Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 05.10.2004
Aktenzeichen: VI S 6/04 (PKH)
Rechtsgebiete: EStG, FGO, ZPO, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 34
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 142
ZPO § 114
AO 1977 § 125 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger und Antragsteller (Kläger) war bei der X-AG (AG) angestellt. Diese gab im Rahmen einer bedingten Kapitalerhöhung Wandelschuldverschreibungen aus, die zum Umtausch in Aktien der AG berechtigten. Die Schuldverschreibungen wurden den Mitarbeitern der AG zum Bezug angeboten. Der Kläger zeichnete im November 1997 Anleihen im Nennbetrag von 4 000 DM. Bezüglich der Hälfte dieser Anleihen übte er im Streitjahr 1999 sein Wandlungsrecht aus. Der Kurswert der Aktien, die er dabei von der AG erhielt, überstieg den von dem Kläger gezahlten Anleihebetrag um 438 784 DM. Nachdem die AG eine Lohnsteuer-Anrufungsauskunft eingeholt hatte, behandelte sie den Unterschiedsbetrag als Arbeitslohn, behielt Lohnsteuer davon ein und führte diese ab.

Für das Jahr 1999 wurden der Kläger und seine Ehefrau, die Klägerin, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Während des Veranlagungsverfahrens erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten (Finanzamt --FA--), dass der Betrag von 438 784 DM nach § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteuert werden solle. Das FA führte dementsprechend die Veranlagung mit einem ermäßigten Steuersatz durch. Der Einkommensteuerbescheid 1999 vom 27. August 2001 wurde unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen und führte zur Erstattung einbehaltener Lohnsteuer in Höhe von 96 414 DM. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde am 31. August 2001 aufgehoben. Der Steuerbescheid wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 25. Februar 2003 erhoben die Kläger bei dem Finanzgericht (FG) Klage und beantragten, die Nichtigkeit des Einkommensteuerbescheids vom 27. August 2001 festzustellen. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, der Bescheid sei hinsichtlich der erfassten Einkünfte aus der Wandelschuldverschreibung mit einem besonders schwerwiegenden Fehler behaftet. Die Wandlung der Wandelschuldverschreibung habe jedenfalls keinen Zufluss im Veranlagungszeitraum 1999 ausgelöst, so dass etwaige Wandlungsgewinne im Veranlagungszeitraum 1999 nicht steuerbar seien.

Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, ein schwerwiegender Fehler, der offenkundig sei und deswegen zur Nichtigkeit des Bescheids führe, sei nicht gegeben. Das FA habe lediglich in der Frage, ob der Kläger einen geldwerten Vorteil zu versteuern habe, eine andere Auffassung vertreten als sie nunmehr der Kläger habe. Auch die Kläger selbst seien über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren von der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts ausgegangen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des FG haben die Kläger eine Beschwerdeschrift eingereicht. Sie tragen vor, das Urteil stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs (BFH); diese hätten in Bezug auf Wandelschuldverschreibungen entschieden, dass in der Ausübung des Wandlungsrechts regelmäßig nicht der maßgebliche Erwerbsvorgang liege. Außerdem sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob ein Anleger, der in die Papiere seines Arbeitgebers investiere, steuerlich anders behandelt werden könne als ein Anleger, der in keiner Beziehung zur Wertpapieremittentin stehe.

Zugleich haben die Kläger beantragt, ihnen für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ratenfreie Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und ihnen Rechtsanwalt A als Prozessbevollmächtigten beizuordnen. Das Beschwerdeverfahren solle nur durchgeführt werden, sofern PKH bewilligt werde.

Der Antrag auf Bewilligung von PKH war abzulehnen.

Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Prozessbeteiligter bei Vorliegen bestimmter persönlicher Voraussetzungen auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussichten liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des Erfolgs spricht (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 142 Rz. 11, m.w.N.). Eine derartige Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger besteht nicht.

Die Revision ist nur unter den Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die vorgelegte Beschwerdebegründung die Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfüllt (vgl. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 25 ff.). Denn die geltend gemachten Zulassungsgründe sind offensichtlich nicht gegeben.

a) Soweit die Kläger sich wegen einer angenommenen Divergenz des FG-Urteils auf das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung berufen, betrifft ihre Argumentation nicht die --durch Klageantrag und Urteilstenor umrissene-- Hauptsacheentscheidung des FG und damit den Streitgegenstand des Klageverfahrens ("Feststellung der Nichtigkeit eines Steuerbescheids"), sondern eine Vorfrage. Die Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO wegen Abweichung setzt jedoch voraus, dass ein die Entscheidung des FG tragender, abstrakter Rechtssatz herausgestellt wird, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 54, m.w.N.). Die Antwort auf die Frage, ob der Zufluss eines geldwerten Vorteils bei Aktienerwerb im Zusammenhang mit einer Wandelschuldverschreibung im Zeitpunkt der Wandlungserklärung oder in einem anderen Zeitpunkt eintritt, ist indessen nicht "tragend" für die finanzgerichtliche Entscheidung betreffend die Nichtigkeit eines Einkommensteuerbescheids, der einen geldwerten Vorteil aus einem derartigen Aktienerwerb erfasst. Im Übrigen ist auch die Ausgangsüberlegung der Kläger, von der sie ihre Auffassung von der Nichtigkeit des Einkommensteuerbescheids herleiten, angreifbar. Denn die Frage des Zuflusszeitpunkts im Falle der Wandlung von Wandelanleihen ist --anders als bei Aktienoptionen-- derzeit ungeklärt (vgl. z.B. FG München, Urteil vom 24. Juni 1999 10 K 3851/94, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2000, 494, Revision anhängig unter VI R 124/99; Hoffmann, Anmerkung in EFG 2003, 621; Bauer/Gemmeke, Der Zeitpunkt der Besteuerung bei Mitarbeiter-Wandelschuldverschreibungen, Der Steuerberater --StB-- 2003, 83; Lochmann, Besteuerung aktienkursorientierter Vergütungsinstrumente (Diss. Köln 2004), S. 169 ff., 175 ff.). Auf die Nichtigkeit eines entsprechenden Bescheids nach § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) kann demgemäß in keinem Fall geschlossen werden.

b) Auch die Erwägung der Kläger, es sei grundsätzlich bedeutsam, ob der Erwerb von Anteilen eines Unternehmens durch einen Mitarbeiter steuerlich anders behandelt werden könne als der entsprechende Erwerb durch einen fremden Anleger, kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn dabei handelt es sich nicht um die für die Entscheidung des Falles maßgebliche Rechtsfrage (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 30).

Ende der Entscheidung

Zurück