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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.09.1999
Aktenzeichen: VI B 397/98
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 51 Abs. 1
FGO § 51 Abs. 1 Satz 1
FGO § 113 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 45 Abs. 1
ZPO § 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt mit seiner Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzung 1994 den Abzug von 927,72 DM als Werbungskosten, die als Schadensersatz aufgrund eines Unfalls an einen Dritten gezahlt wurden. Im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens beantragte er Akteneinsicht, die ihm der zuständige Beamte der Geschäftsstelle des Finanzgerichts (FG) hinsichtlich der Gerichtsakten am 31. Oktober 1996 gewährte. Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) mit Schreiben vom 6. Januar 1997 die Steuerakten dem FG vorgelegt hatte, teilte der Berichterstatter, Richter am FG R, dem Kläger mit, die Steuerakten könnten nunmehr bei dem zuständigen Beamten eingesehen werden, eine vorherige telefonische Terminabsprache sei aber erforderlich. Ein Termin für die Akteneinsicht kam zunächst nicht zustande. Daraufhin lehnte der Kläger den Berichterstatter wegen Befangenheit ab. Er begründet das Ablehnungsgesuch damit, er halte den Berichterstatter für intellektuell so bewandert, daß er einen Akteneinsichtstermin innerhalb eines Monats bestätigen könne. Des weiteren könne er sich keine unbefangene Verhandlung vorstellen, wenn der Berichterstatter mit ihm, dem Kläger, nicht mehr sprechen wolle. Der zuständige Senat des FG wies den Befangenheitsantrag mit dem angefochtenen Beschluß unter Mitwirkung des Richters am FG R als rechtsmißbräuchlich zurück. Das von dem Kläger beanstandete Verhalten des Berichterstatters könne vernünftigerweise kein Mißtrauen gegen dessen Unparteilichkeit hervorrufen.

Mit seiner Beschwerde gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs macht der Kläger geltend, trotz mehrmaliger Bitten sei es ihm nicht möglich gewesen, Einsicht in die Steuerakten zu nehmen. Sein Antrag vom 28. Mai 1997 auf Akteneinsicht, in dem er als Termin den 4. Juli 1997 vorgeschlagen habe, sei erst verspätet beantwortet worden. Richter am FG R habe ihm zudem telefonisch zugesichert, die Steuerakten beim FA anzufordern. Dies sei nicht erfolgt bzw. der Richter habe dem FA Fristverlängerung für die Einreichung der Akten gewährt; er, der Kläger, sei darüber nicht informiert worden.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Der angefochtene Beschluß des FG ist nicht schon deshalb fehlerhaft, weil der abgelehnte Richter R an ihm mitgewirkt hat. Grundsätzlich ergehen zwar Entscheidungen über Ablehnungsanträge jeweils ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters (§ 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 45 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung --ZPO--). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung entscheidet aber der Spruchkörper einschließlich des abgelehnten Richters, wenn der Ablehnungsantrag rechtsmißbräuchlich ist. Das ist u.a. dann der Fall, wenn der gesamte Senat abgelehnt wird oder der Antrag offenbar grundlos ist und nur der Prozeßverschleppung dient (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Juli 1997 III B 56/96, BFH/NV 1998, 184, m.w.N.). Ob diese Voraussetzungen hier gegeben sind, kann dahinstehen. Denn selbst dann, wenn der Senat des FG wegen der Mitwirkung des abgelehnten Richters nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sein sollte, ist die Vorentscheidung deswegen nicht aufzuheben. Als zur Ermittlung des Sachverhalts und dessen Würdigung befugtes Beschwerdegericht darf der erkennende Senat in der Sache selbst entscheiden (ständige Rechtsprechung, s. BFH-Beschluß vom 14. August 1998 X B 5/98, BFH/NV 1999, 327, m.w.N.).

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nur abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Ein derartiger Grund ist gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus, jedoch nach Maßgabe einer vernünftigen objektiven Betrachtung, davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden. Unerheblich ist, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (vgl. BFH-Beschluß vom 18. Dezember 1998 III S 7/98, BFH/NV 1999, 945, m.w.N.). Verfahrensverstöße oder sonstige Rechtsfehler eines Richters bilden --selbst wenn sie objektiv vorliegen-- nicht ohne weiteres einen Ablehnungsgrund. Sie können allerdings eine Besorgnis der Befangenheit ausnahmsweise dann rechtfertigen, wenn Gründe dargetan sind, die dafür sprechen, daß die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten beruht (BFH-Beschluß in BFH/NV 1999, 327, m.w.N.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt ein Ablehnungsgrund gegen den Berichterstatter, Richter am FG R, nicht vor. Der abgelehnte Richter hatte dem Kläger mit Schreiben vom 8. Januar 1997 mitgeteilt, daß das FA die Steuerakten nunmehr übersandt habe und diese bei den zuständigen Beamten nach vorheriger telefonischer Terminabsprache eingesehen werden könnten. Damit hat er alles erforderliche getan, um dem Kläger die Einsichtnahme in die Steuerakten zu ermöglichen. Wenn trotz dieser Mitteilung zunächst eine Terminabsprache nicht zustande kam, begründet dieser Umstand bei vernünftiger objektiver Betrachtung nicht die Besorgnis der Befangenheit des Berichterstatters. Auch der Umstand, daß der Berichterstatter dem Kläger --wie sich aus der dienstlichen Äußerung des Berichterstatters ergibt-- empfohlen hat, er möge weitere Eingaben schriftlich machen, begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit. Denn grundsätzlich haben die Beteiligten im finanzgerichtlichen Verfahren keinen Anspruch darauf, daß der Berichterstatter mit ihnen wiederholt und einseitig --außerhalb eines Erörterungstermins bzw. der mündlichen Verhandlung-- ihren Fall erörtert, zumal eine solche Erörterung bei anderen Beteiligten die Besorgnis der Befangenheit erregen könnte. Jedenfalls begründet die Anregung, Eingaben in Zukunft schriftlich zu machen, noch nicht die Besorgnis einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem Beteiligten.

Im übrigen wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen (§ 113 Abs. 2 Satz 3 FGO).

Ende der Entscheidung

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