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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 05.12.2006
Aktenzeichen: V S 23/06 (PKH)
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, ZPO, StBerG


Vorschriften:

AO 1977 § 163
AO 1977 § 227
FGO § 51 Abs. 1
FGO § 62a
FGO § 62a Abs. 1
FGO § 73 Abs. 1 Satz 1
FGO § 121 Satz 1
FGO § 133a
FGO § 133a Abs. 1 Satz 1
FGO § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
FGO § 133a Abs. 2 Satz 5
FGO § 133a Abs. 2 Satz 6
FGO § 142 Abs. 1
FGO § 155
ZPO § 41
ZPO § 41 Nr. 6
ZPO § 114 Satz 1
ZPO § 117 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 321a
StBerG § 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
V S 22/06 (PKH) V S 23/06 (PKH)

Gründe:

I. Der Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Antragsteller) betrieb eine Rechtsanwalts- und Notarpraxis. Seinen Antrag auf Erlass sämtlicher aufgelaufener Steuerschulden gemäß §§ 163, 227 der Abgabenordnung (AO 1977), in dem er geltend machte, er als an die nicht mehr kostendeckende gesetzliche Gebührenordnung gebundener Anwaltsnotar habe das Auflaufen der Umsatzsteuerschulden nicht mehr zu vertreten, lehnte der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) ab. Die dagegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 1. Juli 2004 als unbegründet abgewiesen. Mit Beschluss vom 26. Juli 2006 hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurückgewiesen und den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt.

Hiergegen richtet sich der Antragsteller mit dem als Anhörungsrüge nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO), § 321a der Zivilprozessordnung (ZPO) bezeichneten Rechtsbehelf. Er macht geltend, der zuvor am FG tätige Richter am Bundesfinanzhof X habe nicht an dem Beschluss vom 26. Juli 2006 mitwirken dürfen, weil er beim FG an zahlreichen anderen, von ihm --dem Antragsteller-- betriebenen Verfahren in Umsatzsteuerstreitigkeiten, zumindest aber in dem Verfahren vom 1. Juli 2004, mitgewirkt habe. Das verstoße gegen Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtscharta), der einen effektiven Rechtsschutz im Rahmen eines fairen Verfahrens durch unparteiische Richter garantiere. Im Übrigen sei der Beschluss vom 26. Juli 2006 rechtlich fehlerhaft.

II. 1. Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 73 Abs. 1 Satz 1, § 121 Satz 1 FGO.

2. Die Anhörungsrüge ist unzulässig.

Gemäß § 62a Abs. 1 FGO muss sich jeder Beteiligte durch eine Person i.S. des § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dabei handelt es sich um Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer. Diese Aufzählung ist abschließend. Andere Personen sind --auch in eigener Sache-- von der Vertretung ausgeschlossen (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Mai 2003 IV B 60/02, IV B 72/03, BFH/NV 2003, 1427). § 62a FGO gilt gemäß § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO auch für die Anhörungsrüge.

Laut Mitteilung der Rechtsanwaltskammer ... ist dem Antragsteller durch Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom ... die Zulassung als Rechtsanwalt entzogen worden. Auf Anfrage hat die Steuerberaterkammer ... mitgeteilt, dass der Antragsteller auch nicht Mitglied der Steuerberaterkammer ist. Der Antragsteller hat daher im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr zu dem in § 3 Nr. 1 StBerG genannten Personenkreis gehört. Der ohne ordnungsgemäße Vertretung eingelegte Rechtsbehelf ist unzulässig.

3. Der Antrag auf Gewährung von PKH hat keinen Erfolg.

Gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände der vom Antragsteller begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat.

Der Antrag ist zwar wirksam gestellt, weil der Vertretungszwang des § 62a Abs. 1 FGO u.a. nicht für Prozesshandlungen gilt, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können. Hierzu gehört gemäß § 155 FGO, § 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch der Antrag auf Bewilligung von PKH.

Der Antrag war aber abzulehnen, weil der beabsichtigte Rechtsbehelf keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Gemäß der ab 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Regelung in § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO (davor: § 155 FGO i.V.m. § 321a ZPO analog) ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn

1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und

2. das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen (§ 133a Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO genannten Voraussetzungen darlegen (§ 133a Abs. 2 Satz 6 FGO).

a) Der Antragsteller hat die Voraussetzungen des § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO nicht ordnungsgemäß i.S. von § 133a Abs. 2 Satz 6 FGO "dargelegt". Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO kann mit dem außerordentlichen Rechtsbehelf der Anhörungsrüge nur vorgebracht werden, das Gericht --im Streitfall der beschließende Senat-- habe im Rahmen der angegriffenen Entscheidung gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verstoßen (BFH-Beschlüsse vom 17. Juni 2005 VI S 3/05, BFH/NV 2005, 1458, m.w.N.; vom 3. März 2006 V S 1/06, BFH/NV 2006, 1314).

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt von dem erkennenden Gericht vornehmlich, dass es die Beteiligten über den Verfahrensstoff informiert, ihnen Gelegenheit zur Äußerung gibt, ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 2005 VII S 17/05, BFH/NV 2005, 1614, und in BFH/NV 2005, 1458; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Tz. 111; von Groll in Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 96 Anm. 30; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Rz. 217, jeweils m.w.N.).

Der Antragsteller rügt im Wesentlichen, dass an der Entscheidung des Senats ein Richter mitgewirkt habe, der zuvor als Richter am Finanzgericht in anderen Verfahren, die er, der Kläger betrieben habe, befasst gewesen sei. Mit diesem Vorbringen, mit dem er eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter geltend macht, kann er im Rahmen des § 133a FGO nicht gehört werden.

b) Im Übrigen liegt der vom Antragsteller behauptete Verfahrensverstoß nicht vor.

Gemäß § 51 Abs. 1 FGO, § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes u.a. ausgeschlossen in Sachen, in denen er bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat. Das betrifft nur die angefochtene Entscheidung selbst. Keine zum Ausschluss führende Mitwirkung liegt vor, wenn der Richter in anderen früheren Streitverfahren mitgewirkt hat (allgemeine Auffassung: BFH-Beschlüsse vom 22. Februar 2000 II B 132/99, BFH/NV 2000, 1108; vom 8. August 2006 V B 116/05, BFH/NV 2006, 2277; Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 4. November 1974 VII B 9.74, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1975, 1241; Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 51 FGO Rz. 30; Brandis in Tipke/ Kruse, § 51 FGO Rz. 11; Koch in Gräber, FGO, 6. Aufl., § 51 Rz. 13). So ist es hier. Der Richter am Bundesfinanzhof X hat zwar in anderen Verfahren des Antragstellers vor dem FG als Richter am Finanzgericht mitgewirkt, nicht aber an dem mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtenen Urteil des FG vom 1. Juli 2004.

Ein Verstoß gegen Art. 47 EU-Grundrechtscharta liegt ebenfalls nicht vor. Art. 47 EU-Grundrechtscharta lautet:

"Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht

Jede Person, deren durch das Unionsrecht garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

..."

Der deutsche Gesetzgeber hat in § 51 Abs. 1 FGO, § 41 ZPO gerade Regelungen getroffen, um die Verhandlung von Verfahren durch unabhängige und unparteiische Gerichte sicherzustellen und Gerichtspersonen von der Mitwirkung auszuschließen, bei denen diese Voraussetzungen nicht gewährleistet erscheinen.

c) Soweit der Antragsteller geltend macht, der Senat habe in der Sache fehlerhaft entschieden, kann er damit im Rahmen der Anhörungsrüge ebenfalls nicht gehört werden. Die Anhörungsrüge dient nicht dazu, die angegriffene Entscheidung in der Sache in vollem Umfang nochmals zu überprüfen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. September 2005 V S 12, 13/05, BFH/NV 2006, 198; vom 17. Juni 2005 VI S 3/05, BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614; in BFH/NV 2006, 1314).

Ende der Entscheidung

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