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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 19.12.2003
Aktenzeichen: VI B 95/00
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, AO 1977, BSHG


Vorschriften:

FGO § 128 Abs. 2
ZPO § 114
AO 1977 § 227
BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde, die sich gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren richtet, ist zulässig und begründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Der ablehnende Beschluss des Finanzgerichts (FG) über den Antrag auf Bewilligung von PKH ist vor dem 1. Januar 2001 bekannt gegeben worden. § 128 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze findet keine Anwendung.

2. Im Hinblick auf den Erlass der Einkommensteuer 1996 hat die Vorinstanz zu Unrecht die hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage verneint (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung --ZPO--).

a) Hinreichende Erfolgsaussichten i.S. des § 114 ZPO sind bereits dann zu bejahen, wenn es in dem Hauptsacheverfahren, für das PKH beantragt worden ist, um Rechtsfragen geht, die nicht eindeutig geklärt sind; denn das PKH-Verfahren dient nicht dem Zweck, zweifelhafte Rechtsfragen abschließend zu entscheiden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 5. Februar 2003 1 BvR 1526/02, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2003, 720, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2003, 1857; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. April 2000 VI B 182/99, BFH/NV 2000, 1325; vgl. auch Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 142 FGO Tz. 46, m.w.N.).

b) Das FG hat die Ablehnung der PKH nach summarischer Prüfung damit begründet, dass der Beklagte (das Finanzamt --FA--) den Erlass der Einkommensteuer 1996 aus persönlichen Gründen ermessensfehlerfrei abgelehnt habe. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, das FA habe zutreffend darauf abgestellt, dass die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) das von ihr selbst bewohnte Haus hätte veräußern können, um ihre Steuerschulden zu begleichen; da sie insoweit über verwertbares Vermögen verfüge, sei sie nicht erlassbedürftig.

Richtig ist, dass ein Steuerpflichtiger, der den Erlass von Steuerschulden nach § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) aus persönlichen Billigkeitsgründen begehrt und sich dabei auf eine finanzielle Notlage beruft, zur Begleichung seiner Schulden grundsätzlich auf alle vorhandenen Vermögenswerte zurückgreifen muss (BFH-Urteil vom 27. Februar 1991 XI R 23/88, BFH/NV 1991, 430, m.w.N.; Tipke/Kruse, a.a.O., § 227 AO 1977 Tz. 101). Fraglich erscheint aber, ob dies ohne weiteres auch für ein von dem Steuerpflichtigen selbst bewohntes Haus gilt. Der III. Senat des BFH hat in diesem Zusammenhang auf die Regelung des § 88 Abs. 2 Nr. 7 des Bundessozialhilfegesetzes verwiesen, derzufolge (auch) die Sozialhilfe nicht von dem Einsatz oder der Verwertung eines "angemessenen Hausgrundstückes" abhängig gemacht werden dürfe (BFH-Urteil vom 23. März 1999 III R 46/98, BFH/NV 1999, 1465, 1466). In der Literatur ist dieser Gedanke aufgegriffen worden (vgl. von Groll in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 227 AO 1977 Rz. 298; Tipke/Kruse, a.a.O., § 227 AO 1977 Tz. 101; kritisch insoweit Klein/Rüsken, Abgabenordnung, § 163 Rz. 89).

Aufgrund des hier maßgeblichen summarischen Prüfungsmaßstabs kann ein Erfolg der --im Klageverfahren bisher nicht vertretenen-- Antragstellerin nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Im Hinblick auf die Bedeutung des PKH-Verfahrens für die Verwirklichung des Rechtsschutzes und insbesondere der Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG-- i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2003, 720, NJW 2003, 1857) durfte die vorliegende Streitfrage weder abschließend entschieden noch an die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung überspannte Anforderungen gestellt werden (vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 7. April 2000 1 BvR 81/00, NJW 2000, 1936).

3. Der Antragstellerin ist aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse PKH ohne Ratenzahlung zu bewilligen. Der Senat hält es für angebracht, der Antragstellerin auf ihren Antrag hin ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten beizuordnen (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO).

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