Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.11.2006
Aktenzeichen: VI R 36/02
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 118 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erzielte im Streitjahr 1999 als Lehrerin für das Fach Religion an einer katholischen Hauptschule Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Vom 29. September bis 8. Oktober 1999 nahm sie an einer von ihrer Schule organisierten Studienfahrt des 15-köpfigen Kollegiums nach Israel teil. Die Reise begann und endete in Tel Aviv und führte zu historisch und religionsgeschichtlich bedeutsamen Orten und Landschaften Israels. Ein Tag war vorgesehen für den Besuch der Partnerschule in N. Seit 1995 fand ein regelmäßiger Schüleraustausch zwischen den beiden Schulen statt. Die Bezirksregierung erklärte sich damit einverstanden, die letzten beiden Schultage vor den Herbstferien durch zwei bewegliche Ferientage und die Herbstferien des Streitjahres für die Reise zu nutzen. Die Schule bestätigte der Klägerin, dass die Studienfahrt im dienstlichen Interesse lag. Die Kosten der Reise beliefen sich auf 3 476 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die geltend gemachten Werbungskosten im streitigen Einkommensteuerbescheid nicht.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nach erfolglosem Einspruch statt. Der Studienreise nach Israel habe ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde gelegen, da sie im Rahmen des seit 1995 regelmäßigen Schüleraustauschs mit der israelischen Partnerschule in N stattgefunden habe. Die Klägerin und ihre Kollegen haben an einem Tag während der Reise ihre Partnerschule besucht und an den übrigen Reisetagen mit den Lehrern der Partnerschule in ständigem Kontakt gestanden. Die Reise habe mit Einverständnis der Bezirksregierung an den letzten beiden Schultagen vor den Herbstferien begonnen und nach einer Bestätigung der Schule in dienstlichem Interesse gelegen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 969 veröffentlicht.

Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zu verwerfen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Aufwendungen der Klägerin für die Studienreise nach Israel zu Unrecht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt.

1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegen Werbungskosten dann vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Beruf zusammenhängen und subjektiv zu dessen Förderung getätigt werden (zuletzt Urteile vom 22. Juni 2006 VI R 61/02, BStBl II 2006, 782; vom 19. Dezember 2005 VI R 65/04, BFH/NV 2006, 1075, und VI R 63/01, BFH/NV 2006, 728, jeweils m.w.N.).

Aufwendungen für eine Reise führen nur dann in voller Höhe zu Werbungskosten, wenn die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist (BFH-Urteile in BStBl II 2006, 782; vom 19. Dezember 2005 VI R 88/02, BFH/NV 2006, 730). Andernfalls sind die gesamten Reisekosten nicht abziehbar, soweit sich nicht ein durch den Beruf veranlasster Teil nach objektiven Maßstäben sicher und leicht abgrenzen lässt (BFH-Urteile vom 21. Oktober 1996 VI R 39/96, BFH/NV 1997, 469; vom 18. Oktober 1990 IV R 72/89, BFHE 162, 316, BStBl II 1991, 92, m.w.N.).

Die Beurteilung, ob eine Reise der beruflichen oder der privaten Sphäre zuzuordnen ist, richtet sich in erster Linie nach dem Zweck der Reise. Reisen, denen ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde liegt, sind in der Regel ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Verfolgung privater Interessen den Schwerpunkt der Reise bildet (BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 728; in BFH/NV 1997, 469; vom 14. Juli 1988 IV R 57/87, BFHE 154, 312, BStBl II 1989, 19). Als unmittelbaren beruflichen Anlass hat der BFH das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes, das Halten eines Vortrags auf einem Fachkongress, die Durchführung eines Forschungsauftrags oder die Absicht eines Künstlers, am Reiseziel wegen des dort vorhandenen landschaftlichen oder kulturellen Umfelds in einer seinem besonderen Malstil entsprechenden Arbeitsweise tätig zu werden, angesehen (vgl. Urteile in BFH/NV 2006, 728; vom 30. April 1993 VI R 94/90, BFHE 171, 242, BStBl II 1993, 674).

Gruppenreisen zu Studienzwecken, die lediglich allgemeiner Information dienen, liegt kein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde (vgl. BFH-Urteile vom 27. Juli 2004 VI R 81/00, BFH/NV 2005, 42; vom 27. August 2002 VI R 22/01, BFHE 200, 250, BStBl II 2003, 369; in BFH/NV 1997, 469; in BFHE 171, 242, BStBl II 1993, 674; Beschluss vom 19. Oktober 2004 VI B 110/04, BFH/NV 2005, 339). Aufwendungen für derartige Informationsreisen sind als Werbungskosten abziehbar, wenn die berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt und die Befriedigung privater Interessen wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises, nach Anlass, Programm und tatsächlicher Durchführung der Reise nicht ins Gewicht fällt und nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 2006, 782; in BFH/NV 2006, 730; vom 21. November 1997 VI R 24/97, BFH/NV 1998, 449, jeweils m.w.N.)

2. Die Entscheidung des FG, die geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten anzuerkennen, wird von den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht getragen. Die Feststellungen des FG lassen nicht den Schluss darauf zu, dass die Studienreise der Klägerin ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist.

Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen und den Senat daher nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat die Studienreise der Klägerin im Rahmen des seit 1995 regelmäßigen Schüleraustauschs mit der Partnerschule in N stattgefunden. Aus diesem Umstand leitet das FG die Schlussfolgerung ab, der Studienreise habe ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde gelegen.

Die Studienreise wurde als Gruppenreise vom gesamten Kollegium der katholischen Hauptschule unternommen. Der Senat hat einen unmittelbaren beruflichen Anlass der Teilnahme an einer Gruppenreise dann angenommen, wenn die Organisation und Durchführung dieser Reise Dienstaufgabe des damit betrauten Arbeitnehmers ist (Urteile in BFH/NV 2006, 728; in BFHE 200, 250, BStBl II 2003, 369). Eine solche Aufgabe hat die Klägerin im Rahmen der Studienreise nach den Feststellungen des FG nicht wahrgenommen.

Der Studienreise lag auch kein konkreter Bezug zur beruflichen Tätigkeit der Klägerin als Lehrerin an der Hauptschule zugrunde. Ein konkreter Bezug der Reise zur beruflichen Tätigkeit der Klägerin setzt nach der Rechtsprechung des Senats voraus, dass die Reise durch die besonderen Belange ihres Berufes und ihre spezielle Tätigkeit veranlasst war (Urteile vom 22. Januar 1993 VI R 64/91, BFHE 170, 528, BStBl II 1993, 612; vom 23. Oktober 1981 VI R 71/78, BFHE 134, 325, BStBl II 1982, 69). Dies wäre zu bejahen, wenn die Klägerin sich im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit unmittelbar mit dem Gegenstand der Studienreise zu befassen gehabt und die Reise diesen besonderen Zwecken gedient hätte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 170, 528, BStBl II 1993, 612).

Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin diente die Studienreise der Vorbereitung eines bevorstehenden Aufenthalts der Schüler ihrer Schule in Israel. Die Feststellungen des FG lassen jedoch nicht erkennen, welche konkrete Rolle der Klägerin innerhalb des Kollegiums bei der Organisation des Schüleraustausches zukam. Es ist zudem weder vorgetragen noch festgestellt worden, in welcher Weise die auf der Studienreise gewonnenen Erkenntnisse der Klägerin für den Aufenthalt der Schüler in Israel erforderlich waren und wie die Klägerin diese Erkenntnisse an die Schüler weiterzugeben plante. Der eintägige Besuch der Partnerschule und der ständige Kontakt zu deren Lehrpersonal an den übrigen Tagen der Studienreise begründen für sich noch keinen ausreichenden Bezug zur beruflichen Tätigkeit der Klägerin. Auch die Tatsache, dass die Reise von der Bezirksregierung als vorgesetzter Behörde unterstützt wurde, lässt einen Schluss auf besondere dienstliche Belange der Studienreise nicht zu (vgl. BFH-Urteil in BFHE 170, 528, BStBl II 1993, 612).

Die Studienreise diente vielmehr allgemeiner Information der Klägerin. Die Klägerin und ihre Kollegen hielten sich lediglich an einem Tag während der Studienreise in der Partnerschule auf. In der übrigen Zeit besuchten sie historisch und religionsgeschichtlich bedeutsame Orte und Landschaften Israels. Mit Ausnahme des Besuchs der Partnerschule unterschied sich das Programm der Reise nicht von einer allgemeintouristisch geprägten Gruppenreise. Der Senat hat bereits im Fall der Informationsreise einer Lehrerin an den Gardasee entschieden, dass eine solche Reise zur Vorbereitung einer Klassenfahrt zwar möglicherweise hilfreich gewesen sei, diesem beruflichen Aspekt aber wegen des fehlenden Nachweises der konkreten beruflichen Veranlassung der Reise bei der steuerlichen Einordnung der Reisekosten keine Bedeutung zukomme (Urteil in BFH/NV 2005, 42). Dies gilt im Streitfall in gleicher Weise für die Möglichkeit der Klägerin, auf der Studienreise gewonnene Eindrücke und Erkenntnisse für ihren Unterricht und die Vorbereitung des Aufenthalts der Schüler in Israel nutzbar zu machen. Als weiteres gewichtiges Indiz für die private Veranlassung der Studienreise kommt im Streitfall hinzu, dass die Reise vom gesamten Kollegium der Schule unternommen wurde.

3. Die Sache ist spruchreif. Da die berufliche Veranlassung im Streitfall vernachlässigt werden kann, ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Ende der Entscheidung

Zurück