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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.07.2003
Aktenzeichen: VI R 20/02
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob das häusliche Arbeitszimmer des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bildet.

Der Kläger ist als Diakon nichtselbständig tätig. Für das Streitjahr (1999) machte er u.a. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 3 371 DM als Werbungskosten geltend. Bei seinem Arbeitgeber stand ihm kein Arbeitsplatz zur Verfügung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte diese Aufwendungen nur in Höhe von 2 400 DM an. Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass das häusliche Arbeitszimmer des Klägers im Streitjahr nicht den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Betätigung gebildet habe. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 527 veröffentlicht.

Mit der Revision bringen der Kläger und seine Ehefrau (die Klägerin) vor, das FG habe § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG unzutreffend ausgelegt. Zwar habe das FG dem Kläger zugestanden, dass dieser möglicherweise bis zu 60 oder 70 v.H. seiner gesamten Arbeitszeit im häuslichen Arbeitszimmer verbringe; gleichwohl sei ihm der unbeschränkte Werbungskostenabzug versagt worden. Darüber hinaus habe das FG nicht berücksichtigt, dass ein Diakon seine gesamte berufliche Tätigkeit ohne ein häusliches Arbeitszimmer und insbesondere ohne die häuslichen Vorbereitungsarbeiten überhaupt nicht ausüben könne.

Die Kläger beantragen, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 4. Juli 2000 dahin gehend zu ändern, dass über die bereits anerkannten Werbungskosten hinaus weitere 971 DM bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt werden.

Das FA tritt der Revision entgegen.

II. Die Revision der Kläger ist unbegründet.

Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden, dass das Arbeitszimmer des Klägers nicht den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Betätigung bildet.

a) Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der seinen Beruf teilweise im Arbeitszimmer und teilweise außer Haus ausübt, bildet den Betätigungsmittelpunkt im Sinne der Abzugsbeschränkung, wenn dort die für den ausgeübten Beruf wesentlichen und prägenden Tätigkeiten verrichtet werden ("qualitativer" Mittelpunkt - Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. November 2002 VI R 82/01, BFHE 201, 93, BFH/NV 2003, 688; vom 13. November 2002 VI R 104/01, BFHE 201, 100, BFH/NV 2003, 691; vom 13. November 2002 VI R 28/02, BFHE 201, 106, BFH/NV 2003, 693; vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BFH/NV 2003, 859; vom 9. April 2003 X R 75/00, BFH/NV 2003, 917; vom 29. April 2003 VI R 78/02, BFH/NV 2003, 1117). Dies zu beurteilen obliegt nach der Rechtsprechung des Senats in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz.

Der Senat hat insbesondere entschieden, dass ein häusliches Arbeitszimmer auch dann Mittelpunkt im Sinne der Abzugsbeschränkung sein kann, wenn die außerhäuslichen Tätigkeiten zeitlich überwiegen (BFH in BFH/NV 2003, 691, 692 - unter II. 1. d). Überwiegen hingegen zeitlich --wie im Streitfall-- die im häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten, so folgt (umgekehrt) allein aus diesem Umstand noch nicht, dass dort der Betätigungsmittelpunkt liegt.

Der Senat hat darüber hinaus auch erkannt, ein häusliches Arbeitszimmer werde nicht (schon) dadurch zum Betätigungsmittelpunkt, dass die dort verrichteten Tätigkeiten für die Ausübung eines Berufes unerlässlich sind (s. hierzu BFH in BFH/NV 2003, 691, 692 - unter II. 1. e).

b) Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die Entscheidung des FG nicht zu beanstanden.

aa) Das FG hat festgestellt, dass der Kläger seine Tätigkeit als Diakon im Streitjahr teilweise im häuslichen Arbeitszimmer und teilweise an wechselnden Orten in der Gemeinde verrichtet hat. In dem Urteil heißt es dazu, das Gericht verkenne nicht, dass der Kläger umfangreiche Vor- und Nachbereitungstätigkeiten im häuslichen Arbeitszimmer zu verrichten habe und dort auch viele Gespräche mit Gemeindemitgliedern --etwa vor Trauungen, Taufen oder vor Beerdigungen-- sowie sonstige Vertrauensgespräche stattgefunden hätten. Gleichwohl müsse im Streitfall berücksichtigt werden, dass der Kläger als Seelsorger durch sein Auftreten in der Kirche, auf Friedhöfen, in Krankenhäusern und Seniorenheimen, auf Pfarrversammlungen, Ausschusssitzungen und ähnlichen Veranstaltungen in berufstypischer Art und Weise seine Gemeinde repräsentiere und dabei seine Aufgaben im unmittelbaren Außenkontakt vor Ort erbringe. Bei einer qualitativen, auf das funktionale und charakteristische Tätigkeitsbild eines Pfarrers oder Diakons abstellenden Betrachtungsweise seien es diese Tätigkeiten, die seinen Beruf prägten.

Das FG bestimmt damit den Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit anhand von qualitativen Kriterien, die den Vorgaben des Senats in den genannten Entscheidungen entsprechen. Das auf dieser Grundlage gewonnene Ergebnis ist rechtlich vertretbar und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

bb) Dagegen wirken sich die --unzutreffenden-- rechtlichen Ausführungen des FG zu der Frage, welche Bedeutung dem zeitlichen Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers in diesem Zusammenhang zukommt, auf das Ergebnis der Entscheidung nicht aus.



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