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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.10.1999
Aktenzeichen: VI R 53/99
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 70 Abs. 2
EStG § 44 Abs. 1 Nr. 3
EStG § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Streitig ist, ob der Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) für ihren 1971 geborenen Sohn (S), der sich auf eine Promotion vorbereitete, ein Anspruch auf Kindergeld zusteht.

S war bis einschließlich Sommersemester 1996 an der Universität immatrikuliert. Sein Studium in den Fächern neuere deutsche Literatur, germanistische Linguistik und Philosophie schloß er am 20. Juli 1996 mit Auszeichnung ab, worauf ihm der akademische Grad eines Magister Artium (M.A.) verliehen wurde. Nach Ablegung der Magisterprüfung blieb S an der Universität immatrikuliert, da er ein Promotionsstudium aufnahm. Nach einer Bescheinigung des Promotionsausschusses gilt das Promotionsstudium als Aufbaustudium, da es ein durch eine Diplomprüfung, eine Magisterprüfung oder ein Staatsexamen erfolgreich abgeschlossenes Hochschulstudium voraussetze. Die Magisterprüfung sei die Abschlußprüfung für den Magisterstudiengang und gelte daher als ein berufsqualifizierender Abschluß. Im Unterschied zu den meisten Staatsexamina und Diplomprüfungen befähige sie jedoch nicht zu einer bestimmten praktischen Berufstätigkeit. Deshalb sei vor allem für wissenschaftliche Tätigkeiten im Bereich der Geisteswissenschaften die Promotion zum Dr. phil. eine notwendige Voraussetzung für die berufliche Qualifikation.

Mit Bescheid vom Januar 1997 hob die Beklagte und Revisionsklägerin (Oberfinanzdirektion --OFD--) den Bewilligungsbescheid gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf, da die Vorbereitung auf die Promotion nicht mehr als Berufsausbildung angesehen werden könne, und forderte das für August 1996 erhaltene Kindergeld in Höhe von 200 DM zurück.

Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Es führte aus, daß S für einen Beruf ausgebildet werde, da er an der Universität ein Promotionsstudium mit dem Ziel einer Promotion zum Dr. phil. aufgenommen habe. Er zeige damit, daß er mit der abgeschlossenen Ausbildung als M.A. an der Universität sein Berufsziel (Hochschullehrer) noch nicht erreicht habe. Nach der Auskunft des Promotionsausschusses sei die Promotion zum Dr. phil. der Abschluß, der für eine Tätigkeit im Bereich der Wissenschaft und an der Universität qualifiziere. Nach dieser Auskunft benötige der Geisteswissenschaftler die Promotion, um als Hochschullehrer tätig zu werden. Der Senat teile daher nicht die einschränkende Auslegung in der Dienstanweisung, wonach die Vorbereitung auf die Promotion nur dann als Berufsausbildung angesehen werden könne, wenn die Promotion das Studium anstelle eines Diplom- oder Staatsexamens bzw. der Magisterprüfung abschließen soll oder sie in der maßgeblichen gesetzlichen Regelung über den Ausbildungsgang als alleiniger Abschluß vorgesehen sei. Entscheidend sei nämlich, daß die Einstellung als Professor nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Hochschulrahmengesetzes eine qualifizierte Promotion und zusätzlich eine Habilitation voraussetze. Nach Auffassung des Senats gebiete eine verfassungskonforme Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG im konkreten Fall, S beim Kindergeld zu berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit Beschluß vom 10. November 1998 2 BvL 42/93 (BStBl II 1999, 174) ausgeführt, daß eine verminderte Leistungsfähigkeit durch Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind sachgerecht berücksichtigt werden müsse.

Mit der Revision rügt die OFD die Verletzung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Die Berufsausbildung des S sei bereits mit der Bekanntgabe des Ergebnisses der Magisterprüfung abgeschlossen gewesen. Zur Berufsausbildung sei begrifflich erforderlich, daß Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt würden, die zum Erreichen des Ausbildungsziels und für die nachfolgende Erwerbstätigkeit benötigt würden. Mit dem Ablegen der Magisterprüfung sei ein qualifizierender Abschluß erreicht, welcher eine Berufsaufnahme ermögliche. Nicht gefolgt werden könne den Ausführungen des angefochtenen Urteils, daß die Bestimmung des Berufsziels --und mithin die damit verbundene Ausbildungsdauer-- weitgehend von den Vorstellungen der Eltern und des Kindes abhängig zu machen sei. Ein danach zu bestimmender Umfang der Ausbildung verbiete sich insoweit, als dann die Dauer der Ausbildung nicht nach objektiv nachvollziehbaren Kriterien (z.B. Ausbildungsordnung) zu bemessen wäre, sondern den unterschiedlichen subjektiven Maßstäben (Eltern/-Kind-Vorstellungen) unterliegen würde. Abzustellen sei somit auf das objektive Kriterium des Prüfungsabschlusses, da zu diesem Zeitpunkt die Ausbildung abgeschlossen sei. Dem nach der Magisterprüfung begonnenen Promotionsstudium fehle hingegen dieser beschriebene Ausbildungscharakter. Dem stehe auch nicht entgegen, daß S als Hochschullehrer tätig werden wolle und dafür neben einem abgeschlossenen Hochschulstudium die Promotion (nebst Habilitation) erfordert werde. Die Promotion diene allein dem Nachweis der Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit. Eine Ausbildung sei jedoch darin nicht zu sehen. Dies zeige sich bereits darin, daß im Rahmen der Promotionsvorbereitung keine Unterweisung mit dem Inhalt erfolge, dem Doktoranden die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu dem erstrebten Beruf zu vermitteln. Auch fehle dem Promotionsstudium der Ausbildungscharakter insoweit, als ein festgelegter Plan, der den Ausbildungsinhalt, die zeitliche Gestaltung wie eine mögliche Leistungskontrolle umschreibe, nicht vorliege.

Die OFD beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf eine von ihr vorgelegte Broschüre "Blätter zur Berufskunde" der Bundesanstalt für Arbeit für den Ausbildungsweg "Professor/Professorin an wissenschaftlichen Hochschulen", in der dargelegt werde, daß die Promotion ein Teil der Ausbildung zum Professor darstelle. Diese Beurteilung müsse auch für die Finanzverwaltung gelten.

Die Revision ist unbegründet.

Der Senat hat mit Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 33/98 (BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701) entschieden, daß sich in Berufsausbildung befindet, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Dazu dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat mit Urteil vom gleichen Tage (VI R 92/98, BFHE 189, 103, BStBl II 1999, 708) entschieden, daß zur Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG auch die Vorbereitung auf eine Promotion gehört, wenn diese im Anschluß an das Studium ernsthaft und nachhaltig durchgeführt wird. Der Senat hat darauf hingewiesen, daß aus der gesetzlichen Formulierung "für einen Beruf ausgebildet wird" nicht gefolgert werden könne, daß die Promotion in einer Studienordnung als alleiniger Abschluß des Studiums vorgesehen sei oder jedenfalls anstelle eines Diploms oder Staatsexamens das Studium abschließen müsse. Zur Begründung im einzelnen wird auf die erwähnten Urteile verwiesen.

Nach diesen Grundsätzen hat das FG das Merkmal der Berufsausbildung zu Recht bejaht. S hat im unmittelbaren Anschluß an den Erwerb des akademischen Grads eines Magisters mit der Promotionsvorbereitung begonnen. Hinzu kommt, daß S --wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- als Berufsziel die Laufbahn eines Hochschullehrers anstrebt und für die Habilitation die Promotion ihrerseits zwingende Voraussetzung ist. Der Streitfall bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Promotionsvorbereitung von S nicht ernsthaft und nachhaltig vorgenommen wurde.

Ende der Entscheidung

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