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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.06.2005
Aktenzeichen: VI S 7/05
Rechtsgebiete: FGO, GVG, GG


Vorschriften:

FGO § 39 Abs. 1 Nr. 4
FGO § 39 Abs. 2
GVG § 17a Abs. 2 Satz 3
GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger war eigenen Bekundungen zufolge im Jahr 2002 als Krankenpfleger in der Seniorenresidenz X in Z nichtselbständig tätig. Ausweislich einer vorgelegten Lohnabrechnung der A-Seniorenresidenz X in B, wurden ihm bei einem Bruttolohn von 716 € Lohnsteuerabzugsbeträge in Höhe von 162,95 € einbehalten. Lt. Kontoauszug bekam er den in der Lohnabrechnung ausgewiesenen Nettobetrag von 501,08 € am 28. Februar 2002 auf seinem Konto gutgeschrieben. In der zum Zweck der Lohnsteuererstattung erbetenen "Besonderen Lohnsteuerbescheinigung" für das Kalenderjahr 2002 wies die A-Seniorenresidenz X, Z einen Bruttolohn von 716 €, jedoch keine Lohnsteuerabzugsbeträge aus. Außerdem ist vermerkt, dass dem Lohnsteuerabzug Steuerklasse I zugrunde gelegt worden sei und Lohnsteuer an das Finanzamt F abgeführt werde.

Der Kläger erhob beim Arbeitsgericht (ArbG) gegen die A-Kliniken AG Klage mit dem Ziel der Ausstellung einer berichtigten "Besonderen Lohnsteuerbescheinigung" für 2002. Das ArbG hat nach Anhörung der Parteien unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 11. Juni 2003 5 AZB 1/03 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2003, 1209, Beilage zu BFH/NV 10/2003, 253) den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen mit Beschluss vom 1. Februar 2005 für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Finanzgericht (FG) verwiesen. Dieses hat sich mit Beschluss vom 17. Mai 2005 für unzuständig erklärt und gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) analog den Bundesfinanzhof (BFH) zur Bestimmung der Zuständigkeit angerufen. Zur Begründung macht es geltend, der Rechtsweg zu den FG sei nicht eröffnet. Das Gericht teile die Auffassung des BAG in HFR 2003, 1209 nicht, sondern schließe sich den Beschlüssen des BFH vom 29. Juni 1993 VI B 108/92 (BFHE 171, 409, BStBl II 1993, 760) und des FG München vom 9. Juni 2004 1 K 1234/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2004, 1704) an. Der Verweisungsbeschluss des ArbG sei ausnahmsweise nicht bindend, da er offensichtlich fehlerhaft sei. Hierzu erfolgen weitere Ausführungen.

Die Vorlage ist zulässig, da das ArbG und das FG jeweils rechtskräftig entschieden haben, dass der zu ihnen beschrittene Rechtsweg unzulässig sei (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Februar 2004 VII B 341/03, BFHE 204, 413, BStBl II 2004, 458). Als zuständiges Gericht war das FG zu bestimmen, da es eine Bindung an den Verweisungsbeschluss des ArbG zu Unrecht verneint hat.

Gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) ist das FG an einen Verweisungsbeschluss des ArbG hinsichtlich des Rechtswegs grundsätzlich gebunden (BFH-Urteil vom 19. Oktober 2001 VI R 36/96, BFH/NV 2002, 340, Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst 2002, 434). Dem FG ist auch nicht darin zu folgen, der Verweisungsbeschluss des ArbG sei offensichtlich unhaltbar, weshalb die Bindungswirkung hinter dem Rechtsgedanken des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) zurücktreten müsse (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2004 VI S 7/03, BFH/NV 2005, 1196). Insbesondere beruft sich das FG in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf den BFH-Beschluss in BFHE 171, 409, BStBl II 1993, 760. Abgesehen davon, dass im dort entschiedenen Fall weder widersprechende Zuständigkeitsentscheidungen von Gerichten unterschiedlicher Gerichtsbarkeiten vorlagen noch darüber zu befinden war, ob ein fehlerhafter Verweisungsbeschluss gleichwohl zu beachten sei, ist der Entscheidung auch die vom FG angenommene gegenläufige höchstrichterliche Rechtsprechung von Finanz- und Arbeitsgerichtsbarkeit (vgl. dazu auch Bundesverfassungsgericht --BVerfG--, Beschluss vom 29. November 1996 2 BvR 1157/93, BStBl II 1997, 415) nicht zu entnehmen. Denn der BFH hat das dortige Klagebegehren nach seinem sachlichen Gehalt als arbeitsrechtlichen Lohnanspruch verstanden. Demgegenüber macht der Kläger im Streitfall nicht zusätzlichen Lohn geltend, sondern will lediglich erreichen, dass der Arbeitgeber in der Lohnsteuerbescheinigung Lohnsteuerabzugsbeträge ausweist, die in der Lohnabrechnung vorgenommen worden sind. Soweit sich das FG darauf beruft, das ArbG habe sich mit bestimmten Vorschriften der FGO nicht auseinander gesetzt, ist dieses Vorbringen ebenfalls nicht geeignet, die Bindung an den Verweisungsbeschluss in Frage zu stellen.

Das FG wird im Interesse effektiver Rechtsschutzgewährung zu prüfen haben, ob das Verfahren dadurch zu einer Erledigung geführt werden kann, dass vorschriftsgemäß einbehaltene Lohnsteuerabzugsbeträge von der Finanzbehörde auch ohne förmlichen Nachweis mittels einer besonderen Lohnsteuerbescheinigung als abgeführt behandelt werden können (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28. Februar 1992 VI R 146/87, BFHE 167, 507, BStBl II 1992, 733, m.w.N., und BFH-Beschluss vom 21. Januar 2000 VII B 205/99, BFH/NV 2000, 1080).



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