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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: V R 17/07
Rechtsgebiete: FGO, UStG


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 2
UStG § 10 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt ein Unternehmen für Kaminofenbau. In den Streitjahren 2001 bis 2003 überließ sie ihren Arbeitnehmern Schutzkleidung sowie mit Stahlkappen versehene Arbeitsschuhe. Diese sollte die Arbeitnehmer vor bei der Arbeit abspringenden Metallsplittern schützen. Arbeitskleidung und -schuhe wurden ausschließlich im Unternehmen genutzt. Um die Arbeitnehmer zum sorgsamen Umgang mit der Arbeitskleidung anzuhalten, wurden sie mit monatlich etwa der Hälfte der tatsächlichen Kosten (so die Schätzung des Finanzgerichts --FG--) beteiligt. Die Klägerin erfasste die von den Arbeitnehmern für die Überlassung der Schutzkleidung tatsächlich erhaltenen Entgelte in ihren Umsatzsteuererklärungen.

Im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) unter Berufung auf § 10 Abs. 5 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) die Auffassung, die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer sei hinsichtlich der Überlassung der Arbeitskleidung um die Differenz zwischen den tatsächlich erhaltenen Entgelten und den Gesamtkosten zu erhöhen.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Klage und führte zur Begründung aus, sowohl die bisher erfolgte Besteuerung der tatsächlich entrichteten Beträge der Arbeitnehmer als auch die Erhöhung der Bemessungsgrundlage nach den Gesamtkosten sei rechtswidrig, da die Gestellung der Schutzkleidung allein in ihrem betrieblichen Interesse erfolge.

Das FG gab der Klage statt, soweit sich die Klägerin gegen die Erhöhung der Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG gewandt hatte. Zwar sei die teilentgeltliche Überlassung der Arbeitskleidung in Höhe der von den Arbeitnehmern tatsächlich gezahlten Entgelte steuerbar, da die Klägerin für die Überlassung der Dienstkleidung ein Entgelt gefordert und erhalten habe (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Jedoch komme der Ansatz der Selbstkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG bei Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal "auf Grund des Dienstverhältnisses" ausführe, nach Sinn und Zweck der Vorschrift unter Berücksichtigung von Art. 11 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) nicht in Betracht, weil keine Steuerumgehung vorliege. Ziel der Überlassung der Schutzkleidung an die Arbeitnehmer sei die ausschließliche Verwirklichung betrieblicher Belange und nicht die Verschaffung eines steuerlichen Vorteils an die Arbeitnehmer. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) im Urteil vom 16. Oktober 1997 Rs. C-258/95, Fillibeck (Slg. 1997, I-5577, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1998, 61).

Mit der Revision bringt das FA vor, das FG habe unzutreffend die Anwendung von § 10 Abs. 5 UStG aufgrund einer teleologischen Reduktion versagt. Bei der von den Arbeitnehmern gezahlten Kostenbeteiligung handele es sich nicht um das marktübliche Entgelt im Sinne des EuGH-Urteils vom 29. Mai 1997 C-63/96, Skripalle (Slg. 1997, I-2847, BStBl II 1997, 841). Das tatsächlich gezahlte Entgelt sei auch nicht aus lohnsteuerrechtlichen Überlegungen als marktüblich anzusehen. Ertragsteuerrechtlich werde die verbilligte Überlassung typischer Berufskleidung als vermögenswerter Vorteil angesehen, der nach § 3 Nr. 31 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei gestellt werde. § 10 Abs. 5 UStG sei auch nicht wegen Fehlens der Gefahr einer Steuerumgehung unanwendbar. Insoweit handele es sich um eine gesetzliche Typisierung. Wenn dies im Einzelfall zu einem Wertungswiderspruch im Hinblick auf die fehlende Steuerbarkeit der unentgeltlichen Überlassung von Arbeitskleidung führe, sei das hinzunehmen.

Das FA beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision des FA ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht die Anwendbarkeit der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG verneint.

1. Gemäß § 10 Abs. 5 UStG unterliegen "Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal aufgrund des Dienstverhältnisses ausführt", der Mindestbemessungsgrundlage, wenn das vom Arbeitnehmer tatsächlich entrichtete Entgelt hinter den Ausgaben zurückbleibt (§ 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG). Die Anwendung dieser Regelung entspricht im Streitfall nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift.

§ 10 Abs. 5 UStG bezweckt als abweichende Sondermaßnahme i.S. des Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG, Steuerhinterziehungen oder Steuerumgehungen durch eine ungerechtfertigte Minderung der Bemessungsgrundlage zu vermeiden. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 15. November 2007 V R 15/06 (BFH/NV 2008, 1070, Sammelbeförderung) im Anschluss an das EUGH-Urteil Skripalle in Slg. 1997, I-2847, BStBl II 1997, 841 entschieden hat, sind derartige abweichende nationale Maßnahmen jedoch eng auszulegen und nur insoweit anzuerkennen, als dies für die Erreichung dieses Zieles unbedingt erforderlich ist. Daher ist die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG nur auf solche Leistungen anzuwenden, die auch bei unentgeltlicher Leistung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2, Abs. 9a UStG steuerbar wären. Danach sind unentgeltliche Lieferungen oder sonstige Leistungen des Unternehmers an sein Personal nur dann steuerbar, wenn diese "für den privaten Bedarf" des Arbeitnehmers erfolgen und "keine Aufmerksamkeiten" vorliegen (§ 3 Abs. 1b Nr. 2 UStG). Liegt keine Leistung für den privaten Bedarf des Personals vor, weil sie nicht der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse des Arbeitnehmers dient, sondern durch betriebliche Erfordernisse bedingt ist, handelt es sich nicht um eine Leistung "aufgrund des Dienstverhältnisses" i.S. des § 10 Abs. 5 UStG. Ansonsten käme es zu einem Wertungswiderspruch, wenn eine unentgeltliche, ausschließlich aus betrieblichen Gründen erfolgte Leistung des Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer mangels Eigenverbrauchs nicht steuerbar wäre, jedoch bei teilentgeltlicher Überlassung aufgrund des § 10 Abs. 5 UStG die Bemessungsgrundlage mit den gesamten Kosten angesetzt werden müsste. Dementsprechend hat auch der XI. Senat des Bundesfinanzhofs durch Urteil vom 27. Februar 2008 XI R 50/07 (BFH/NV 2008, 1086) --dem sich der Senat anschließt-- entschieden, dass die verbilligte Überlassung von Arbeitskitteln und -jacken nicht der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG unterliegt, wenn sie durch betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

2. Danach hat das FG im Streitfall zu Recht die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG abgelehnt, denn nach den Feststellungen des FG war die Überlassung der Schutzkleidung durch die betrieblichen Belange des Arbeitgebers bedingt und eine private Nutzung ausgeschlossen.



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