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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.03.2002
Aktenzeichen: VI R 103/00
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 105 Abs. 5
EStG § 3c
EStG § 3 Nr. 12
EStG § 3 Nr. 12 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war bis Ende Mai 1991 als Bundesbeamtin in B tätig. Vom 1. Juni bis zum 30. November 1991 war sie an eine Landesbehörde in A abgeordnet, zum 1. Dezember 1991 wurde sie in den Dienst des Landes Sachsen-Anhalt versetzt. Für die Monate Juni bis Dezember 1991 erhielt die Klägerin neben ihren sonstigen Dienstbezügen entsprechend der Richtlinie des Bundesministers des Inneren (BMI) vom 17. April 1991 eine nach § 3 Nr. 12 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als steuerfrei behandelte Aufwandsentschädigung von monatlich 1 700 DM (insgesamt 11 900 DM). Die genannte Richtlinie lautet u.a.:

"I. Besoldungsempfänger des Bundes

1. Besoldungsempfänger des Bundes, denen für mindestens vier Wochen ... eine dienstliche Tätigkeit bei einer Dienststelle des Bundes oder im Wege der Abordnung bei einer Dienststelle eines Landes im Beitrittsgebiet übertragen ist und die einer Dienststelle des Bundes, die ihren Sitz außerhalb des Beitrittsgebiets hat, angehören oder angehörten, erhalten wegen der mit dem Aufenthalt im Beitrittsgebiet verbundenen besonderen Aufwendungen im Rahmen der Zweckbestimmung der bei Kap. 6003 Titel 547 01 veranschlagten Mittel eine pauschalierte monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe des sich aus der Anlage 1 ergebenden Betrages. Die Aufwandsentschädigung wird nicht gewährt bei Tätigkeiten, die im Rahmen einer Dienstreise ausgeübt werden ... Die Aufwandsentschädigung wird ferner nicht gewährt, wenn der Besoldungsempfänger täglich zu seinem bisherigen Wohnort außerhalb des Beitrittsgebietes zurückkehrt oder ihm die tägliche Rückkehr zuzumuten ist. ... Die Aufwandsentschädigung ist nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei. ..."

Für das Jahr 1991 machte die Klägerin u.a. Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung (sie hatte eine Zweitwohnung in C bezogen) sowie Aufwendungen für Fahrten zwischen der Wohnung in C und der Arbeitsstätte in A als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ermittelte die Höhe dieser Aufwendungen mit 9 044 DM. Er berücksichtigte nur den Arbeitgeber-Pauschbetrag von 2 000 DM, weil auf die Werbungskosten die steuerfrei gezahlte Aufwandsentschädigung anzurechnen sei.

Den Einspruch der Klägerin gegen den Einkommensteuerbescheid 1991 wies das FA mit der Begründung zurück, die im Vergleich zu den Aufwandsentschädigungen geringeren Werbungskosten könnten nach § 3c EStG nicht steuermindernd berücksichtigt werden. Die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung und die Fahrten zwischen Zweitwohnung und Arbeitsstätte seien infolge der Abordnung bzw. Versetzung nach Sachsen-Anhalt entstanden. Wegen der Tätigkeit im Beitrittsgebiet habe die Klägerin die steuerfrei belassene Aufwandsentschädigung erhalten. Die Aufwendungen und die Aufwandsentschädigung hätten daher jeweils ihren Ursprung in der Tätigkeit für das Land Sachsen-Anhalt.

Die hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bezog sich gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Einspruchsentscheidung des FA und führte ergänzend aus, die gezahlte Aufwandsentschädigung sei trotz Verstoßes der zugrunde liegenden Vorschriften gegen das Gebot der Steuergerechtigkeit unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nach § 3 Nr. 12 EStG als steuerfrei zu behandeln (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 11. November 1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502). Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Aufwandsentschädigung bestehe darin, dass die Aufwandsentschädigung nach ihrer Zweckbestimmung dem Ausgleich der besonderen Aufwendungen dienen sollte, die durch den dienstlich begründeten Aufenthalt im Beitrittsgebiet verursacht waren, und die Aufwendungen der Klägerin ausnahmslos durch ihre Tätigkeit im Beitrittsgebiet veranlasst worden seien. Da diese Aufwendungen die erhaltene Aufwandsentschädigung nicht überstiegen, sei der Werbungskostenabzug insoweit zu verringern.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. § 3c EStG schließe den Werbungskostenabzug nicht aus, da kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Aufwandsentschädigung bestehe. Diese diene bereits nach amtlicher Begründung nur der Abgeltung der "besonderen Aufwendungen", die durch den Einsatz im Beitrittsgebiet verursacht seien. Der Hauptzweck der Zulage-Ost habe jedoch darin bestanden, einen finanziellen Anreiz zur Wiederaufbauhilfe im Beitrittsgebiet zu schaffen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid dahin zu ändern, dass weitere Werbungskosten in Höhe von 5 006 DM berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, aus den Gründen der Vorentscheidung die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Die von der Klägerin für den Zeitraum ihrer Tätigkeit im Beitrittsgebiet geltend gemachten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung sowie für Fahrten zwischen ihrer Zweitwohnung in Helmstedt und der Arbeitsstätte in Magdeburg stellen offensichtlich Werbungskosten dar. Das wird auch von dem FA nicht in Zweifel gezogen. Die Werbungskosten sind indessen weder in voller Höhe abziehbar noch, wie das FA meint, um die (gesamte) erhaltene Aufwandsentschädigung zu kürzen.

2. Gemäß § 3c EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung dürfen Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden. Bei der nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei an die Klägerin gezahlten Aufwandsentschädigung handelt es sich um eine steuerfreie Einnahme i.S. von § 3c EStG. Dem steht nicht der Umstand entgegen, dass das BVerfG § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG in seiner Anwendung auf im Jahre 1993 gezahlte Zulagen für Besoldungsempfänger des Bundes wegen ihrer Tätigkeit bei einer Dienststelle im Beitrittsgebiet für verfassungswidrig erklärt hat (Beschluss in BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502). Denn das BVerfG hat eine rückwirkende Anwendung seiner Entscheidung (d.h. die Aufhebung der Steuerfreiheit) aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ausgeschlossen, so dass daraus auch in den Fällen, in denen die Anrechnung steuerfrei gezahlter Aufwandsentschädigungen auf die Werbungskosten streitig ist, keine für die Steuerpflichtigen nachteiligen Folgerungen gezogen werden dürfen. Der Senat verweist insoweit auf Urteil vom 26. März 2002 VI R 26/00 (DStRE 2002, 950).

3. Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen steuerlich geltend gemachten Ausgaben und steuerfreien Einnahmen, wie ihn die Vorschrift des § 3c EStG erfordert, ist im Streitfall zum Teil gegeben.

a) Aus dem Erfordernis des unmittelbaren Zusammenhangs ergibt sich, dass solche Aufwendungen vom Abzug ausgeschlossen sind, die nach ihrer Entstehung oder Zweckbestimmung mit den steuerfreien Einnahmen in einem unlösbaren Zusammenhang stehen, d.h. ohne diese nicht angefallen wären. Dabei kommt es nicht auf einen finalen Zusammenhang zwischen den Ausgaben und den Einnahmen an. Ausreichend ist vielmehr die Feststellung einer erkennbaren und abgrenzbaren Beziehung.

b) Die Klägerin hat während ihrer Tätigkeit in B nur steuerpflichtige Einnahmen erzielt, so dass die darauf entfallenden Werbungskosten in vollem Umfang abzuziehen sind. Dagegen hat sie für ihre Tätigkeit im Beitrittsgebiet neben ihren steuerpflichtigen Grundbezügen die steuerfrei gezahlte Aufwandsentschädigung erhalten. Die Ausgaben für doppelte Haushaltsführung sowie Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hat sie zur Erzielung dieser Gesamteinnahmen aufgewendet. Der erforderliche Zusammenhang besteht damit auch zwischen der steuerfreien Aufwandsentschädigung und solchen Werbungskosten, die auch angefallen wären, wenn die Klägerin lediglich ihre steuerpflichtigen Dienstbezüge erhalten hätte. Da nach § 3c EStG Werbungskosten nicht abgezogen werden dürfen, "soweit" sie durch die Erzielung steuerfreier Einnahmen veranlasst sind, sind die auf den Zeitraum der Tätigkeit im Beitrittsgebiet vom 1. Juni bis 31. Dezember 1991 entfallenden Werbungskosten der Klägerin in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Teil aufzuteilen.

c) Der nicht abziehbare Teil der Werbungskosten ist nach dem Verhältnis zu bemessen, in dem die steuerfreien Einnahmen der Klägerin zu ihren Gesamteinnahmen aus der Tätigkeit im Beitrittsgebiet stehen (vgl. im Einzelnen dazu das Senatsurteil vom 26. März 2002 VI R 45/00, DStRE 2002, 1113).

4. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Der Senat kann die Aufteilung der Werbungskosten nicht selbst vornehmen, da das FG --von seinem Standpunkt aus folgerichtig-- keine Feststellungen zu den hierfür benötigten Einzelheiten getroffen hat. Für die Aufteilung der auf die Tätigkeit der Klägerin im Beitrittsgebiet entfallenden Werbungskosten ist festzustellen, welchen Arbeitslohn die Klägerin für ihre Tätigkeit in Sachsen-Anhalt bezogen hat. Der nicht abziehbare Teil der in diesem Zeitraum aufgewendeten Werbungskosten bestimmt sich nach dem Verhältnis der steuerfreien Aufwandsentschädigung zu den Gesamteinnahmen aus der Tätigkeit im Beitrittsgebiet.

Ende der Entscheidung

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