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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.12.2008
Aktenzeichen: VI R 34/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 8 Abs. 1
EStG § 8 Abs. 2 S. 2
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
EStG § 38 Abs. 1 S. 1
EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1
1. Ein Fahrzeug, das aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich nur zur Beförderung von Gütern bestimmt ist, unterfällt nicht der Bewertungsregelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG (1%-Regelung).

2. Ob ein Arbeitnehmer ein solches Fahrzeug auch für private Zwecke eingesetzt hat, bedarf der Feststellung im Einzelnen. Die Feststellungslast obliegt dem FA. Dieses kann sich nicht auf den sog. Beweis des ersten Anscheins berufen.


Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt ein Unternehmen für ... . Ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer A stellte die Klägerin zwei Firmenfahrzeuge zur Verfügung, einen Opel Astra und einen Opel Combo. Letzterer ist ein zweisitziger Kastenwagen, dessen fensterloser Aufbau mit Materialschränken und -fächern sowie Werkzeug ausgestattet und mit einer auffälligen Beschriftung versehen ist.

Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) für die Streitjahre 2001 und 2002 gegen die Klägerin Haftungsbescheide wegen der auf die private Nutzung des Opel Astra entfallenden Lohnsteuer. Auf den Einspruch der Klägerin änderte das FA nach entsprechendem Hinweis die angefochtenen Bescheide, indem es nunmehr für beide Fahrzeuge einen privaten Nutzungswert von 1% des Listenpreises sowie zusätzlich für den Opel Combo 0,03% des Listenpreises pro Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ansetzte.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Haftungsbescheide dahingehend zu ändern, dass wegen der Überlassung des Opel Combo von einer Besteuerung nach der 1%-Regelung abgesehen wird.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage teilweise stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Auffassung des FG kommt § 8 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht zur Anwendung, soweit die Nutzung des Opel Combo für private Fahrten betroffen ist.

Gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Die Lohnsteuer wird bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erhoben, soweit der Arbeitslohn von einem inländischen Arbeitgeber gezahlt wird (§ 38 Abs. 1 Satz 1 EStG). Der Haftungstatbestand ist, soweit es um die private Nutzung des Opel Combo geht, teilweise nicht erfüllt.

a)

Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle geldwerten Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Auch die unentgeltliche bzw. verbilligte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zum Lohnzufluss (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. November 2001 VI R 62/96, BFHE 197, 142, BStBl II 2002, 370; vom 7. November 2006 VI R 19/05, BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116; VI R 95/04, BFHE 215, 252, BStBl II 2007, 269; vom 4. April 2008 VI R 68/05, BFHE 221, 17, BStBl II 2008, 890).

Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG gilt ab dem Veranlagungszeitraum 1996 für die Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG getroffene Regelung entsprechend; diese Nutzung ist daher für jeden Kalendermonat mit 1% des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen (1%-Regelung). Dieser Wert erhöht sich gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für jeden Kalendermonat um 0,03% des genannten Listenpreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Zuschlag), wenn das Fahrzeug für solche Fahrten genutzt werden kann.

b)

Das Einkommensteuergesetz definiert den Begriff "Kraftfahrzeug" weder in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 noch in § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG. Nach dem Wortlaut der Vorschriften wird von den Regelungen jedwedes zum Betriebsvermögen des Arbeitgebers rechnendes "Kraftfahrzeug" erfasst. Nach der Rechtsprechung des X. Senats des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, ist es nach Sinn und Zweck jedoch geboten, bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen, namentlich auch LKW, von der Anwendung der 1%-Regelung auszunehmen (BFH-Urteil vom 13. Februar 2003 X R 23/01, BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 21. Januar 2002, BStBl I 2002, 148, Tz. 1 am Ende). Unter dem Begriff LKW werden üblicherweise solche Kraftfahrzeuge erfasst, die nach ihrer Bauart und Einrichtung ausschließlich oder vorwiegend zur Beförderung von Gütern dienen (BFH-Entscheidungen in BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472; vom 21. August 2006 VII B 333/05, BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721, jeweils m.w.N.).

Im Streitfall ist der Opel Combo, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, kraftfahrzeugsteuer- und verkehrsrechtlich als LKW klassifiziert. Zwar ist nach der BFH-Entscheidung in BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472 diese Klassifizierung für die Feststellung des sachlichen Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG unmaßgeblich. Der Senat lässt offen, ob dieser Auffassung nach Aufhebung des § 23 Abs. 6a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (vgl. dazu BFH-Beschluss in BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721; Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 2 Rz 4; § 8 Rz 18i) gefolgt werden kann. Denn jedenfalls ist das Fahrzeug der Klägerin als Werkstattwagen aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich nur zur Beförderung von Gütern bestimmt. Ein Fahrzeug dieser Art wird allenfalls gelegentlich und ausnahmsweise auch für private Zwecke eingesetzt. Insbesondere die Anzahl der Sitzplätze (2), das äußere Erscheinungsbild, die Verblendung der hinteren Seitenfenster und das Vorhandensein einer Abtrennung zwischen Lade- und Fahrgastraum machen deutlich, dass das Fahrzeug für private Zwecke nicht geeignet ist (vgl. zu den Abgrenzungsmerkmalen Strodthoff, a.a.O., § 8 Rz 17a; 18h am Ende).

c)

Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht anwendbar. Ob ein Arbeitnehmer in einem solchen Fall das Fahrzeug für private Zwecke eingesetzt hat, ist im Einzelnen festzustellen; die Bewertung richtet sich nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG. Die Feststellungslast trifft das FA. Zwar spricht nach der Rechtsprechung des Senats bei Überlassung eines Dienstwagens an einen Arbeitnehmer aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung des Dienstwagens (vgl. BFH-Urteile in BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116, m.w.N.; vom 15. März 2007 VI R 94/04, BFH/NV 2007, 1302). Diese Grundsätze kommen jedoch nicht zur Anwendung, wenn es sich um ein Fahrzeug handelt, das typischerweise nicht zum privaten Gebrauch geeignet ist.

Im Streitfall liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass A das Fahrzeug tatsächlich privat genutzt hat.

Die Revision richtet sich nicht gegen die Anwendung der Zuschlagsregelung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG.

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