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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 06.12.2007
Aktenzeichen: V R 24/05
Rechtsgebiete: UStG 1999, Richtlinie 77/388/EWG, BGB


Vorschriften:

UStG 1999 § 3 Abs. 6 Satz 1
UStG 1999 § 3 Abs. 7 Satz 1
Richtlinie 77/388/EWG Art. 8 Abs. 1 Buchst. a
Richtlinie 77/388/EWG Art. 8 Abs. 1 Buchst. b
BGB § 454
1. Führt eine Versendung oder Beförderung zu einer Lieferung, so bestimmt sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG 1999, ansonsten nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG 1999.

2. Der Ort der Lieferung bei einem Kauf auf Probe ist nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG 1999 zu beurteilen.


Gründe:

I.

Streitig ist der Ort von Lieferungen.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) ansässige Kapitalgesellschaft; sie handelte mit Damenfeinstrumpfhosen, die sie über ein besonderes Vertriebssystem direkt an die Kunden in Deutschland verkaufte.

Die Klägerin warb für ihre Produkte in Zeitschriftenbeilagen. Interessenten konnten durch Ausfüllen eines Formulars ein sogenanntes "Gratis-Exemplar" anfordern und damit für eine Anknüpfung der Geschäftsbeziehung sorgen (im Weiteren: Erstbestellung). In dem Anzeigentext hieß es:

"WICHTIGER HINWEIS FÜR DIE NEUE INTERESSENTIN! Der S... Liefer-Service ohne Kaufverpflichtung: Zusammen mit Ihrem GRATIS-Paar ... erhalten Sie zusätzlich zwei weitere Paare, die wir Ihnen zum attraktiven Einführungspreis von nur je 1,50 € (zzgl. Porto und Verpackungsanteil) anbieten! Wenn Sie sie nicht behalten möchten, schicken Sie sie einfach binnen 10 Tagen zurück - Sie schulden uns dann nicht das Geringste. Jedesmal, wenn Sie von jetzt an S. ... kaufen, senden wir Ihnen vier weitere Paare (die Sie nur bei Gefallen behalten) zu einem besonders günstigen Preis."

Gleichzeitig warb die Klägerin in ähnlicher Weise auch im Internet für ihre Produkte.

Im Streitzeitraum (Mai 2004) erbrachte die Klägerin keine Umsätze aus Erstbestellungen.

Wenn die Kunden die Erstbestellung aufgegeben hatten, leitete eine "Anlaufadresse" in Deutschland das Bestellformular weiter in die USA zur Klägerin.

Die Klägerin fügte entsprechend den Angaben im ersten Formular dem Gratis-Exemplar zwei weitere Paare bei, welche die Interessenten bei Gefallen erwerben konnten.

In dem mit der Warensendung darüber hinaus ebenfalls verschickten zweiten Formularsatz stellte die Klägerin entsprechend der Ankündigung bei der ersten Bestellung nunmehr in Aussicht, nach Bezahlung der jetzt übersandten Ware automatisch vier weitere Paare --zunächst wiederum "zur Ansicht"-- zu liefern. Im Abschnitt "Bestell-Änderung" hieß es zudem:

"UNSER KAUF-OHNE-RISIKO-ANGEBOT:

Nachdem wir Ihren Zahlungseingang bzgl. unserer Rechnung über die Strumpfwaren festgestellt haben, werden wir Ihnen die gleiche Lieferung noch einmal senden. ... Sollte eine Lieferung einmal nicht zu Ihrer Zufriedenheit ausfallen, können Sie diese vor Ablauf der Zahlungsfrist zurücksenden." Die Klägerin "wird dann auf weitere Forderungen verzichten, und es sind keine weiteren Verpflichtungen für Sie damit verbunden".

Die Lieferung künftiger Warensendungen --vier weitere Paare wie angekündigt-- erfolgte in der nämlichen Weise.

Die Waren wurden überwiegend in den USA hergestellt und dann --entsprechend den Bestellungen-- in ein Warenverteilzentrum in der Schweiz versandt.

In diesem Warenverteilzentrum in der Schweiz wurden die Waren bestellungs- bzw. auftragsgemäß individuell verpackt und durch von der Klägerin beauftragte Spediteure und Frachtführer nach Deutschland verbracht.

Der Wert der übersandten Waren, um deren Lieferort die Beteiligten streiten, betrug nicht mehr als 22 € (50 DM) pro Paket (sog. qualified shipments = geringwertige Warenlieferungen), für die eine Zoll- und Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 27 der Zollbefreiungsverordnung i.V.m. § 1 Abs. 1 der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung bestand. Die Verbringung der Waren wurde dementsprechend zoll- und einfuhrumsatzsteuerfrei belassen. Warensendungen mit einem Warenwert über 22 € (50 DM) --sog. non-qualified shipments-- hatte die Klägerin als für sie umsatzsteuerpflichtig behandelt, während sie die geringwertigen Warensendungen auch im Inland umsatzsteuerfrei behandelte.

Mit Bescheid vom 16. August 2004 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) --aufgrund einer bereits durchgeführten Außenprüfung-- eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Mai 2004 in Höhe von 18 352,68 € fest, erfasste dabei die streitigen Lieferungen der Klägerin an die Kunden (qualified shipments) als steuerbare und steuerpflichtige Umsätze und zog hiervon Vorsteuerbeträge ab.

Das FA war der Auffassung, es liege ein Kauf auf Probe nach § 454 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor. Gemäß Abschn. 177 Abs. 6 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) 2005 werde die Lieferung erst zum Zeitpunkt der Billigung ausgeführt; der Ort der Lieferung bestimme sich daher nicht nach § 3 Abs. 6 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG 1999), sondern liege gemäß § 3 Abs. 7 UStG 1999 im Inland.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 26. August 2004 eine Klage ohne Vorverfahren (§ 45 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) beim Finanzgericht (FG), die mangels rechtzeitiger Zustimmung des FA als außergerichtlicher Rechtsbehelf an das FA abgegeben wurde.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 2004 verringerte das FA die Höhe der Umsätze der Klägerin und änderte den angefochtenen Bescheid nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung auf 15 652,68 €.

Der Einspruch blieb erfolglos.

Die Klage hatte insofern Erfolg, als die Klägerin begehrte, die streitigen Umsätze seien im Inland nicht steuerbar. Das FG wies die Klage aber ab, soweit die Klägerin darüber hinaus den Abzug von Vorsteuerbeträgen geltend machte. Das Urteil ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2005, 817 veröffentlicht.

Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, die streitigen Umsätze der Klägerin seien nicht steuerbar, da der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 6 UStG 1999 in der Schweiz sei; § 3 Abs. 7 UStG 1999 komme nicht zur Anwendung.

Maßgeblich für die Anwendung von § 3 Abs. 6 oder Abs. 7 UStG 1999 sei die Unterscheidung zwischen sog. bewegter und unbewegter Lieferung; diese richte sich danach, ob der Gegenstand der Lieferung zur Verschaffung der Verfügungsmacht befördert werden müsse.

Die streitigen Umsätze der Klägerin seien rechtlich als "Kauf auf Probe" nach § 454 BGB zu qualifizieren. Die Klägerin verschaffe den Kunden nicht erst mit der durch die Kunden erklärten Billigung, sondern bereits durch die Versendung die Verfügungsmacht an den Strümpfen.

Nach wirtschaftlichen Aspekten hätten die Kunden bereits die Verfügungsmacht erhalten, als sie Besitzer der Gegenstände geworden seien. Ein Leistungsaustauschverhältnis liege bereits bei Versendung vor, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch kein Kaufvertrag zustande gekommen sei, da das Handeln der Klägerin auf den Abschluss eines solchen Vertrages gerichtet sei.

Die zivilrechtliche Betrachtungsweise spricht nach Ansicht des FG nicht gegen dieses Ergebnis: Der Eigentumsübergang sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteil vom 24. April 1969 V 176/64, BFHE 95, 410, BStBl II 1969, 451) und des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- (Urteil vom 6. Februar 2003 C-185/01, Auto Lease Holland BV, Slg. 2003, I-1317, BFH/NV Beilage 2003, 108, BStBl II 2004, 573) für die Ausführung einer Lieferung nicht erforderlich. Eine hinreichende zivilrechtliche Verknüpfung bestehe bereits während des Schwebezustandes, der mit dem Abschluss des aufschiebend bedingten Kaufvertrages eintrete. Denn die Kunden könnten gutgläubigen Dritten die Gegenstände nach §§ 929, 932 BGB übereignen.

Mit der Revision rügt das FA sinngemäß Verletzung des § 3 Abs. 6 UStG 1999 und des § 3 Abs. 7 UStG 1999.

Das FA meint, die Verschaffung der Verfügungsmacht erfolge erst mit der Billigung durch die Kunden, so dass sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 7 UStG 1999 bestimme.

Das FA beantragt, die angegriffene Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, nach dem festgestellten Sachverhalt könne auch ein "Kauf mit Rückgaberecht" vorliegen, bei dem sich der Ort der Lieferung unstreitig nach § 3 Abs. 6 UStG 1999 bestimme. Dieser sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Kunden die Waren bereits vor Lieferung bezahlt hätten. Unterschiedliche Zahlungsweisen rechtfertigten aber keine umsatzsteuerrechtlich unterschiedliche Behandlung.

Ferner meint die Klägerin, für die Annahme eines Leistungsaustausches zum Zeitpunkt der Versendung sei unerheblich, ob die Kaufverträge zwischen ihr und den Kunden bei Versendung bereits wirksam gewesen seien.

Den Kunden ist nach Ansicht der Klägerin bereits mit der Versendung die Verfügungsmacht verschafft worden. Es sei nicht anzunehmen, sie, die Klägerin, würde bei "Nichtbezahlung gerichtliche Hilfe in Anspruch" nehmen, da der Warenwert der streitigen Lieferungen jeweils nicht mehr als 22 € betragen habe. Daher habe sie durch die Versendung den Kunden faktisch die Substanz und den Wert der Strumpfhosen übertragen.

Der Ort der Lieferung bestimme sich daher nach § 3 Abs. 6 UStG 1999.

II.

Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Denn die streitigen Lieferungen ("qualified shipments") der Klägerin unterliegen im Inland der Umsatzsteuer.

1. Entgeltliche Umsätze eines Unternehmers im Rahmen seines Unternehmens sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999 umsatzsteuerbar, wenn der Ort der Lieferung --wie hier-- im Inland liegt.

Der Ort der streitigen Lieferungen der Klägerin an die Kunden bestimmt sich nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG 1999 und nicht nach § 3 Abs. 6 UStG 1999.

a) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG 1999 die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt (§ 3 Abs. 6 Satz 2 UStG 1999). Wird der Gegenstand der Lieferung hingegen nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (§ 3 Abs. 7 Satz 1 UStG 1999).

Die Regelungen in § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG 1999 und § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG 1999 stimmen mit der gemeinschaftsrechtlichen Regelung überein: Nach Art. 8 Abs. 1 der im Streitjahr geltenden Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) gilt als Ort der Lieferung

"a) für den Fall, dass der Gegenstand vom Lieferer, vom Erwerber oder von einer dritten Person versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befindet. ...

b) für den Fall, dass der Gegenstand nicht versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Lieferung befindet."

Führt eine Versendung oder Beförderung zu einer Lieferung, so bestimmt sich der Ort der Lieferung nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, andernfalls nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. EuGH-Urteil vom 6. April 2006 Rs. C-245/04, EMAG, Slg. 2006, I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294 Randnr. 46).

b) § 3 Abs. 6 und Abs. 7 UStG 1999 regeln in Übereinstimmung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG den Leistungsort und damit zugleich auch den Zeitpunkt der Leistung für Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 UStG 1999 (BFH-Urteil vom 21. April 1993 XI R 102/90, BFHE 171, 132, BStBl II 1993, 731 zu § 3 Abs. 7 UStG a.F.; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, I Rz 864.1; Fritsch in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, § 3 Abs. 6 Rz 620 f.; Martin in Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rz 459; Lippross, Umsatzsteuer, 22. Aufl., S. 175; a.A. Heuermann in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 3 Abs. 6 Rz 4; unklar: Bülow in Vogel/Schwarz, UStG, § 3 Rz 181; Leonard in Bunjes/Geist, UStG, 8. Aufl., § 3 Rz 68). Die Anwendbarkeit von § 3 Abs. 6 und Abs. 7 UStG 1999 setzt deshalb bereits das "Umsatzgeschäft" voraus, das zu einer Lieferung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1999 führt. Ob die Versendung/Beförderung zu einer Lieferung führt (vgl. EuGH-Urteil "EMAG" in Slg. 2006, I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294 Rz 46 zu Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) bzw. ob ein "Gegenstand der Lieferung" (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG 1999) versendet/befördert wird, hängt deshalb davon ab, ob Grundlage der Versendung/Beförderung ein Umsatz im Sinne des UStG ist. Es genügt nicht, dass eine Versendung/ Beförderung --erst bei Hinzutreten weiterer Umstände wie z.B. die Billigung des zugesandten Gegenstandes durch den Kunden-- zu einem Umsatz im Sinne des UStG führen könnte.

c) Eine Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999 setzt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) und Gegenleistung voraus. Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich die Vertragsparteien in einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet haben, liegt der erforderliche Leistungsaustausch grundsätzlich vor (BFH-Urteile vom 21. April 2005 V R 11/03, BFHE 211, 50, BStBl II 2007, 63; vom 18. Januar 2005 V R 17/02, BFH/NV 2005, 1394, mit Nachweisen). Ein wirksamer Vertrag ist aber hierfür keine Voraussetzung, sofern tatsächlich ein Leistungsaustausch erfolgte (BFH-Urteil vom 24. Februar 2005 V R 1/03, BFH/NV 2005, 1160, unter II.1.b); so kann --worauf die Klägerin zu Recht hinweist-- ein Umsatz auch bei verbotswidriger Ausfuhr eines Gegenstandes umsatzsteuerbar sein (vgl. EuGH-Urteil vom 2. August 1993 Rs. C-111/92, Lange, Slg. 1993, I-4677, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1993, 644).

d) Im Streitfall lag bei Versendung der Waren noch kein Leistungsaustausch vor. Denn erst mit der Billigung der Waren durch die Kunden stand fest, dass die Kunden die Gegenstände behalten werden und bereit waren, hierfür einen Kaufpreis zu entrichten. Demnach entstand erst mit der Billigung ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Lieferung der Ware und dem Kaufpreis.

Über den von der Klägerin aufgeworfenen, hier nicht vorliegenden Sachverhalt, dass die Kunden die Waren schon vor der Versendung zu bezahlen hätten, war nicht zu entscheiden. Jedenfalls kann --entgegen der Auffassung der Klägerin-- vom Zeitpunkt der Zahlung abhängen, ob bereits bei Versendung ein Leistungsaustausch stattfindet.

e) Ferner hat die Klägerin den Empfängern der Sendung nicht schon in dem Zeitpunkt, in dem diese die Warensendung erhielten, sondern erst nach Billigung des Angebots durch die Empfänger die Verfügungsmacht verschafft.

aa) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen --Verschaffung der Verfügungsmacht-- (§ 3 Abs. 1 UStG 1999). Die Regelung setzt Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG um. Danach gilt als Lieferung eines Gegenstandes die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Die Verschaffung der Verfügungsmacht setzt die Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag voraus. Sie ist in der Regel, aber nicht notwendig, mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentum verbunden (Urteile des EuGH, Auto Lease Holland BV in Slg. 2003, I-1317, BFH/NV Beilage 2003, 108, BStBl II 2004, 573 Rz 31 ff.; vom 15. Dezember 2005 Rs. C-63/04, Centralan Property, Slg. 2005, I-11087, BFH/NV Beilage 2006, 136 Rz 60 ff.; vom 29. März 2007 Rs. C-111/05, Aktiebolaget NN, Umsatzsteuer-Rundschau 2007, 420 Rz 32; Urteil des BFH vom 9. Februar 2006 V R 22/03, BFHE 213, 83, BStBl II 2006, 727).

bb) Bis zur Billigung der Sendung durch die Empfänger durften diese nicht wie ein Eigentümer beliebig mit den Waren verfahren, denn es stand noch nicht fest, ob sie die Waren zurückzugeben hatten. Damit waren ihnen bis zu diesem Zeitpunkt weder Substanz noch Wert der Strümpfe übertragen worden (zum Kauf auf Probe: Abschn. 177 Abs. 6 Satz 2 UStR 2005; Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 3280; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 53 Rz 654.7; Martin in Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rz 85; Zeuner in Bunjes/Geist, UStG, 8. Aufl., § 13 Rz 14; Köhler in Plückebaum/Malitzky/Widmann, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 13 Rz 10; Büchter-Hole, EFG 2005, 822; a.A. Heuermann in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 3 Abs. 1 Rz 167; Schwarz in Vogel/Schwarz, UStG, § 17 Rz 168; Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 13 UStG Rz 22 a; Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 17 Rz 149).

cc) Entgegen der Auffassung des FG ist für die Entscheidung der Frage, ob Verfügungsmacht im Sinne des UStG verschafft worden ist, ohne Bedeutung, dass nach nationalem Recht (§§ 929, 932 BGB) die Kunden der Klägerin, wenn sie die Waren an einen gutgläubigen Dritten verkauft hätten, diesem Eigentum hätten verschaffen können. Dieser Umstand erlaubt schon deshalb keine umsatzsteuerrechtlichen Folgerungen, weil ein gutgläubiger Erwerb in allen Fällen der Besitzverschaffung durch den Eigentümer und unabhängig vom Rechtsgrund (z.B. auch bei Überlassung eines Gegenstandes zur Nutzung) besteht.

dd) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei nicht anzunehmen, die Klägerin würde bei "Nichtbezahlung gerichtliche Hilfe in Anspruch" nehmen, da der Warenwert der streitigen Lieferungen jeweils nicht mehr als 22 € betragen habe, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Revisionsverfahren schon aufgrund der Bindung an die Feststellungen des FG nicht berücksichtigt werden kann (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Darüber hinaus reicht für die Ausführung einer Lieferung nicht aus, dass der Lieferer die Verfügungsmacht verloren hat. Vielmehr ist zudem erforderlich, dass der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht erhält. Hieran fehlt es im Zeitpunkt der Versendung (vgl. II.1.e bb).

f) Da noch keine Versendung "des Gegenstandes der Lieferung" stattfand, bestimmt sich der Ort der streitigen Lieferungen (qualified shipments) nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG 1999.

Zum Zeitpunkt der Lieferung der Strümpfe (Billigung durch die Empfänger der Sendung) befanden sich die Gegenstände bereits im Inland bei den Kunden. Der Leistungsort der Strümpfe lag danach im Inland (§ 3 Abs. 7 Satz 1 UStG 1999).

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