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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.08.2006
Aktenzeichen: VII B 107/05
Rechtsgebiete: FGO, BayVwVfG, BGB


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
BayVwVfG a.F. Art. 53
BayVwVfG a.F. Art. 53 Abs. 2
BayVwVfG a.F. Art. 53 Abs. 1
BGB a.F. § 218
BGB a.F. § 209 Abs. 2 Nr. 5
BGB § 212 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 24. August 2004 pfändete der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) wegen eines gegenüber der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) nach Art. 85 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) geltend gemachten Schadensersatzanspruchs bei deren Arbeitgeber die Ansprüche auf Zahlung von Arbeitseinkommen. Der vom FA geltend gemachte Anspruch beruht auf einem 1972 zugestellten Erstattungsbeschluss, mit dem die Klägerin zum Ausgleich eines von ihr verursachten Fehlbestandes verpflichtet wird. Die dagegen eingelegten Rechtsmittel hatten keinen Erfolg.

Der gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung gerichtete Einspruch hatte ebenfalls keinen Erfolg. Die daraufhin erhobene Klage führte zur Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügung deshalb keinen Bestand haben könne, weil der gegenüber der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch seit September 2003 verjährt sei. Infolge der Verweisung in Art. 53 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung (BayVwVfG a.F.) finde im Streitfall § 218 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung. Die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 218 BGB a.F. ersetze die bis zur Rechtskraft des Anspruchs maßgebliche dreijährige Verjährungsfrist des § 85 Abs. 2 Satz 1 BayBG. Aus dem Umstand, dass Art. 53 Abs. 1 und 2 BayVwVfG a.F. ausschließlich auf § 218 BGB a.F. und nicht auf andere verjährungsunterbrechende Vorschriften des BGB verweise, sei zu schließen, dass eine Unterbrechung der Verjährungsfrist durch Vollstreckungshandlungen des FA nicht möglich sei. Eine Unterbrechung der dreißigjährigen Verjährungsfrist sei auch nach der mit Wirkung ab 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Neufassung von Art. 53 Abs. 2 BayVwVfG nicht vorgesehen.

Mit der gegen die Nichtzulassung der Revision gerichteten Beschwerde macht das FA die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und das Vorliegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend. Von grundsätzlicher Bedeutung sei im Streitfall die Rechtsfrage, ob Art. 53 BayVwVfG a.F. die Anwendbarkeit der allgemeinen Verjährungsvorschriften des BGB ausschließe, so dass eine Unterbrechung der dreißigjährigen Verjährungsfrist des Art. 53 Abs. 2 BayVwVfG a.F. i.V.m. § 218 BGB a.F. nicht möglich sei. Wie aus der Überschrift hervorgehe, sei in Abschnitt III (des Dritten Teils) des BayVwVfG der "Einfluss des Verwaltungsakts auf Verjährung und Erlöschen" geregelt. Sowohl die Formulierung der Überschrift als auch die wörtliche Auslegung der Vorschrift deuteten darauf hin, dass Art. 53 BayVwVfG a.F. die allgemeinen Verjährungsvorschriften ergänze. Davon gingen auch Literatur und Rechtsprechung aus. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu dieser Frage liege noch nicht vor. Im Streitfall seien die in den Jahren 1977 bis 2002 wiederholt vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahmen als Unterbrechungshandlungen i.S. von § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB a.F. bzw. § 212 Nr. 1 (richtig § 212 Abs. 1 Nr. 2) BGB n.F. zu werten. Die Entscheidung des FG verletze daher Bundesrecht. Darüber hinaus habe das FG den in der Einspruchsentscheidung angeführten Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek unberücksichtigt gelassen und damit gegen § 76 und § 96 FGO verstoßen. Das FG selbst habe in einem Parallelverfahren den Antrag auf Eintragung der Sicherungshypothek als rechtmäßig beurteilt. Es hätte folglich prüfen müssen, ob diese Vollstreckungsmaßnahme als Verwaltungsakt zur Durchsetzung des Anspruchs i.S. des Art. 53 Abs. 1 BayVwVfG a.F. zu beurteilen sei, der nach Art. 53 Abs. 1 BayVwVfG a.F. die Verjährung hemmt. Somit beruhe die erstinstanzliche Entscheidung auf der Nichtberücksichtigung der als rechtmäßig erachteten Vollstreckungsmaßnahme.

Die Klägerin ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie ist der Ansicht, das FA habe die Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage für die Allgemeinheit nicht ausreichend dargelegt. Ein Verfahrensfehler liege deshalb nicht vor, weil die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Antrags auf Eintragung einer Sicherungshypothek erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung über den Streitfall ergangen sei. Es handle sich damit um neue Tatsachen. Im Übrigen habe sich das FA bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren auf diese Vollstreckungsmaßnahme nicht berufen.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Denn das FA hat die grundsätzliche Bedeutung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt; der gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor.

1. Der Umstand, dass die aufgeworfene Rechtsfrage die Auslegung und Anwendung von bayerischem Landesrecht betrifft, stünde einer Zulassung der Revision im Streitfall nicht entgegen. Die Eröffnung des Finanzrechtswegs steht im Streitfall außer Frage. Denn Gegenstand des Rechtsschutzbegehrens ist die Anfechtung einer vom FA erlassenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung. Soweit in Bayern die Finanzbehörden als Vollstreckungsbehörden tätig werden, findet nach Art. 25 Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes die FGO Anwendung. Die Revisibilität der streitbefangenen Vorschrift des Art. 53 BayVwVfG a.F. ergibt sich allerdings daraus, dass der Landesgesetzgeber von der in Art. 99 des Grundgesetzes eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht und in Art. 97 BayVwVfG bestimmt hat, dass in einem gerichtlichen Verfahren die Revision auch darauf gestützt werden kann, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung des BayVwVfG beruht (Sieckman in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl., Art. 99 Rdnr. 5). Indes kommt eine Zulassung der Revision deshalb nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 bzw. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht gegeben sind.

2. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Insbesondere wird die behauptete Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Im Streitfall besteht die Besonderheit, dass das FG seine Entscheidung darauf gestützt hat, dass in Art. 53 Abs. 2 BayVwVfG a.F. ausschließlich auf § 218 BGB a.F. Bezug genommen wird. Demgegenüber verweist die Neufassung von Art. 53 BayVwVfG a.F. nicht mehr auf eine einzelne Vorschrift des BGB. Die vom FA aufgeworfene Rechtsfrage betrifft damit die Auslegung von bereits ausgelaufenem bayerischem Landesrecht. Dies allein schließt es zwar nicht aus, dass eine mit der angesprochenen landesrechtlichen Vorschrift zusammenhängende Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig sein kann. Doch ist gerade bei ausgelaufenem Recht die Darlegung des --fortbestehenden-- allgemeinen Interesses an einer Revisionsentscheidung unverzichtbar. Aufzuzeigen ist, dass die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage noch für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle von entscheidender Bedeutung ist. Dies leistet die Beschwerde nicht. Der bloße Hinweis auf gleichlautendes Bundesrecht kann zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ebenso wenig als ausreichend angesehen werden, wie die Feststellung, dass eine Entscheidung des BFH zu diesem Problem noch nicht vorliege (vgl. BFH-Entscheidungen vom 17. Juni 1997 VIII B 72/96, BFH/NV 1997, 882, und vom 22. November 1995 VIII B 13/95, BFH/NV 1996, 348) und die Behauptung, dass das allgemeine Interesse aus Gründen der Rechtsklarheit und der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe sei.

3. Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO kommt ebenfalls nicht in Betracht, denn der vom FA gerügte Verfahrensfehler einer Verletzung der dem Gericht nach § 76 Abs. 1 FGO obliegenden Sachaufklärungspflicht liegt nicht vor. Denn nach dem Akteninhalt, insbesondere aus der Einspruchsentscheidung, und aus dem Parallelverfahren war dem FG die Tatsache bekannt, dass das FA einen Antrag auf Eintragung einer Zwangssicherungshypothek gestellt hatte. Ein Erfordernis zur weiteren Sachverhaltsaufklärung bestand aus der Sicht des FG daher nicht. Dass das FG den Antrag tatsächlich zur Kenntnis genommen und auch das Gesamtergebnis des Verfahrens gewürdigt hat, belegt der Umstand, dass in den Entscheidungsgründen des Parallelverfahrens auf die vorliegende Entscheidung Bezug genommen und ausdrücklich auf die Verjährung des Erstattungsanspruchs hingewiesen worden ist. Dies lässt den Schluss zu, dass das FG konkludent eine rechtliche Würdigung dahingehend vorgenommen hat, dass der Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek nicht geeignet sei, den Eintritt der Verjährung des Erstattungsanspruchs in Frage zu stellen. Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich das Vorbringen des FA als Einwand gegen die materiell-rechtliche Würdigung des FG, das nach Rechtsansicht des FA aus dem Antrag nicht die gebotenen Schlüsse gezogen hat. Jedoch vermag dies die Revision aufgrund eines Verfahrensfehlers nicht zu eröffnen.



Ende der Entscheidung

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