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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 13.04.1999
Aktenzeichen: VI R 192/98
Rechtsgebiete: FGO, GKG


Vorschriften:

FGO § 74
FGO § 76 Abs. 2
FGO § 62 Abs. 3
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2
FGO § 143 Abs. 2
GKG § 8
GKG § 8 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Nach erfolglosem Vorverfahren erhob der Prozeßvertreter (P) der Kläger und Revisionskläger (Kläger) in deren Namen Klage wegen Einkommensteuer 1987. Er beantragte unter anderem, bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens einen Kinderfreibetrag von 6 000 DM pro Kind zu berücksichtigen.

Nachdem das Finanzgericht (FG) ihm eine Frist mit ausschließender Wirkung zur Vorlage der Prozeßvollmacht gesetzt hatte, legte er eine von den Klägern unterschriebene Vollmacht vor. Die Vollmacht ist einem Schriftsatz angeheftet, in dem das Aktenzeichen des finanzgerichtlichen Verfahrens, die Prozeßbeteiligten und das Streitjahr "Einkommensteuer 1987" genannt sind. Die Vollmacht ermächtigt P, die Kläger in ihren Steuer- und Buchführungsangelegenheiten vor allen Gerichten, Finanzämtern, Steuer- und sonstigen Behörden zu vertreten und gerichtliche und außergerichtliche Rechtsbehelfe einzulegen. Nach einer zwischenzeitlichen Aussetzung des Gerichtsverfahrens nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) forderte das FG P erneut unter Fristsetzung auf, eine schriftliche, vom FG vorformulierte Bestätigung zur Prozeßvollmacht dahingehend vorzulegen, daß die Kläger mit der Klageerhebung einverstanden seien. In dem Anschreiben erläuterte das FG, es hätten sich wiederholt Kläger mit der Behauptung an das Gericht gewandt, P sei zur Klageerhebung nicht befugt gewesen. Es dränge sich der Verdacht eines Mißbrauchs der vorgelegten Blankovollmacht im Hinblick auf die ungewöhnliche und keinerlei erfolgversprechende Prozeßführung auf.

Da die Bestätigung nicht einging, wies das FG mit dem angefochtenen Urteil die Klage als unzulässig ab. Die von P vorgelegte Vollmacht reiche nicht aus. Eine Vollmachtsurkunde, die sich nicht auf eine bestimmte Steuerart und einen bestimmten Veranlagungszeitraum beziehe, könne in der Regel nicht als Dauerprozeßvollmacht für alle möglichen Veranlagungszeiträume, Verfahrensabschnitte und Steuerarten verstanden werden. Zwar könne der notwendige Bezug einer nicht näher konkretisierten Generalvollmacht --ebenso wie der einer Blankovollmacht und eines unvollständig ausgefüllten Vollmachtsformulars-- von dem Prozeßbevollmächtigten selbst dadurch sichergestellt werden, daß er das betreffende Vollmachtsformular einem zu einem bestimmten Verfahren eingereichten Schriftsatz anhefte. Dadurch entstehe eine wirksame Prozeßvollmacht aber nur, wenn der Prozeßbevollmächtigte von seinem Mandanten zu einer solchen Vervollständigung bzw. Ergänzung der Vollmachtsurkunde ermächtigt sei. Es sei nicht feststellbar, ob die Kläger bei Übergabe des Vollmachtsformulars eine solche Ermächtigung erteilt haben. Das Verfahren des BFH VI R 88/97 sei schon vom Sachverhalt her mit dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbar.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung der Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sowie der §§ 76 Abs. 2 und 62 Abs. 3 FGO.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen sowie die Kosten des Revisionsverfahrens gemäß § 8 des Gerichtskostengesetzes (GKG) der Staatskasse aufzuerlegen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

1. Die Revision ist zulässig. P hat zwar für das Revisionsverfahren keine besondere Vollmacht vorgelegt. Nach der im Klageverfahren vorgelegten Vollmacht ist er jedoch sowohl zur Prozeßführung vor dem FG als auch zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen das erstinstanzliche Urteil bevollmächtigt.

2. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat die Klage zu Unrecht mangels Vorlage einer wirksamen Vollmacht als unzulässig abgewiesen.

Der Senat hat mit Urteil vom 27. Februar 1998 VI R 88/97 (BFHE 185, 126, BStBl II 1998, 445) entschieden, daß eine Vollmacht, die ihrem Wortlaut nach der im Klageverfahren vorgelegten Vollmacht entspricht, den Anforderungen des § 62 Abs. 3 FGO genügt. An dieser Rechtsauffassung, wegen deren Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen auf das erwähnte Urteil verwiesen wird, hält der Senat auch für den Streitfall fest. Eine davon abweichende Entscheidung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Vollmachtsurkunde im Streitfall nicht --wie die Vollmachtsurkunde in dem am 27. Februar 1998 entschiedenen Fall-- durch einen Stempelaufdruck und handschriftliche Zusätze ergänzt ist. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung in BFHE 185, 126, BStBl II 1998, 445 darauf hingewiesen, daß es bei sog. Blankovollmachten genügt, wenn der Prozeßbevollmächtigte die Vollmachtsurkunde zwar unvollständig beläßt, aber einem dem FG übersandten Schriftsatz beiheftet, der den Rechtsstreit genau bezeichnet. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Aus der Nichtvorlage der "Bestätigung zur Prozeßvollmacht" durfte das FG nicht folgern, die Kläger hätten die Vollmacht widerrufen oder im Innenverhältnis dahin beschränkt, daß P zur Prozeßführung im Streitfall nicht berechtigt sei. Der Klageantrag, einen höheren Kinderfreibetrag zu gewähren, war sachdienlich. Bloße Mutmaßungen über eine mißbräuchliche Verwendung der Vollmacht genügen für die Nichtanerkennung nicht (Senatsurteil vom 16. September 1998 VI R 37/98, BFH/NV 1999, 485).

3. Da das FG die Ordnungsmäßigkeit der Prozeßvollmacht zu Unrecht verneint und insoweit die Voraussetzung für eine Sachentscheidung fehlerhaft beurteilt hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO. Von der Erhebung der Gerichtskosten für das Revisionsverfahren kann nicht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG abgesehen werden. Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur vor, wenn das Gericht gegen eine eindeutige gesetzliche Norm verstoßen hat und der Verstoß offen zutage tritt. Die abweichende Beurteilung einer Verfahrensfrage genügt regelmäßig nicht (vgl. BFH-Beschluß vom 3. August 1998 V E 2/98, BFH/NV 1999, 72; Hartmann, Kostengesetze, 28. Aufl., § 8 GKG Rz. 8 b).

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