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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 23.11.2000
Aktenzeichen: VI R 93/99
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 2
EStG § 32 Abs. 4 Satz 3 2. Halbsatz
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 7
EStG § 33a
EStG § 32 Abs. 4 Satz 2
EStG § 32 Abs. 4 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der am 30. Dezember 1970 geborene Sohn (S) des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) studierte im Streitjahr 1997 an einer Fachhochschule und übte daneben eine Tätigkeit bei einer ...gesellschaft aus. In seiner Erklärung vom Juni 1997 zu den voraussichtlichen Einkünften und Bezügen des S gab der Kläger an, S beziehe im Streitjahr voraussichtlich Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 22 992 DM; die Werbungskosten (Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) bezifferte er mit einem Betrag von 4 322 DM. Außerdem erklärte er Fahrten zwischen Wohnung und Studienort, Studiengebühren, Fachbücher u.a. in Höhe von insgesamt 7 502 DM als Aufwendungen für die Berufsausbildung. Die "verbleibenden Einkünfte" ermittelte er danach auf 11 168 DM. Mit Bescheid vom 10. Juni 1997 setzte daraufhin der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) das Kindergeld ab 1. Januar 1997 auf 0 DM fest und forderte das gezahlte Kindergeld in Höhe von 1 320 DM zurück. Zur Begründung führte er aus, dass S Einkünfte und Bezüge über 12 000 DM im Kalenderjahr zur Verfügung stünden; die vom Kläger geltend gemachten Ausbildungskosten könnten nicht zum Abzug gebracht werden, so dass Einkünfte in Höhe von 18 670 DM verblieben.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage mit folgenden Gründen ab: Die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld für S seien nicht gegeben, weil diesem im Kalenderjahr 1997 Einkünfte in Höhe von mehr als 12 000 DM zur Verfügung stünden. Dementsprechend habe der Beklagte auch zu Recht das für den Zeitraum 1. Januar 1997 bis 30. Juni 1997 bereits gezahlte Kindergeld zurückgefordert. Der Begriff der Einkünfte i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entspreche dem einkommensteuerlichen Begriff der Einkünfte nach § 2 EStG. Danach seien bei der Ermittlung der Einkünfte Betriebsausgaben und Werbungskosten, auch Werbungskostenpauschbeträge abzusetzen, nicht jedoch Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen. Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen des S seien jedoch keine Werbungskosten. Sie stünden nicht in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Erzielung der Einkünfte aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit. Sie zählten vielmehr als Ausbildungskosten zu den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Die sich danach ergebenden Einkünfte von rechnerisch unstreitig 18 670 DM seien auch nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 3 2. Halbsatz EStG zu korrigieren. Nach dieser Vorschrift blieben bei der Berechnung der Einkommensgrenze solche Einkünfte außer Ansatz, die für besondere Ausbildungszwecke verwendet würden. Nach der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG) 63.4.2.6. Abs. 7 (BStBl I 1998, 386) gehörten dazu nur das Büchergeld bei der Begabtenförderung, die Studiengebühren bei einem Auslandsstudium, Reisekosten und Zuschläge zum Wechselkursausgleich und zur Auslandskrankenversicherung sowie bei einem freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahr die Reisekosten ins und vom europäischen Ausland sowie für höchstens vier Fortbildungsveranstaltungen. Auch wenn es sich hierbei nicht um eine abschließende Regelung handele (ebenso: FG Hamburg, Urteil vom 12. Mai 1997 I 134/96, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 995), könnten die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für Fahrten des S zum Studienort sowie für Fachbücher und Schreibmaterial nicht als für besondere Ausbildungszwecke verwendet angesehen werden. Bereits der Wortlaut der Vorschrift lasse erkennen, dass die nicht anrechenbaren Einkünfte für einen individuellen, ausbildungsbedingten Sonderbedarf, d.h. für einen nach Art und Höhe über das Übliche hinausgehenden Bedarf, verwendet werden müssten. Auch aus der Entstehungsgeschichte folge, dass hier nicht die regelmäßig anfallenden Kosten einer Ausbildung gemeint sein könnten.

Der Senat vermöge auch nicht die im Hinblick auf Art. 3 des Grundgesetzes (GG) vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen die Nichtberücksichtigung der Ausbildungskosten zu teilen. Die Einführung der Einkommensgrenze von 12 000 DM trage dem Gedanken der steuerlichen Leistungsfähigkeit Rechnung und stelle sicher, dass die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes bei den Eltern nur in dem Umfang sichergestellt sei, in dem das Existenzminimum nicht bei dem Kinde selbst --im Falle eigener Einkünfte-- steuerfrei gestellt werde. Diese Intention des Gesetzgebers --entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)-- sei auch dann erfüllt, wenn das Kind "normale" Ausbildungskosten aus den eigenen über 12 000 DM liegenden Einkünften bestreite und danach ein Betrag von unter 12 000 DM (für sonstige Lebenshaltungskosten) verbleibe. Denn auch Ausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zählten dem Grunde nach zu den Kosten der allgemeinen Lebensführung.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Das FG verkenne, dass die Ausgaben zu Studienzwecken regelmäßig in Erwartung einer späteren Einkommenserzielung getätigt würden. Beende der Studierende seine Ausbildung und wechsle in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, so wandelten sich die während des Studiums noch nicht abzugsfähigen Sonderausgaben, wie z.B. die Anschaffung eines PC's, in Werbungskosten um, obwohl sich weder an deren Natur noch an der Verwendung etwas ändere. Verkannt werde auch der Sinn des Familienleistungsausgleichs sowie die Tatsache, dass dem Sohn des Klägers tatsächlich nur noch 11 168 DM zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stünden.

Bei der Unterscheidung zwischen Ausbildungskosten und Werbungskosten werde unzulässig zwischen Auszubildenden in der Berufsausbildung und dem Studierenden unterschieden. Beide befänden sich in der Ausbildung zu einem später zu ergreifenden Beruf. Der Unterschied im Hinblick auf Einkünfte und Ausgaben liege lediglich darin, dass der Auszubildende regelmäßig geringere, mit seiner Ausbildung in unmittelbarem Zusammenhang stehende Ausgaben habe, die im Regelfall höheren Einkünften gegenüberstünden. Die Kosten, die dem Studierenden unstreitig im Zusammenhang mit seiner Ausbildung entstünden, müssten daher als einkommensmindernde Werbungskosten Berücksichtigung finden. Die Dienstanweisung der Verwaltung schränke den Begriff der besonderen Ausbildungszwecke in unzulässiger Weise auf einige wenige Verwendungen ein. Zu berücksichtigen sei, dass nicht nur Studienort, sondern auch Studiengang und -institut sowie die Fachrichtung erheblichen Einfluss auf die dem Studierenden erwachsenden Kosten haben könnten. So habe ein Student, der in seinem Heimatort studiere, noch bei seinen Eltern wohne und eine Fachrichtung belegt habe, die die Anschaffung teurer Fachliteratur nicht zwingend notwendig mache, wesentlich geringere Belastungen als jener, der auswärts studiere und weitere regelmäßige Anschaffungen tätigen müsse, um seinen Studiengang erfolgreich zu absolvieren. Die Beschränkung auf Ausgaben z.B. für ein Auslandsstudium sei daher nicht nur nicht sachgerecht, sondern stelle eine unzulässige Ungleichbehandlung dar und sei daher ungeeignet. Es sei mithin auf bestimmte im Einzelfall entstandene Kosten abzustellen.

Insofern die Auffassung vertreten werde, dass Ausbildungskosten zu den Kosten der allgemeinen Lebenshaltung gehörten, werde dies bereits durch die glaubhaft gemachte Höhe der dem Sohn des Klägers erwachsenen Kosten widerlegt. Hätte er geringere Einkünfte, die nach Abzug der Werbungskosten den Betrag des zu verschonenden Existenzminimums nur geringfügig überstiegen, so verblieben ihm unter Berücksichtigung der Ausbildungskosten gerade mal frei verfügbare 5 000 DM; ein Betrag, der deutlich unter dem Existenzminimum liege. Das BVerfG habe aber festgelegt, dass das steuerlich zu bemessende Existenzminimum so zu bemessen sei, dass es in möglichst allen Fällen den existenznotwendigen Bedarf abdecke.

Die Unterscheidung, Kosten der Ausbildung nur dann zu berücksichtigen, wenn das Kind Bezüge habe, die aufgrund einer besonderen Zweckbestimmung gezahlt würden, nicht aber, wenn Bezüge bestünden, die unstreitig und notwendigerweise zum Zweck der Ausbildung eingesetzt würden, widerspreche dem verfassungsmäßigen Grundsatz der Gleichbehandlung. Aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 25. September 1992 (BStBl II 1993, 413) werde der steuerliche Grundfreibetrag auf die Höhe des sozialhilferechtlichen Existenzminimums angehoben. Hierbei handele es sich um Kosten, die lediglich die allgemeine Lebenshaltung abdeckten. Die z.B. dem Sohn des Klägers entstehenden besonderen Kosten der Berufsausbildung könnten hierin schlechterdings nicht enthalten sein. Verstehe man Ausbildungskosten, insbesondere Kosten eines Studiums, als Kosten der allgemeinen Lebenshaltung und berücksichtige diese bei der Berechnung der Einkünfte nicht steuermindernd, verstoße dies gegen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Denn hierdurch würden die Familien benachteiligt, bei denen die Auszubildenden nicht voll von den Eltern unterstützt werden könnten. Eltern der Auszubildenden, die zur vollen finanziellen Unterstützung in der Lage seien, kämen insofern nicht nur in den Genuss eines höheren Kinderfreibetrages, sondern könnten außerdem noch einen Ausbildungsfreibetrag gemäß § 33a EStG geltend machen. Unabhängig von der steuerlichen Benachteiligung führe dies dazu, dass der nicht elterlich unterstützte Auszubildende oder Student gezwungen sei, eine Nebenbeschäftigung aufzunehmen und sich dadurch naturgemäß seine Ausbildungszeit verlängere.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil des FG Düsseldorf und den Bescheid des Beklagten in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 8. September 1997 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Revision gegen das Urteil des FG Düsseldorf vom 3. September 1998 14 K 7399/97 Kg zurückzuweisen.

Nach Auffassung des Beklagten verkennt der Kläger, dass der Steuergesetzgeber das Existenzminimum in einem für alle Kinder einheitlichen Betrag (§ 32 Abs. 6 EStG, Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums, BTDrucks 13/9561) in Höhe von 6 912 DM geregelt habe. Maßgeblich sei hier folglich nicht das Existenzminimum eines Erwachsenen und damit die Grenze der Einkünfte und Bezüge i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Die im Gegensatz zu dem erwerbssichernden Aufwand (Werbungskosten) typisierende gesetzliche Regelung des existenzsichernden Aufwandes sei verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG vom 25. September 1992, BStBl II 1993, 413, 419). Der Kläger verkenne zudem, dass es Sinn und Zweck des Familienleistungsausgleichs widerspreche, den zivilrechtlich angemessenen Unterhaltsanspruch eines Kindes, der sich regelmäßig nach der Lebensstellung der Eltern bestimme, zu berücksichtigen. Das Berufsziel, der Studienort, die Fachrichtung und der Kostenaufwand für die Ausbildung werde nach ständiger Rechtsprechung des BFH weitgehend von den Vorstellungen der Eltern und des Kindes bestimmt (BFH-Urteil vom 2. Juli 1993 III R 81/91, BFHE 172, 59, BStBl II 1993, 870). Den Kindern und Eltern komme bei der Gestaltung der Ausbildung von Verfassungs wegen ein weiter Entscheidungsspielraum zu (BVerfG vom 10. November 1998, BStBl II 1999, 182). Eine individuelle Bemessung der Unterhaltsbelastung sei aber sachlich nicht geboten, denn der Umfang der Aufwendungen für eine Ausbildung (Anzahl der Fahrten, Aufwendungen für Fachliteratur usw.) bestimme sich nach dem nicht entscheidungserheblichen sozialen Status der einzelnen Familie.

Die abschließende Aufzählung besonderer Ausbildungszwecke in DA-FamEStG 63.4.2.6 Abs. 7 folge wesentlich der BAföG-Zuschlagsverordnung (§ 13 Abs. 4 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes --BAföG--, BGBl I 1986, 935) und gewährleiste die gleichmäßige Berücksichtigung von ausbildungsbedingtem Sonderbedarf --unabhängig davon, ob Einkünfte oder Bezüge erzielt würden--.

Die Revision ist begründet, sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der im Streitjahr 1997 geltenden Fassung wird ein über 18 Jahre altes Kind in Berufsausbildung nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12 000 DM im Kalenderjahr hat. S hatte im Jahr 1997 zwar Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 18 670 DM. Bei der Ermittlung, ob der Jahresgrenzbetrag i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten ist, bleiben aber nach § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG Bezüge, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind bzw. Einkünfte, die für solche Zwecke verwendet werden, außer Ansatz. Der Senat hat entschieden, dass unter besonderen Ausbildungskosten i.S. dieser Vorschrift alle über die Lebensführung hinausgehenden ausbildungsbedingten Mehraufwendungen zu verstehen sind; die Abgrenzung kann in der Weise erfolgen, wie dies im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses zwischen den Kosten der Lebensführung und der durch den Beruf veranlassten Kosten geschieht. Wegen der näheren Begründung wird auf das Senatsurteil vom 14. November 2000 VI R 62/97, DStR 2001, 206; verwiesen.

2. Das FG hat --von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend-- keine Feststellungen dazu getroffen, ob die geltend gemachten Mehraufwendungen ausbildungsbedingt sind. Es wird daher die gebotenen Feststellungen zu Grund und Höhe der Aufwendungen nachzuholen und diese zu würdigen haben.



Ende der Entscheidung

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