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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 11.09.2003
Aktenzeichen: VI R 68/99
Rechtsgebiete: EStG, FGO, GG


Vorschriften:

EStG § 53
FGO § 62 Abs. 3
FGO § 68
FGO § 76 Abs. 2
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
VI R 68/99 VI R 69/99

Gründe:

Nach erfolglosen Einspruchsverfahren erhob der Prozessvertreter (P) der Kläger und Revisionskläger (Kläger) in deren Namen Klagen wegen Einkommensteuer 1988 und 1989. Die Klageanträge waren zuletzt darauf gerichtet, jeweils einen Kinderfreibetrag in Höhe von 6 000 DM pro Kind zu berücksichtigen. Nach Aufforderung durch das Finanzgericht (FG) reichte P als Prozessvollmachten zwei die Klageverfahren nicht bezeichnende, undatierte, mit Vor- und Nachnamen der Kläger unterzeichnete und P als Bevollmächtigten ausweisende Vollmachtsurkunden ein. Der Berichterstatter des FG beanstandete, aus den Erklärungen selbst sei nicht zu ersehen, ob für das betreffende Klageverfahren im Innenverhältnis ein entsprechender Auftrag des Klägers gegeben sei. Er forderte P auf, erneut eine Prozessvollmacht vorzulegen, die von den Klägern selbst auf die Verfahren konkret bezogen und mit einer zeitnahen Datumsanzeige versehen sei. Auf eine weitere Aufforderung des FG, innerhalb einer Ausschlussfrist eine Prozessvollmacht nachzureichen, legte P eine den bisherigen Vollmachten entsprechende Urkunde vor.

Das FG (der Einzelrichter) wies --mit gleichlautender Begründung-- die Klagen als unzulässig ab, weil P eine Bevollmächtigung nicht in der vom Gesetz gebotenen Form nachgewiesen habe. Zwar könne im Falle eines unvollständig ausgefüllten Vollmachtsformulars der Vertreter den konkreten Bezug zum Klageverfahren herstellen, indem er die notwendigen Angaben selbst in das Formular einfüge oder dieses einem für das Klageverfahren bestimmten Schriftsatz beihefte. Das setze allerdings voraus, dass der Vertreter hierzu von dem Kläger ermächtigt worden sei. Das Gericht habe Anlass gehabt, die von P vorgelegte Blankovollmacht näher zu überprüfen. In einer Vielzahl anderer vergleichbarer Verfahren hätten die betreffenden Kläger mitgeteilt, dass sie über die in ihrem Namen durch P erhobenen Klagen überhaupt nicht unterrichtet gewesen seien. Auch in den Streitfällen hätten sich berechtigte Zweifel am tatsächlichen Vorliegen einer Ermächtigung zur Klageerhebung aufgedrängt. Diese Zweifel hätte P dadurch ausräumen können, dass er eine der Aufforderung durch das Gericht entsprechende neue Vollmacht vorgelegt hätte. Das sei nicht geschehen. In der nachgereichten Vollmachtsurkunde fehlten eindeutige Angaben, die auf eine konkrete Beauftragung bzw. eine nachträgliche Genehmigung durch die Kläger schließen ließen.

Mit ihren Revisionen rügen die Kläger die Verletzung der Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sowie der §§ 76 Abs. 2 und 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie tragen vor, die eingereichte Vollmacht sei dem Bevollmächtigten speziell für dieses Klageverfahren erteilt worden. Sie weise einen hinreichend konkreten Bezug zu dem Klageverfahren auf, da sie einem Schriftsatz beigeheftet worden sei, in dem der Rechtsstreit genau bezeichnet und zum anderen auf die anliegende Vollmacht hingewiesen worden sei. Für das FG habe kein Anlass bestanden, die Berechtigung des Bevollmächtigten zur Prozessführung in Zweifel zu ziehen.

Die Kläger beantragen, die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Verfahren an das FG zurückzuverweisen.

Während des Revisionsverfahrens hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) am 2. Februar 2001 gemäß § 53 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geänderte Einkommensteuerbescheide 1988 und 1989 erlassen, die gemäß § 68 FGO zum Gegenstand der anhängigen Revisionsverfahren geworden sind.

Der Kläger hat dem FG mit Schreiben vom 17. November 2000 mitgeteilt, er habe gegenüber P erklärt, dass er "nicht mit den von ihm eigenmächtig getätigten Klageerhebungen" gegen seine Einkommensteuerbescheide einverstanden gewesen sei. In einem Schreiben vom 27. Dezember 1999 habe er P aufgefordert, die Klage gegen die Einkommensteuerbescheide 1988 und 1989 zurückzunehmen.

1. Die --zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen-- Revisionen sind zulässig. Zwar hat P für die Revisionsverfahren keine besondere Vollmacht vorgelegt. Nach den in den Klageverfahren eingereichten Vollmachtsurkunden (dazu s.u. 2.) ist er jedoch zur Vertretung vor allen Gerichten sowie zur Einlegung von Rechtsmitteln ermächtigt.

2. Die Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der finanzgerichtlichen Urteile und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat die Klagen zu Unrecht als unzulässig abgewiesen.

a) Der Senat hat in gleich gelagerten Fällen, in denen P als Prozessbevollmächtigter vor dem FG aufgetreten ist und ebensolche Vollmachtsurkunden wie in den vorliegenden Verfahren eingereicht hat, die Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Nachweis der Bevollmächtigung als erfüllt angesehen. Auf das Urteil vom 27. Februar 1998 VI R 88/97 (BFHE 185, 126, BStBl II 1998, 445) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Nach den Grundsätzen dieser Entscheidung hat P auch in den Streitfällen den notwendigen Bezug zu den Klageverfahren durch die entsprechende Bezeichnung in den Schriftsätzen hergestellt, mit denen die Vollmachtsurkunden dem FG übersandt wurden.

b) Der Begründung des FG, es hätten sich berechtigte Zweifel am tatsächlichen Vorliegen einer Ermächtigung zur Klageerhebung aufgedrängt, kann nicht gefolgt werden. Der hierzu von dem Gericht herangezogene Umstand, dass in einer Vielzahl anderer Verfahren die Kläger über die in ihrem Namen durch P erhobenen Klagen überhaupt nicht unterrichtet gewesen seien, ist zwar grundsätzlich geeignet, die Legitimation des P auch in den vorliegenden Klageverfahren zu bezweifeln und das Gericht zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen zu berechtigen. Dementsprechend hat das FG die Kläger persönlich zur mündlichen Verhandlung geladen und in der Ladung ausdrücklich darauf hingewiesen, für das Gericht bestünden hinsichtlich der Klageerhebungen gewisse Zweifel, ob P insoweit im Auftrag bzw. mit ausdrücklicher Zustimmung der Kläger gehandelt habe. Wären die Kläger indessen nicht mit den Klagen einverstanden gewesen, hätten sie dies dem Gericht mitteilen können. Da dies nicht geschehen ist, haben sich die Zweifel des FG nicht erhärtet. Auf die erst nach Abschluss der Klageverfahren gefertigten und zur Kenntnis des FG gelangten schriftlichen Äußerungen des Klägers gegenüber P, wonach die vorliegenden Klagen eigenmächtig erhoben seien und durch P zurückgenommen werden sollten, kann es bei der Überprüfung der angefochtenen Urteile nicht ankommen. Ebenso verbietet sich eine Stellungnahme zu der von dem Kläger angesprochenen Rückforderung von Honorarzahlungen.

3. Da das FG zu Unrecht die Ordnungsmäßigkeit der Prozessvollmachten verneint hat, waren die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Sachen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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