Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 06.06.2002
Aktenzeichen: V R 22/01
Rechtsgebiete: AO 1977, UStG


Vorschriften:

AO 1977 § 73
UStG § 13
UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2
UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3
UStG § 17 Abs. 1 Satz 3
UStG § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
UStG § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war Organträgerin einer GmbH.

Am 14. November 1995 stellten die Geschäftsführer der GmbH für diese einen Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens. Durch Beschluss vom 21. November 1995 ordnete das Amtsgericht die Sequestration für die GmbH an.

Bei einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung wurde festgestellt, dass Verbindlichkeiten, für die die Klägerin bereits den Vorsteuerabzug geltend gemacht hatte, von der GmbH nicht beglichen worden waren.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) forderte die entsprechenden Vorsteuerbeträge zunächst in geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheiden für die Monate März, Juni, August, September und Oktober 1995 und dann auf deren Einspruch hin im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für den Monat November 1995 von der Klägerin zurück.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens reichte sie die Umsatzsteuer-Jahreserklärung 1995 ein, in der sie einen Vorsteuerüberschuss in Höhe von 11 406,20 DM errechnete. Das FA stimmte der Steuererklärung nicht zu, sondern setzte die Umsatzsteuer für 1995 unter Berichtigung der Vorsteuer für die nicht beglichenen Verbindlichkeiten (Leistungsentgelte) abweichend fest (zuletzt durch Umsatzsteuerbescheid vom 18. April 1997).

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1006 veröffentlicht ist, sah die Voraussetzungen einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) für gegeben; es meinte, die Berichtigung des Vorsteuerabzugs sei gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG für den Monat November 1995 vorzunehmen gewesen, da Verbindlichkeiten mit der Sequestration uneinbringlich geworden seien.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Revision. Sie meint, die Vorentscheidung stehe im Widerspruch zur Entscheidung des FG Nürnberg vom 22. Februar 1990 II 169/86 (EFG 1990, 543). Außerdem hätte das FG prüfen müssen, ob die Uneinbringlichkeit bereits vor Eintritt der Insolvenz und somit bereits während der Organschaft eingetreten sei.

II. Die Revision ist unbegründet.

Der Vorsteuerrückforderungsanspruch, der infolge der Uneinbringlichkeit der Leistungsentgelte entstand, richtet sich jedenfalls deshalb gegen die Klägerin als Organträgerin, die ursprünglich die Vorsteuerbeträge abgezogen hatte, weil die Organschaft bis zur Uneinbringlichkeit der Leistungsentgelte noch bestand.

1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG hat der Unternehmer, an den ein Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn sich die Bemessungsgrundlage für diesen steuerpflichtigen Umsatz geändert hat. Die Berichtigungen sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in den die Änderung der Bemessungsgrundlage fällt (§ 17 Abs. 1 Satz 3 UStG). Dies gilt sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG).

Nach Auffassung des FG ist das Entgelt für die Leistungsbezüge, um die es hier geht, im Streitjahr 1995 --spätestens mit der Anordnung der Sequestration am 21. November 1995-- uneinbringlich geworden.

Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG auch infolge Konkurseröffnung über das Vermögen des Schuldners in Betracht. Die der Umsatzsteuerpflicht des leistenden Unternehmers und dem Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers zugrunde liegenden Entgelt-Forderungen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen an den späteren Gemeinschuldner werden spätestens im Augenblick der Konkurseröffnung unbeschadet einer möglichen Konkursquote in voller Höhe uneinbringlich (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Juni 2000 V R 45/99, BFHE 192, 129, BStBl II 2000, 703, m.w.N.). Im Fall einer Konkursquote ist der Vorsteuerabzug dann wieder erneut --nunmehr zu Gunsten des Leistungsempfängers-- zu berichtigen. Dasselbe gilt auch im Gesamtvollstreckungsverfahren.

2. Das FG hat auch zu Recht entschieden, dass der Vorsteuerabzug bei der Klägerin zu berichtigen war, die ursprünglich in den Genuss des Vorsteuerabzugs gekommen war.

Dabei kann offen bleiben, ob der Vorsteuerrückforderungsanspruch, der infolge der Uneinbringlichkeit der Leistungsentgelte bei der Organgesellschaft entsteht, sich stets gegen den Organträger richtet, der ursprünglich die Vorsteuer abgezogen hatte; gegen die Organgesellschaft kommt dann lediglich ein Haftungsanspruch gemäß § 73 der Abgabenordnung (AO 1977) in Betracht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Organschaft bis zur Uneinbringlichkeit des Leistungsentgelts noch bestand (BFH-Urteil vom 11. April 1991 V R 126/87, BFH/NV 1992, 140).

a) So war es im Streitfall. Zumindest bis zur Anordnung der Sequestration war die GmbH in das Unternehmen der Klägerin gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eingegliedert, so dass es nur ein Unternehmen der Klägerin gab, zu dem der Unternehmensteil der GmbH gehörte (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG). Da die Leistungsentgelte im Unternehmen der Klägerin uneinbringlich geworden sind, hatte auch sie die Vorsteuer zu berichtigen; auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld (i.S. des § 13 UStG) kommt es insoweit nicht an.

b) Deshalb ist auch unerheblich, ob die Leistungsentgelte bereits vor der Anordnung der Sequestration im Streitjahr 1995 uneinbringlich geworden sind. In jedem Fall hatte die Klägerin --und nicht die GmbH-- die Vorsteuer zu berichtigen. Nach den Feststellungen des FG kann ferner nicht davon ausgegangen werden, dass die Uneinbringlichkeit bereits vor dem Streitjahr 1995 eingetreten ist. Sie wurde mithin vom FA zutreffend im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 1995 erfasst. Eine zulässige Verfahrensrüge hat die Klägerin insoweit nicht erhoben.

c) Einen Widerspruch zum Urteil des FG Nürnberg in EFG 1990, 543 sieht der Senat nicht. In dem Urteil heißt es:

"Bei einer Organschaft ist zwar der Organträger Schuldner des Vorsteuerrückforderungsanspruchs; die Frage der Uneinbringlichkeit zugrunde liegender Verbindlichkeiten beurteilt sich jedoch nach den Verhältnissen bei der Organgesellschaft, wenn sie und nicht der Organträger Schuldner des Entgelts ist. ... Uneinbringlichkeit liegt nicht nur dann vor, wenn die Forderungen schlechthin keinen Wert mehr haben, sondern auch dann, wenn sie nicht mehr gegen den Schuldner durchsetzbar sind. Nach der Rechtsprechung des BFH ist davon spätestens im Zeitpunkt der Konkurseröffnung auszugehen ...

Im Streitfall war Zahlungsunfähigkeit sogar schon vor der Konkursantragstellung eingetreten. ... Damit war der Vorsteuerrückforderungsanspruch nicht erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in den der Tag der Konkurseröffnung fällt, entstanden ..., sondern bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums Juli 1983. Da zu diesem Zeitpunkt das Organschaftsverhältnis nicht beendet war, hat das FA den Vorsteuerrückforderungsanspruch zu Recht gegen den Kl. als Organträger geltend gemacht."

Wie sich aus dem zuerst zitierten Absatz ergibt, kann aus dem zuletzt zitierten Satz nicht ohne weiteres der Gegenschluss gezogen werden, dass nach Auffassung des FG Nürnberg der Vorsteuerrückforderungsanspruch immer dann gegen die Organgesellschaft zu richten ist, wenn er nach Erlöschen der Organschaft entstanden ist, auch wenn die Organschaft im Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit der Forderung noch bestand. Jedenfalls sieht sich der Senat durch das Urteil des FG Nürnberg nicht veranlasst, von den Grundsätzen in seiner Entscheidung in BFH/NV 1992, 140 abzugehen.

Ende der Entscheidung

Zurück