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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 05.07.2005
Aktenzeichen: VI B 150/04
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 96 Abs. 1 Satz 3
FGO § 105 Abs. 2 Nr. 5
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2
FGO § 119 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Revision ist weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) noch wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.

1. Zwar ist die Revision nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) über die Fälle der Divergenz hinaus auch dann nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen, wenn ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung besteht, weil das Finanzgericht (FG) revisibles Recht fehlerhaft ausgelegt hat, der insoweit unterlaufene Fehler von Gewicht und geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu schädigen (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 75, m.w.N.). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Auslegung und Anwendung des revisiblen Rechts durch das FG objektiv willkürlich oder greifbar gesetzeswidrig ist (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 115 FGO Rz. 204 ff., m.w.N.).

Ein solcher Fall liegt indes nicht vor. Das FG ist im Streitfall unter Hinweis auf die in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Kriterien für die Prüfung, ob eine Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ausgeübt wird, zu dem Ergebnis gelangt, dass die Prospektverteiler nichtselbständig tätig waren. Diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden und steht mit der Rechtsprechung des Senats in Einklang (vgl. zuletzt Beschluss vom 9. November 2004 VI B 150/03, BFH/NV 2005, 347). Dem steht nicht entgegen, dass das FG im vorausgegangenen Verfahren über den einstweiligen Rechtsschutz nach dem Beschluss vom 14. April 2004 ernstliche Zweifel an der Arbeitnehmereigenschaft der Prospektverteiler hatte. Das folgt bereits aus dem summarischen Charakter der Prüfung für Zwecke des einstweiligen Rechtsschutzes.

2. Das FG war auch nicht gehalten, sämtliche in der Senatsrechtsprechung entwickelten Kriterien (vgl. dazu den Senats-Beschluss vom 9. September 2003 VI B 53/03, BFH/NV 2004, 42) in der Begründung im Einzelnen abzuhandeln; es konnte sich auf die für seine Beurteilung ausschlaggebenden Merkmale beschränken. Ein Verfahrensfehler liegt deshalb nicht vor.

a) Zwar sind nach § 96 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 105 Abs. 2 Nr. 5 und § 119 Nr. 6 FGO im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Daraus ergibt sich jedoch nur, dass die für die Entscheidung maßgeblichen Gründe anzugeben sind. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung, sämtliche vorgebrachten, aber nicht für maßgeblich gehaltenen Argumente abzuhandeln, lässt sich daraus nicht ableiten. § 119 Nr. 6 FGO gewährt dementsprechend keinen Schutz vor lücken- oder fehlerhaften Entscheidungsgründen und ist keine Grundlage für eine umfassende Rüge der Verletzung materiellen Rechts (Tipke/Kruse, a.a.O., § 119 FGO Rz. 78, m.w.N.). Dementsprechend ist ein FG-Urteil auch dann mit Gründen i.S. des § 119 Nr. 6 FGO versehen, wenn es den Gedankengang erkennen lässt, aufgrund dessen das FG zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt ist; das gilt auch, wenn die Begründung des Urteils inhaltlich angreifbar wäre (BFH-Beschluss vom 18. Juni 2003 I B 172/02, BFH/NV 2004, 491).

Im Streitfall ist aus dem Beschluss der Aussetzung der Vollziehung (AdV) vom 14. April 2004 und dem angefochtenen Urteil erkennbar, dass das FG die im AdV-Beschluss angeführten, zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Lohnsteuer-Nachforderung führenden Kriterien erwogen, ihnen bei der abschließenden Entscheidung jedoch keine ausschlaggebende Bedeutung zugemessen hat. Das FG hat darüber hinaus im Urteil die seiner Auffassung nach ausschlaggebenden Gründe angegeben. Das ist nicht zu beanstanden.

b) Auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO) liegt nicht vor. Eine verfahrensfehlerhafte Überraschungsentscheidung liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf nicht hätte rechnen können (vgl. BFH-Beschluss vom 6. August 2004 II B 69/03, BFH/NV 2004, 166).

So liegen die Verhältnisse im Streitfall jedoch nicht. Zwar mag die Klägerin überrascht gewesen sein, dass das FG den im summarischen Verfahren geäußerten Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides im Urteil keine ausschlaggebende Bedeutung zugemessen hat; eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt darin jedoch nicht. Denn für das rechtliche Gehör ist maßgeblich, ob die Klägerin Gelegenheit hatte, sich zu dem dem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern (vgl. Tipke/ Kruse, a.a.O., § 96 FGO Rz. 111, m.w.N.). Dass es daran gefehlt haben könnte, ergibt sich aus der Beschwerde nicht. Vielmehr bestätigt gerade auch der AdV-Beschluss vom 14. April 2004, dass das FG die von der Klägerin für ausschlaggebend gehaltenen Gesichtspunkte zur Kenntnis genommen und erwogen hat.

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