurch wurde der Gegenstand der Lieferung ebenfalls nicht hinreichend genau bestimmt.

Aus den vom FG festgestellten "Kassenzetteln" ist ebenfalls kein Vorsteuerabzug möglich. Denn diese "Kassenzettel" genügen nicht den Anforderungen des § 33 Satz 1 Nr. 4 UStDV 1999, weil auf ihnen der Steuersatz nicht angegeben ist.

c) Auch aufgrund der Schlussrechnung vom 17. Februar 2003 ist im Streitjahr kein Vorsteuerabzug möglich. Die Schlussrechnung bezeichnet zwar eindeutig den Gegenstand der Lieferung. Der Unternehmer kann aber Vorsteuerbeträge erst in dem Besteuerungszeitraum abziehen, in dem er ein Dokument besitzt, das nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden kann (vgl. EuGH-Urteil vom 29. April 2004 C-152/02, Terra Baubedarf, Slg. 2004, I-5583, BFH/NV 2004, Beilage 3, 229; BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 76/01, BFHE 207, 1, BStBl II 2005, 236, unter II.3.b). Deshalb kann die Klägerin mit der Schlussrechnung vom 17. Februar 2003 ihr Recht auf Vorsteuerabzug allenfalls für das Jahr 2003 ausüben.

Ende der Entscheidung

Zurück