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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.01.2004
Aktenzeichen: VI R 100/02
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erzielt als Außendienstmitarbeiter im Stahlhandel Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er nutzt ein häusliches Arbeitszimmer im eigenen Einfamilienhaus. Dort fertigt er seine Tagesberichte, nimmt Bestellungen auf und erstellt Verkaufsstatistiken (etc.). Der Kläger benötigt hierfür ca. 30 Stunden monatlich. Etwa 190 Stunden pro Monat nehmen die Kundenbesuche in Anspruch. Üblicherweise beginnt der Kläger seine Reisen zwischen 7.00 Uhr und 7.30 Uhr und kehrt zwischen 17.00 Uhr und 17.30 Uhr zurück. Die Niederlassung des Arbeitgebers (Entfernung von der Wohnung: ca. 13 km) suchte der Kläger in den Streitjahren 1996 bis 1998 an etwa 3 bis 4 Freitagen monatlich zur Berichterstattung oder zur Teilnahme an Sitzungen mit den Abteilungsleitern auf - in 1996 und 1997 an jeweils 35 Tagen und in 1998 an 24 Tagen. An diesen Tagen konnte der Kläger in dem Großraumbüro der Niederlassung einen Schreibtisch nutzen, der in der übrigen Zeit einem Auszubildenden zugewiesen war. Im Anschluss an die freitäglichen Sitzungen plante der Kläger dort seine Besuche für die nächste Woche. Die hierfür benötigten Unterlagen brachte der Kläger aus seinem häuslichen Arbeitszimmer mit. In dem Büro des Arbeitgebers bewahrte der Kläger keine Arbeitsunterlagen auf. Das Büro war arbeitstäglich von 7.45 Uhr bis 16.15 Uhr geöffnet bzw. freitags nur bis 14.15 Uhr. Der Arbeitgeber hatte dem Kläger für das häusliche Arbeitszimmer eine Telefonanlage mit Telefax und Anrufbeantworter zur Verfügung gestellt. Die vom Kläger zu bearbeitenden Posteingänge leitete der Arbeitgeber an die Wohnungsanschrift weiter. Eilige Sachen wurden dorthin gefaxt.

Die jährlichen Kosten des häuslichen Arbeitszimmers machte der Kläger jeweils in Höhe von 2 400 DM als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte diese Aufwendungen nicht an. Die dagegen gerichtete Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass die Kosten des häuslichen Arbeitszimmers in der geltend gemachten Höhe zu berücksichtigen seien. Dem Kläger habe bei seinem Arbeitgeber kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 298 veröffentlicht.

Mit der Revision macht das FA geltend, das FG habe § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) unzutreffend ausgelegt. Das FA trägt im Wesentlichen vor, dass ein anderer Arbeitsplatz dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehe, wenn es ihm bei objektiver Betrachtung möglich sei, die ihm obliegenden Aufgaben an seiner Arbeitsstätte zu erfüllen. Dem Kläger habe in den Jahren 1996 und 1997 an jeweils 35 Tagen und in dem Jahr 1998 an 24 Tagen ganztags am Betriebssitz ein Schreibtisch zur Verfügung gestanden, an dem er die anfallenden Büroarbeiten habe erledigen können. Dieser Umstand schließe die steuerliche Berücksichtigung eines häuslichen Arbeitszimmers aus.

Das FA beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger treten der Revision entgegen.

II. Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat zutreffend die Kosten des häuslichen Arbeitszimmers in Höhe von 2 400 DM pro Streitjahr als Werbungskosten anerkannt.

1. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind (u.a.) dann als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn dem Steuerpflichtigen für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 Alternative 2 EStG). Die Höhe der abziehbaren Aufwendungen ist in diesem Fall auf 2 400 DM begrenzt (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 1 EStG - in der für die Streitjahre geltenden Fassung).

Der Rechtsprechung des Senats zufolge ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der sich zur Erledigung büromäßiger Arbeiten eignet, ein "anderer Arbeitsplatz" im Sinne der Abzugsbeschränkung. Er steht allerdings nur dann "für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit ... zur Verfügung", wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Urteile des Senats vom 7. August 2003 VI R 17/01 (BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78), VI R 16/01 (BFHE 203, 128, BStBl II 2004, 77), VI R 162/00 (BFHE 203, 124, BStBl II 2004, 83), VI R 118/00 (BFHE 203, 122, BStBl II 2004, 82) und VI R 41/98 (BFHE 203, 119, BStBl II 2004, 80) Bezug genommen.

2. Das FG hat festgestellt, dass der Arbeitgeber des Klägers für seine Außendienstmitarbeiter keine eigenen Arbeitsplätze vorgehalten hat. Der Schreibtisch im Büro des Arbeitgebers, auf den sich das FA bezieht, war einem Auszubildenden zugewiesen und konnte von dem Kläger nur dann genutzt werden, wenn er sich freitags zu Besprechungen bzw. Berichterstattungen dort aufhielt. Für die Vor- und Nachbereitung der Kundenbesuche stand dem Kläger dieser Schreibtisch, auch wegen der eingeschränkten Öffnungszeiten des Büros, nicht zur Verfügung. In den Entscheidungsgründen heißt es dazu weiter, der Streitfall unterscheide sich damit von Formen moderner Büroorganisation, in denen der Arbeitgeber aus Kostengründen weniger Büroarbeitsplätze vorhalte, als Beschäftigte vorhanden seien, gleichwohl aber alle Beschäftigten --soweit erforderlich-- jederzeit Zugriff auf einen Schreibtisch hätten.

Vor diesem Hintergrund geht das FG zutreffend davon aus, dass der dem Kläger zeitweise überlassene Arbeitsplatz die Berücksichtigung der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht ausschließt; denn dieser Arbeitsplatz stand dem Kläger für einen Teilbereich seiner beruflichen Tätigkeit (das tägliche Fertigen von Tagesberichten und Verkaufsstatistiken etc.) nicht zur Verfügung. Der Streitfall kann daher insbesondere auch nicht mit dem Urteil des Senats in BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78 verglichen werden; denn dort standen den Außendienstmitarbeitern Arbeitsplätze grundsätzlich in ausreichendem Maße zur Verfügung, wenn auch ohne individuelle Zuordnung.

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