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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.11.2004
Aktenzeichen: VII B 107/04
Rechtsgebiete: FGO, VwZG, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 53 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
VwZG § 15 Abs. 1 Buchst. a
AO 1977 § 37 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die im Streitfall von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhobene Klage richtet sich gegen einen Abrechnungsbescheid über Einkommensteuer 1989 des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--). Mit ihrer Klage machte die Klägerin im Wesentlichen eine vom FA unzutreffend vorgenommene Aufteilung eines Erstattungsguthabens zwischen ihr und ihrem Ehemann geltend. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Ein Versuch, der Klägerin das Urteil mit Postzustellungsurkunde unter der von ihr angegebenen Anschrift zuzustellen, schlug fehl. Nach dem Zustellungsvermerk der Deutschen Post war der Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln. Nachforschungen seitens des FG beim früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin, beim FA und beim Einwohnermeldeamt ergaben, dass auch dort nur die gegenüber dem FG angegebene Anschrift bekannt war. Daraufhin ordnete das FG die öffentliche Zustellung des Urteils an. Der Aushang der Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung erfolgte vom ... bis zum ...

Gegen dieses Urteil des FG richtet sich die am ... eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Fortbildung des Rechts und der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt und mit der sie außerdem geltend macht, dass die Beschwerde nicht verspätet eingelegt worden sei, weil sie das Urteil des FG erst am ... erhalten habe. Die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung hätten nicht vorgelegen, weil ihr Aufenthaltsort nicht unbekannt gewesen sei, sondern sie seinerzeit unter der gegenüber dem FG angegebenen Adresse ununterbrochen gewohnt habe.

II. 1. Die Beschwerde war nicht bereits wegen Versäumung der für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde vorgeschriebenen einmonatigen Frist (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO) als unzulässig zu verwerfen, weil diese Frist im Streitfall mangels ordnungsgemäßer Zustellung des angefochtenen FG-Urteils nicht in Lauf gesetzt worden ist.

Die Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Urteils. Gemäß § 53 Abs. 2 FGO (in der hier maßgeblichen vor dem 1. Juli 2002 geltenden Fassung) wird von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) zugestellt. Die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nach der im Streitfall allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 15 Abs. 1 Buchst. a VwZG, wonach durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt werden kann, wenn der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist, lagen jedoch nicht vor.

Bei der gebotenen Berücksichtigung, dass die öffentliche Zustellung nur als letztes Mittel der Bekanntgabe einer Entscheidung zulässig ist, wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, dem Empfänger ein Schriftstück in anderer Weise zu übermitteln, durfte das FG bei Zustellung des Urteils nicht davon ausgehen, dass der Aufenthaltsort der Klägerin unbekannt war. Dem FG war eine von der Klägerin selbst angegebene und bereits erfolgreich für Zustellungen benutzte Wohnanschrift der Klägerin bekannt. Sowohl der frühere Prozessbevollmächtigte als auch das FA und das Einwohnermeldeamt hatten dem FG die Richtigkeit dieser Anschrift bestätigt. Die gleichwohl bestehende Annahme des FG, die Klägerin wohne dort nicht, konnte nur darauf gestützt werden, dass ein Zustellungsversuch unter dieser Anschrift fehlgeschlagen war. Diese Annahme des FG war allerdings in hohem Maße unsicher, weil die fehlgeschlagene Zustellung erfahrungsgemäß ebenso darauf beruhen konnte, dass der Postzusteller die Zustellung nur unsorgfältig ausgeführt hatte oder aus irgendeinem ihm nicht vorzuwerfenden Grund die Klägerin unter der angegebenen Adresse nicht gefunden hatte, obwohl diese dort wohnte. Zwar ist eine öffentliche Zustellung auch dann wirksam, wenn die Zustellbehörde durch unrichtige Auskünfte Dritter, die sie nicht durchschauen konnte, zu der Annahme verleitet wird, der Empfänger der Zustellung sei unbekannten Aufenthaltsortes (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Mai 1990 X S 2/90, BFH/NV 1991, 13); sie muss dann allerdings --anders als es hier der Fall ist-- Anlass haben, auf die Richtigkeit der ihr erteilten Auskunft zu vertrauen, bzw. keine Möglichkeit haben, die Richtigkeit der Auskunft --hier etwa durch eine zumindest einmalige Wiederholung des Zustellversuchs-- zu überprüfen (vgl. Senatsbeschluss vom 13. März 2003 VII B 196/02, BFHE 201, 425, BStBl II 2003, 609).

Da somit die öffentliche Zustellung des FG-Urteils unwirksam war, ist die Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Lauf gesetzt worden (vgl. § 9 Abs. 2 VwZG in der hier maßgeblichen vor dem 1. Juli 2002 geltenden Fassung; BFH-Beschluss vom 18. Mai 1988 IV R 21/88, IV B 36/88, BFH/NV 1989, 174).

2. Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg, weil die von der Beschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe z. T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

a) Die im Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen sind nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, weil sie durch die Rechtsprechung des Senats bereits geklärt sind.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats steht bei zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten ein etwaiger Erstattungsanspruch demjenigen Ehegatten zu, der die zu erstattende Steuer an das FA gezahlt hat bzw. auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt ist, wobei es nicht allein entscheidend ist, welcher Ehegatte den Zahlungsvorgang tatsächlich bewirkt hat, weil im Rahmen einer bestehenden Ehe als Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft es oft von Zufälligkeiten wie der Aufgabenverteilung und der Zeiteinteilung der Ehegatten abhängt, welcher von ihnen die Zahlung der Einkommensteuer durch Bareinzahlung oder Überweisung vom eigenen oder gemeinsamen Bankkonto tatsächlich besorgt. Solange die Ehe besteht und intakt ist, entspricht es deshalb natürlicher Betrachtungsweise und der regelmäßigen Absicht der Ehegatten, dass derjenige, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, nicht nur sich selbst, sondern auch den anderen Ehegatten von seiner Steuerschuld befreien will. Soweit also Anhaltspunkte für eine bestimmte andere Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten fehlen, ist davon auszugehen, dass die Zahlung der Einkommensteuer für Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden ist. Das hat zur Folge, dass beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag ist dann zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen (Senatsurteil vom 25. Juli 1989 VII R 118/87, BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41; Senatsbeschluss vom 15. April 2004 VII B 63/03, BFH/NV 2004, 1214, jeweils m.w.N.). Betrifft dagegen die Erstattung Steuern, welche im Wege des Steuerabzugs vom Arbeitslohn eines Ehepartners einbehalten worden sind, steht fest, dass die Steuern für Rechnung dieses Arbeitnehmers abgeführt worden sind (Senatsurteil vom 18. September 1990 VII R 99/89, BFHE 162, 279, BStBl II 1991, 47).

Von dieser Rechtsprechung ist das FG im Streitfall ausgegangen und hat entschieden, dass ein Steuerguthaben aus den Jahren 1990 bis 1992 in Höhe von ... DM, das zunächst auf Steuerrückstände des Jahres 1989 umgebucht gewesen sei, allein auf überzahlter Lohnsteuer des Ehemannes der Klägerin beruht habe und deshalb dem Ehemann zuzurechnen sei und dass das FA, nachdem die Einkommensteuer 1989 mit einem späteren Änderungsbescheid auf 0 DM festgesetzt worden sei, nicht gehindert sei, die Erstattungsansprüche des Ehemannes in der aus dem angefochtenen Abrechnungsbescheid ersichtlichen Weise zu verwenden.

Wenn demgegenüber sich die Beschwerde dagegen wendet, dass das FG die Anspruchsberechtigung hinsichtlich solcher Erstattungsansprüche geprüft habe, "die ohne Bezug auf den abzurechnenden Erstattungsanspruch entstanden sind und im Zeitpunkt der Entstehung des Erstattungsanspruchs bereits erloschen waren", und wenn die Beschwerde insoweit meint, dass das FG die Senatsurteile in BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41 und in BFHE 162, 279, BStBl II 1991, 47 falsch verstanden habe, bezeichnet sie keine abstrakte, klärungsbedürftige Rechtsfrage, sondern wendet sich lediglich gegen die materielle Richtigkeit der FG-Entscheidung, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).

Darüber hinaus kann den genannten Senatsentscheidungen --anders als die Beschwerde meint-- nicht entnommen werden, dass sich diese nur auf Erstattungsansprüche beziehen, "die auf Überzahlungen beruhen, die (nur) einen Veranlagungszeitraum betreffen". Vielmehr ist es nicht zweifelhaft, dass in einem Abrechnungsbescheid, mit dem festgestellt werden soll, welche offenen Steuerforderungen durch welche Zahlungen bzw. Verrechnungen getilgt worden sind, sämtliche noch nicht rechtsbeständig abgerechneten Zahlungen bzw. Guthaben zu berücksichtigen sind, gleichgültig aus welchem Veranlagungszeitraum sie stammen. Dementsprechend hat das FG erkannt, dass das FA die aus den Jahren 1990 bis 1992 stammenden Erstattungsansprüche des Ehemannes in dem Abrechnungsbescheid vom ... habe verwenden dürfen, weil der ursprüngliche Abrechnungsbescheid vom ... nicht bestandskräftig geworden sei. Auch wenn man dem Vorbringen der Beschwerde folgt, dass der Erstattungsbetrag zu Gunsten des Ehemannes der Klägerin in Höhe von ... DM infolge der vom FA vorgenommenen Verrechnung wie eine entsprechende Zahlung seitens des Ehemannes zu behandeln sei, ändert dies nichts an der ursprünglichen Natur des Erstattungsanspruchs, der aus einbehaltener Lohnsteuer des Ehemannes resultiert, die allein auf seine Rechnung an das FA gezahlt (abgeführt) worden ist.

b) Soweit die Beschwerde die Auffassung des FG für unzutreffend hält, dass der aus der Scheckzahlung und der Einzahlung bei der Sparkasse resultierende Erstattungsanspruch der Klägerin durch Verrechnung erloschen sei und dass das im Einkommensteuerbescheid 1989 festgesetzte Guthaben aus Zinsen zur Einkommensteuer dem Ehemann zustehe, wendet sie sich wiederum allein gegen die materielle Richtigkeit der FG-Entscheidung, bezeichnet jedoch keine abstrakte, klärungsbedürftige Rechtsfrage.

c) Da mit der Beschwerde keine klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert wird, ist auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) nicht gegeben (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2001 III B 103/01, BFH/NV 2002, 652; Senatsbeschluss vom 27. Februar 2003 VII B 263/02, BFH/NV 2003, 835).

d) Soweit die Beschwerde geltend macht, dass das angefochtene FG-Urteil von den Senatsurteilen in BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41 und in BFHE 162, 279, BStBl II 1991, 47 abweiche (Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO), fehlt es bereits an der schlüssigen Darlegung dieses Zulassungsgrundes. Die Beschwerde hätte hierfür genau nachvollziehbar den Rechtssatz aus der angefochtenen Entscheidung angeben müssen, der zu einem ebenso genau bezeichneten Rechtssatz aus den vorgenannten Entscheidungen des Senats in Widerspruch stehen soll. Dies ist indes nicht geschehen.



Ende der Entscheidung

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