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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.01.2005
Aktenzeichen: VI R 43/00
Rechtsgebiete: EStG, ArbEG


Vorschriften:

EStG § 34 Abs. 3 a.F.
EStG § 39b Abs. 3 Satz 9
EStG § 39b Abs. 3 Satz 10
ArbEG § 2 Abs. 1 Satz 1
ArbEG § 7 Abs. 1
ArbEG § 9
ArbEG § 9 Abs. 1
ArbEG § 9 Abs. 2
ArbEG § 16 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Streitig ist, ob Vergütungen von Arbeitnehmererfindungen einem begünstigten Steuersatz als außerordentliche Einkünfte unterliegen.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war als Industriemeister bei einem Großunternehmen der ... Industrie angestellt. Im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit hatte er verschiedene Erfindungen gemacht, die von dem Arbeitgeber verwertet wurden. Auf den Anspruch des Klägers auf Erfindervergütung leistete der Arbeitgeber seit 1984 unregelmäßige Abschlagszahlungen. Im Hinblick auf das Patent P ... erhielt der Kläger Zahlungen von 100 000 DM im Jahr 1988, 37 000 DM im Jahr 1990, 250 000 DM im Jahr 1994 sowie (nach endgültiger Einigung über die Höhe des Vergütungsanspruchs) entsprechend den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) eine Restzahlung von 774 699 DM im Jahr 1995.

Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1994 wurde der auf der Lohnsteuerkarte des Klägers als Arbeitslohn für mehrere Jahre bescheinigte Betrag von 250 000 DM zunächst gemäß § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der bis 1998 geltenden Fassung (EStG a.F.) ermäßigt besteuert. Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) von den näheren Umständen der Zahlungsvorgänge Kenntnis erlangt hatte, änderte er mit Bescheid vom 5. Juni 1996 den --unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen-- ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 1994 dahin gehend, dass die Erfindervergütung von 250 000 DM ohne Tarifvergünstigung der Steuer unterworfen wurde.

Mit dem Einspruch gegen den Änderungsbescheid brachte der Kläger vor, Erfindervergütungen seien nach § 34 Abs. 3 EStG a.F. zu besteuern. Die vom Arbeitgeber geleistete Nutzungsentschädigung sei die Entlohnung für die notwendige, mehrjährige erfinderische Tätigkeit. Das FA wies den Einspruch mit der Begründung zurück, Zahlungen für Arbeitnehmererfindungen stellten kein Entgelt für die geleistete Arbeit dar, die der Arbeitnehmer zur Verwirklichung seiner Erfindung habe erbringen müssen. Da das Verwertungsrecht an einer Betriebserfindung kraft Gesetzes auf den Arbeitgeber übergehe, habe dieser dem Arbeitnehmer den Erfindungswert zu ersetzen. Darüber hinaus seien die Zahlungen dem Kläger nicht zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zugeflossen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. November 1982 VI R 125/78, BFHE 137, 423, BStBl II 1983, 300).

Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG führte aus, die Zahlungen des Arbeitgebers an den Kläger für das Patent P ... seien als Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit des Klägers bis zur Einreichung und Gewährung des Patentes zu behandeln. Der hier streitige Betrag von 250 000 DM stelle auch eine zusammengeballt zufließende Vergütung i.S. des § 34 Abs. 3 EStG a.F. dar. Die Hauptvergütung für die mehrjährige Tätigkeit des Klägers sei in den Jahren 1994 (250 000 DM) und 1995 (774 000 DM) gezahlt worden, wobei die Verteilung auf zwei Jahre entsprechend dem BFH-Urteil vom 16. September 1966 VI 381/65 (BFHE 86, 760, BStBl III 1967, 2) unschädlich sei. Dass bereits in den Jahren 1988 (100 000 DM) und 1990 (37 000 DM) Zahlungen für das Patent geleistet worden seien, sei unerheblich, da diese Beträge im Verhältnis zu den Vergütungen der Jahre 1994 und 1995 geringfügig seien. Das finanzgerichtliche Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 370 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA, die Vorentscheidung verletze § 34 Abs. 3 EStG a.F. Das FG verkenne, dass eine Erfindervergütung zumindest dann, wenn sich ihre Höhe nach dem erzielten Umsatz bzw. einer angemessenen Tantieme bemesse, nicht als Vergütung für eine Tätigkeit angesehen werden könne. Sie stelle vielmehr das Entgelt für die Überlassung von Urheberrechten dar. Ferner komme eine Tarifermäßigung nach der Rechtsprechung grundsätzlich nur in Betracht, wenn die begünstigten Einkünfte dem Steuerpflichtigen innerhalb eines Kalenderjahres zufließen und deshalb eine Zusammenballung von Einkünften vorliege. Soweit in älteren Urteilen die Zahlung in zwei Jahren ausnahmsweise als unschädlich angesehen wurde, sei fraglich, ob hieran noch festgehalten werden könne. Es entspreche keineswegs dem Sinn der gesetzlichen Bestimmung, bei einer Verteilung der Zahlungen über mehrere Jahre gleichwohl die Tarifermäßigung zu gewähren.

Das FA beantragt, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Inanspruchnahme einer Arbeitnehmererfindung durch den Arbeitgeber begründe ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Leistung des Arbeitnehmererfinders bestehe in der permanenten Gewährung der Nutzungs- und Verwertungsrechte an der Erfindung. Mithin sei die dem Erfinder gezahlte Vergütung immer dann eine Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit, wenn dieses Dauerschuldverhältnis wie im Streitfall länger als ein Kalenderjahr andauere.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die dem Kläger zugeflossene Erfindervergütung war nicht gemäß § 34 Abs. 3 EStG a.F. ermäßigt zu besteuern.

1. Nach § 34 Abs. 3 EStG in der durch das Steuerreformänderungsgesetz vom 30. Juni 1989 (BStBl I 1989, 1267) eingeführten und bis zum Veranlagungszeitraum 1998 geltenden Fassung wird die Einkommensteuer auf Einkünfte, die die Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit sind, mit einem ermäßigten Steuersatz bemessen. Zweck der Vorschrift ist es, die Tarifprogression bei der Zusammenballung von Einkünften abzumildern, die typischerweise bei einer nachträglichen Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit eintritt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 10. Juni 1983 VI R 106/79, BFHE 138, 454, BStBl II 1983, 575). Zuwendungen werden "für" eine mehrjährige Tätigkeit gewährt, wenn eine solche mit ihnen abgegolten werden soll. Kann diese Zweckbestimmung nicht bereits aus dem Anlass der Zahlung geschlossen werden, muss sie den übrigen Umständen entnommen werden, wobei der Berechnung des Entgelts maßgebende Bedeutung zukommt (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1996 VI R 51/96, BFHE 182, 161, BStBl II 1997, 222; Mellinghoff in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 34 Rn. 46).

2. Entgegen der Ansicht des FG ist der streitige Betrag nicht als --neben den laufenden Arbeitslohn tretende-- Vergütung (Entlohnung) für eine mehrjährige, auf die Patentreife der Erfindung gerichtete Tätigkeit des Klägers zu beurteilen. Auf die Vergütung hatte der Kläger nach § 9 Abs. 1 des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG) vom 25. Juli 1957 (BGBl I, 756) einen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber. Denn aus den Feststellungen des FG, wonach der Kläger Erfindungen "für" den Arbeitgeber getätigt hatte und die streitige Vergütung nach dem sog. Lizenzanalogieverfahren bemessen wurde, ergibt sich, dass dem fraglichen Patent eine Diensterfindung zu Grunde lag, welche der Arbeitgeber unbeschränkt in Anspruch genommen hatte. Mit der Vergütung nach § 9 ArbEG werden jedoch nicht die vom Arbeitnehmererfinder im Hinblick auf die Erfindung geleisteten Arbeiten und Dienste honoriert, sondern es wird die dem Arbeitgeber kraft Gesetzes zugewachsene wirtschaftliche Monopolstellung abgegolten (Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. November 1980 X ZR 12/80, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht --GRUR-- 1981, 263 "Drehschiebeschalter"; Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindergesetz, 4. Aufl., Einl. vor §§ 9-12 Rz. 9; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 10. Aufl., § 115 Rdnr. 30; vgl. auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 1. Juli 1980 V 54/78, EFG 1980, 554). Das Gesetz knüpft die Vergütungspflicht an die Tatsache, dass der Arbeitgeber Dritte von der Benutzung der Erfindung ausschließen kann, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie große oder kleine Erfindungshöhe besitzt, ob sie als Ergebnis langwieriger Arbeiten oder dank eines glücklichen Zufalls zustandegekommen ist (Reimer/Schade/Schippel, Das Recht der Arbeitnehmererfindung, 7. Aufl., § 9 ArbEG Rz. 9). Die vom Arbeitnehmer für die Erfindung aufgewendete Zeit gehört nicht einmal zu den Merkmalen, die nach § 9 Abs. 2 ArbEG bei der Bemessung der Vergütung maßgebend sind.

3. Nicht zu folgen ist der Auffassung des Klägers, bei dem streitigen Betrag handele es sich im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses um eine Vergütung für die permanente, über ein Jahr hinausgehende Gewährung der Nutzungs- und Verwertungsrechte an der Erfindung. Diese Rechte waren nämlich nach § 7 Abs. 1 ArbEG bereits mit der unbeschränkten Inanspruchnahme der Diensterfindung auf den Arbeitgeber übergegangen, so dass für eine zusätzliche entgeltliche Nutzungsgestattung durch den Kläger kein Anlass und keine Möglichkeit mehr bestand. Dass unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 16 Abs. 1 ArbEG die Nutzungsrechte an einer Diensterfindung an den Arbeitnehmer-Erfinder zurückzuübertragen sind, ändert nichts an dem nach § 7 Abs. 1 ArbEG vollzogenen Rechtsübergang. Im Übrigen hätte, wenn die Rechtsansicht des Klägers zuträfe, die Höhe der Vergütung sich auch nach der Dauer der jeweils gewährten Nutzungsüberlassung richten müssen. Das war indessen nicht der Fall.

Der erkennende Senat teilt auch nicht die Ansicht des Klägers, dass der auf § 9 Abs. 1 ArbEG beruhende Vergütungsanspruch zunächst nur dem Grunde nach entstanden sei und dass der Kläger, um von seinem Arbeitgeber tatsächlich Zahlungen darauf zu erhalten, weitere Leistungen im Hinblick auf die Erfindung habe erbringen müssen. Diese Rechtsauffassung, die sich offenbar an den Einigungsvorschlag der Schiedsstelle nach dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen beim DPA vom 26. Februar 1993 - "Gießereimaschinen" (GRUR 1996, 49) anschließt, ist mit dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 ArbEG nicht zu vereinbaren (kritisch auch Bartenbach/Volz, Anmerkung in GRUR 1996, 54). Es kann zudem weder dem Vortrag des Klägers noch dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle entnommen werden, welche Leistungen der Arbeitnehmer-Erfinder nach der Inanspruchnahme der Diensterfindung gegenüber dem die Erfindung nutzenden Arbeitgeber effektiv erbringen müsste. Auch wenn ein Dauerschuldverhältnis zu bejahen sein sollte, ist jedenfalls nicht ersichtlich, inwiefern dieses sich zu einer mehrjährigen Tätigkeit des Arbeitnehmers i.S. von § 34 Abs. 3 EStG a.F. konkretisiert hätte, welche mit der Erfindervergütung abgegolten werden sollte.

4. Selbst wenn eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit vorläge, stünde dem Kläger die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 3 EStG a.F. nicht zu, weil es sich bei der streitigen Zahlung nicht um eine "zusammengeballt" erhaltene Vergütung handelt. Aus dem Zweck der Vorschrift, die Progressionswirkung des Steuertarifs bei zusammengeballten Entlohnungen für die Tätigkeit mehrerer Jahre abzumildern, folgt, dass die Tarifbegünstigung grundsätzlich nur eingreift, wenn die Zahlung für die mehrjährige Tätigkeit in einem Veranlagungszeitraum --als Einmalbetrag oder in mehreren Teilbeträgen-- geleistet wird (vgl. Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 34 EStG Anm. 64, m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall, da der Kläger in Bezug auf das fragliche Patent in den Jahren 1988, 1990, 1994 und 1995 von dem Arbeitgeber Zahlungen auf seinen Vergütungsanspruch erhalten hat. Bei Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit, die in drei oder mehr Veranlagungszeiträumen zufließen, ist die Tarifbegünstigung nicht zu gewähren (BFH-Urteile vom 10. Februar 1972 IV R 8/68, BFHE 105, 255, BStBl II 1972, 529; vom 21. März 1975 VI R 55/73, BFHE 115, 366, BStBl II 1975, 690). Der BFH hat dies damit begründet, dass für eine (nach der bis 1989 geltenden Fassung des § 34 Abs. 3 EStG durchzuführende) Verteilung der Entschädigung auf drei Jahre kein Raum bleibe, da die Zahlungen den Dreijahreszeitraum bereits ausfüllten. Diese Erwägung muss auch für Veranlagungszeiträume ab 1990 gelten, da die Tarifermäßigung nach dem hierfür geltenden § 34 Abs. 3 EStG a.F. ebenfalls in einem Drittelungsverfahren durchgeführt wird (Blümich/Lindberg, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 34 EStG Rz. 107). Dass die Zahlungen nicht regelmäßig in Jahresabständen, sondern jeweils im Abstand von mehreren Jahren erfolgten, rechtfertigt es nicht, die einzelnen Beträge ihrerseits als "zusammengeballte" Vergütungen anzusehen.

5. Mit der Entscheidung, § 34 Abs. 3 EStG a.F. nicht auf die streitige Erfindervergütung anzuwenden, weicht der Senat nicht von seinem Urteil in BFHE 137, 423, BStBl II 1983, 300 ab. Dort wurde entschieden, dass beim Lohnsteuerabzug betreffend die Zahlung von Arbeitnehmer-Erfindervergütungen für mehrere Jahre die Vergünstigungen nach § 39b Abs. 3 Sätze 9 und 10 EStG 1975 und nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der früheren Arbeitnehmer-Erfinderverordnung nebeneinander anzuwenden seien. Der Senat konnte dabei ohne weiteres von der zwischen den Beteiligten unstreitigen Anwendbarkeit des § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG 1975 ausgehen, da diese Vorschrift lediglich voraussetzt, dass ein sonstiger Bezug zwei bzw. mehr als zwei Kalenderjahre "betrifft". Ob die Erfindervergütung sich i.S. von § 34 Abs. 3 EStG 1975 als Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit darstellte, wurde dagegen nicht geprüft.

6. Das Urteil der Vorinstanz, das mit den vorstehenden Grundsätzen nicht übereinstimmt, war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da das FA die Anwendung von § 34 Abs. 3 EStG a.F. zutreffend abgelehnt hat, kann die Klage keinen Erfolg haben.

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