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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.12.2005
Aktenzeichen: VII B 102/04
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die ungarische Fa. T ließ von Februar bis Mai 1993 beim Zollamt in 24 Fällen Warensendungen mit Zigaretten zum externen Versandverfahren mit Carnet TIR abfertigen. Die Sendungen wurden weder bei der vorgesehenen Bestimmungszollstelle noch bei einer anderen Zollstelle gestellt, woraufhin im November 1995 Eingangsabgaben gegen die Fa. T festgesetzt wurden. Weitere Ermittlungen ergaben, dass die Auflieger in Frankreich mit Zoll-, Fracht- und Fahrzeugpapieren an unbekannte Dritte übergeben worden waren und dass der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), um den ungarischen Fahrern die Identifizierung der übernehmenden Fahrer und ihrer Zugmaschinen zum Zweck der Übergabe zu ermöglichen, die Kennzeichen der französischen Zugmaschinen zuvor telefonisch an die Fa. T übermittelt bzw. Seriennummern von Geldscheinen mitgeteilt hatte, mit denen sich die Übernehmer in Frankreich ausweisen mussten. Die französische Zollverwaltung übernahm das Besteuerungsverfahren gleichwohl nicht. Das Hauptzollamt, dessen Zuständigkeit auf den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) übergegangen ist, setzte daraufhin im Oktober 2000 mit 24 Steuerbescheiden Zoll, Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer gegen den Kläger (als Gesamtschuldner neben der Fa. T) mit der Begründung fest, dass der Kläger als Hauptverantwortlicher an der Entziehung der Zigaretten aus der zollamtlichen Überwachung beteiligt gewesen sei.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Eingangsabgaben durch Entziehen der Waren aus der zollamtlichen Überwachung entstanden seien und der Kläger als Mitorganisator und Inhaber der Tatherrschaft unstreitig Abgabenschuldner sei. Anders als der Kläger meine, sei auch die deutsche und nicht die französische Zollverwaltung für die Abgabenerhebung zuständig gewesen, weil der Ort der Zuwiderhandlung ungewiss sei, denn allein durch die Übergabe der Auflieger an unbekannte Dritte in Frankreich seien die Waren noch nicht der zollamtlichen Überwachung entzogen worden; dies sei erst beim späteren Entladen an einem unbekannten Ort geschehen.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, die er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt. Im Streitfall stellten sich die klärungsbedürftigen Rechtsfragen, ob bereits der Wechsel der Zugmaschine im Rahmen eines Versandverfahrens TIR eine die Eingangsabgabenschuld auslösende Zuwiderhandlung darstelle und ob demjenigen Mitgliedstaat, der diese Zuwiderhandlung als Erster entdecke, die ausschließliche Zuständigkeit für die Abgabenerhebung zustehe. Außerdem sei das FG von dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 11. Juli 2002 Rs. C-371/99 (EuGHE 2002, I-6227) abgewichen, da es nicht bereits in dem Austausch der Zugmaschinen in Frankreich eine die Eingangsabgabenschuld auslösende Pflichtverletzung im Rahmen des Versandverfahrens TIR gesehen habe.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sowohl mit den bezeichneten Rechtsfragen als auch mit der angeblichen Divergenz zum EuGH-Urteil in EuGHE 2002, I-6227, will die Beschwerde letztlich ihre Ansicht begründen, dass im Streitfall der Ort der Zuwiderhandlungen in Frankreich gelegen habe und dass das FG somit zu Unrecht von einer Zuständigkeit der deutschen Zollverwaltung für die Abgabenerhebung gemäß Art. 10 Abs. 3 Unterabs. 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 719/91 (VO Nr. 719/91) des Rates vom 21. März 1991 über die Verwendung der Carnets TIR und der Carnets ATA als Versandpapiere in der Gemeinschaft (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 78/6) ausgegangen sei.

Wollte man aber mit der Beschwerde den Ort der Zuwiderhandlungen in Frankreich sehen und damit die Abgabenerhebungszuständigkeit der französischen Zollverwaltung gemäß Art. 10 Abs. 2 VO Nr. 719/91 annehmen, wäre die Entscheidung des FG gleichwohl im Ergebnis zutreffend. Hat nämlich die Zollbehörde eines Mitgliedstaats, in dem die Zuwiderhandlung festgestellt wurde, aufgrund falscher Tatsachenwürdigung angenommen, dass der Ort der Zuwiderhandlung nicht feststehe, und hat sie deshalb die entstandenen Eingangsabgaben in der irrigen Annahme ihrer Zuständigkeit erhoben, ist der Abgabenbescheid gleichwohl nicht aufzuheben, wenn später der Ort der Zuwiderhandlung als nachgewiesen angesehen wird. In diesem Fall findet vielmehr ein interner Ausgleich zwischen den Mitgliedstaaten gemäß Art. 10 Abs. 3 Unterabs. 3 und 4 VO Nr. 719/91 statt (vgl. EuGH-Urteil vom 23. März 2000 Rs. C-310/98 und C-406/98, EuGHE 2000, I-1797; Senatsurteile vom 18. Juli 2000 VII R 108/97, BFH/NV 2000, 1514; vom 5. Oktober 2000 VII R 107/97, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2001, 322; vom 6. Dezember 2005 VII R 31/04, DB 2006, 141).

Die Vorschrift des § 126 Abs. 4 FGO, wonach die Revision auch bei Vorliegen einer Rechtsverletzung zurückzuweisen ist, wenn sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt, ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend anzuwenden, da schon in diesem Beschwerdeverfahren das Fehlen jeglicher Erfolgsaussichten der künftigen Revision, deren Zulassung der Beschwerdeführer begehrt, zu berücksichtigen ist (Senatsbeschluss vom 8. Januar 1998 VII B 102/97, BFH/NV 1998, 729, m.w.N.).

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