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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 11.05.2001
Aktenzeichen: VII B 117/00
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 142
ZPO § 117 Abs. 1 Satz 2
AO 1977 § 69
AO 1977 § 34
AO 1977 § 191
AO 1977 § 166
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) war Geschäftsführer einer GmbH, für deren Steuerschulden er haften soll. Für die GmbH wurde im Mai 1994 ein Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gestellt, der jedoch im März 1995 mangels Masse unter Aufhebung der bis dahin bestehenden Sequestrationsanordnung abgelehnt wurde. Seit Auflösung der GmbH war der Antragsteller deren Liquidator.

In dem Verfahren 3 (2) K 344/96, das beim Finanzgericht (FG) anhängig ist, wendet sich der Antragsteller gegen den Haftungsbescheid des Beklagten (Finanzamt --FA--) vom 18. September 1995, der zunächst Gegenstand eines anderen Klageverfahrens des FG war und seit seiner Änderung durch die Einspruchsentscheidung des FA vom 30. August 1996 Gegenstand des vorgenannten Verfahrens ist. Der Antragsteller wird vom FA jetzt noch auf Haftung für Lohnsteuer 1991, 1993 und Januar 1994 mit Nebenleistungen, Umsatzsteuer 1991 und 1992 mit Nebenleistungen, Umsatzsteuer-Vorauszahlung Januar 1994 mit Nebenleistungen sowie Körperschaftsteuer 1992 mit Nebenleistungen, insgesamt auf rd. ... DM in Anspruch genommen.

Hinsichtlich der von der Gesellschaft nicht angemeldeten und später schuldig gebliebenen Umsatzsteuer wirft das FA dem Antragsteller vor, dafür verantwortlich gewesen zu sein, dass die GmbH, wissend, dass ihr erbrachte Leistungen auch für steuerfreie Umsätze verwandt werden würden, keine Vorsteueraufteilung vorgenommen habe und dass die vom Antragsteller hergestellte wirtschaftliche Verflechtung verschiedener von ihm geführter Unternehmen zum unberechtigten Austausch von Rechnungen für den Vorsteuerabzug genutzt worden sei. Soweit sich der Antragsteller auf die Verantwortlichkeit der Steuerberater der GmbH berufe, fehle es an Angaben bzw. schriftlichen Vereinbarungen darüber, ob, wann und in welchem Umfang diese hinzugezogen worden seien. Überdies seien Überwachungsmaßnahmen des Antragstellers, die geboten gewesen seien, nicht nachgewiesen.

Die Grundsätze anteiliger Tilgung können nach Ansicht des FA nicht angewandt werden, weil der Antragsteller weder den diesbezüglichen Berechnungsbogen ausgefüllt noch belegte Angaben zur Ermittlung der Haftungssumme gemacht habe. Es fehlten sämtliche Buchungsunterlagen. Der Antragsteller berufe sich auf einen Diebstahl, der jedoch in seinem Verantwortungsbereich liege. Er sei im Übrigen von der Staatsanwaltschaft angeklagt, sich die betreffenden Unterlagen unter dem Vorwand, eine ordnungsmäßige Buchführung nachträglich erstellen zu wollen, beschafft und dann selbst vernichtet zu haben. Im Übrigen seien die Unterlagen nach der eigenen Aussage des Antragstellers erst 1997/1998 gestohlen worden, so dass sie vorher hätten bearbeitet werden können. Ggf. müsse sich der Antragsteller bei anderen Personen Einsicht in die Geschäftsunterlagen verschaffen, um seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen. Für die Lohnsteuerrückstände komme eine quotale Inanspruchnahme ohnehin nicht in Betracht.

Den vom Antragsteller gestellten Prozesskostenhilfeantrag hat das FG mit dem zu den Az. ... ergangenen Beschluss zurückgewiesen. Hinsichtlich des Verfahrens 3 (2) K 344/96 heißt es in dem Beschluss, der Antragsteller habe nichts vorgetragen, woraus sich die Unrichtigkeit der angegriffenen Einspruchsentscheidung ergeben könnte; auch nach Aktenlage ergäben sich dafür keine Anhaltspunkte.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die unter Angabe des Az. 3 (2) K 344/96 eingelegte Beschwerde des Antragstellers, mit der im Wesentlichen Folgendes vorgetragen wird:

Die GmbH habe mit der Buchführung mehrere auswärtige Berater beauftragt, die dem Antragsteller die fertigen Steuererklärungen vorgelegt hätten. Der Antragsteller sei sicher, dass er in diesem Rahmen die Fertigung der Körperschaftsteuererklärung 1992 ausreichend überwacht habe. Er sei mindestens zweimal im Monat mit dem steuerlichen Berater zusammengetroffen und habe sich ein Bild darüber verschafft, inwieweit die Buchführungsarbeiten und die Fertigung der Steuererklärungen fortschritten. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Vorsteuern sei es mit dem FA zu Meinungsverschiedenheiten gekommen. Der Antragsteller habe mehrere steuerliche Berater hinzugezogen und nicht erkennen können, dass das FA deren Auffassung möglicherweise nicht teilen werde. Später sei es ihm nicht mehr möglich gewesen, berichtigte Umsatzsteuererklärungen zu erstellen, weil sämtliche Unterlagen von der Steuerfahndung mitgenommen worden und 1998 gestohlen worden seien. Andere Unterlagen befänden sich noch bei dem Zwangsverwalter eines Grundstücks. Der Antragsteller habe sich bemüht, darin Einsicht zu erhalten.

Die Vorwürfe des FA, Vorsteuerabzug sei unberechtigt in Anspruch genommen worden, träfen nicht zu. Die Beschuldigungen des FA seien nur pauschal; auch von der Steuerfahndung sei kein einziger konkreter Vorwurf vorgelegt worden. Eine Benachteiligung des FA gegenüber anderen Gläubigern liege nicht vor; ein Nachweis darüber könne allerdings nicht mehr geführt werden. Für 1994 stellt der Antragsteller unter Zeugenbeweis, dass die GmbH keine liquiden Mittel mehr gehabt habe. Arbeitnehmer seien unentgeltlich beschäftigt worden, Lohnsteuer dementsprechend nicht angefallen.

II. Die Beschwerde ist dahin auszulegen, dass der Antragsteller in diesem Verfahren lediglich sein Ziel weiter verfolgt, für das Klageverfahren gegen den Haftungsbescheid vom 18. September 1995 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 30. August 1996 --Az. des FG 3 (2) K 344/96-- Prozesskostenhilfe (PKH) zu erhalten. Das wegen dieses Bescheides zum Az. 2 (3) V 371/96 offenbar anhängige Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung --AdV-- ist nach dem Beschwerdevorbringen nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Das Gleiche gilt für PKH für die Verfahren ... und ... betreffend Körperschaftsteuer, zumal die diesbezüglichen Klagen zurückgenommen worden sind.

Da der vorgenannte Haftungsbescheid den Antragsteller u.a. wegen rückständiger Körperschaftsteuer in Höhe von rund 17 000 DM nebst Nebenleistungen in Haftung nimmt und der beschließende Senat insoweit nach dem Geschäftsverteilungsplan 2001 des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht zur Entscheidung berufen ist, ist das diesbezügliche Verfahren abzutrennen (§ 73 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und an den zuständigen I. Senat abzugeben.

III. Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Anspruch auf PKH hat, wer die Kosten der Rechtsverteidigung nicht aus seinem verfügbaren Einkommen oder Vermögen aufbringen kann, sofern die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig ist (§ 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung --ZPO--). Dabei hat der Antragsteller nach § 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO in dem Antrag das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen, und zwar so genau und substantiiert, dass es dem Gericht möglich ist, anhand seiner Sachdarstellung zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH vorliegen, insbesondere auch, ob es dem Antragsteller voraussichtlich gelingen kann, einen ihm obliegenden Beweis zu führen.

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Antragstellers nicht.

Nach § 69 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 34 AO 1977 kann ein Geschäftsführer einer Gesellschaft wegen rückständiger Steuern durch Haftungsbescheid nach § 191 AO 1977 in Anspruch genommen werden, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm auferlegten steuerlichen Verpflichtungen der Gesellschaft nicht erfüllt und insbesondere nicht dafür gesorgt hat, dass die Steuern aus den Mitteln, die er verwaltete, entrichtet werden. Der Antragsteller war in dem hier maßgeblichen Zeitraum Geschäftsführer einer Gesellschaft, die ihre --zudem nur teilweise rechtzeitig erklärten-- steuerlichen Verbindlichkeiten nicht erfüllt hat. Dass dies für die Umsatzsteuer gilt, derentwegen der Antragsteller auf Haftung in Anspruch genommen wird, bestreitet er selbst nicht mehr; er hat dazu jedenfalls nichts Substantiiertes vorgebracht. Die entsprechenden Umsatzsteuerfestsetzungen sind zudem offenbar bestandskräftig, so dass der Antragsteller, der sie hätte angreifen können, die Steuerfestsetzung im Haftungsverfahren nach § 166 AO 1977 gegen sich gelten lassen muss. Die Lohnsteuerforderungen des FA, derentwegen der Antragsteller in Anspruch genommen wird, beruhen auf eigenen Anmeldungen der GmbH. Diese stehen dem Vorbringen des Antragstellers entgegen, es seien von der Gesellschaft keine Löhne gezahlt worden, folglich auch keine Steuern entstanden. Es ist schon deshalb bei der in diesem Verfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht davon auszugehen, dass dem Antragsteller im Hauptsacheverfahren der Nachweis gelingen könnte, dass die Gesellschaft keine Lohnsteuer schuldete, die von ihr abgegebenen Lohnsteueranmeldungen also falsch waren. Die von der Beschwerde dafür vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Mitarbeiters der Gesellschaft X ist dafür wenig behelflich, nachdem der Antragsteller in der zugleich von ihm abgegebenen eidesstattlichen Versicherung selbst nicht ausgeschlossen hat, dass andere Arbeitnehmer der Gesellschaft als X in dem fraglichen Zeitraum Löhne erhalten haben, wenn er auch meint, "mit großer Wahrscheinlichkeit" sei dies nicht der Fall gewesen.

Der Antragsteller kann sich seiner Haftung für die nicht beglichenen Steuerschulden der von ihm vertretenen Gesellschaft auch nicht dadurch entziehen, dass er geltend macht, er habe --sogar mehrere-- steuerliche Berater hinzugezogen und diesen die Erledigung der steuerlichen Erklärungspflichten der Gesellschaft übertragen. Abgesehen davon nämlich, dass das Vorbringen des Antragstellers in diesem Zusammenhang allenfalls teilweise ausreichend substantiiert ist, um den Anforderungen der eingangs genannten Vorschrift zu genügen, fehlt es an einer nachvollziehbaren Erklärung des Antragstellers dazu, warum er --bei ordnungsgemäßer Erfüllung der ihm auch gegenüber Steuerberatern obliegenden Überwachungspflicht-- nicht erkannt haben will, dass die Gesellschaft wegen der von ihr beabsichtigten steuerfreien Umsätze eine Aufteilung der Vorsteuer hätte vornehmen müssen. Die allgemein gehaltene Behauptung, der Antragsteller sei "mindestens zweimal im Monat" mit dem steuerlichen Berater der Gesellschaft zusammengetroffen, er habe aber nicht voraussehen können, dass es zu "Meinungsverschiedenheiten" mit dem FA kommen werde, reicht in diesem Zusammenhang für die von dem Antragsteller geforderte substantiierte Darstellung des Streitverhältnisses nicht aus. Es ist auch nicht Aufgabe des Gerichts, im PKH-Verfahren sich anhand der Akten die Tatsachen selbst herauszusuchen, die möglicherweise zu einem Erfolg der in der Hauptsache erhobenen Klage führen könnten.

Schließlich greifen auch die Grundsätze der sog. anteiligen Tilgung bei summarischer Prüfung, wie sie dieses Verfahren kennzeichnet, nicht zu Gunsten des Antragstellers ein. Nach der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats beschränkt sich zwar die Haftung des Geschäftsführers einer Gesellschaft für die Umsatzsteuer sowie die Säumniszuschläge hierauf im Umfang auf den Betrag, um den die Gesellschaft bei unzureichender Liquidität im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerforderungen das FA gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt hat (vgl. schon Urteil vom 26. April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776, und das Urteil des Senats vom 14. Juli 1987 VII R 188/82, BFHE 150, 312, BStBl II 1988, 172). Die Feststellungslast für eine solche Benachteiligung trägt grundsätzlich das FA, jedoch kann es von dem Geschäftsführer verlangen, dass er die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte, die in der Regel nur er erteilen kann, dem FA erteilt und die nötige Mitwirkung leistet, damit die anteilige Umsatzsteuer, für die er ggf. haftet, ermittelt werden kann. Er muss insbesondere Feststellungen zur Höhe der Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschulden, der Höhe der Steuerschulden sowie der an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen ermöglichen (Urteil des Senats vom 12. Juni 1986 VII R 192/83, BFHE 146, 511, BStBl II 1986, 657; zur Mitwirkungspflicht des Haftungsschuldners u.a. Urteil des Senats vom 23. August 1994 VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570).

Diesen verfahrensrechtlichen Obliegenheiten hat der Antragsteller bisher nicht entsprochen. Sein Vorbringen ist insofern gänzlich unsubstantiiert. Er hat weder aus der Erinnerung noch anhand bei steuerlichen Beratern der Gesellschaft möglicherweise noch vorhandener Unterlagen noch eigener Unterlagen oder zu einer Zeit, als er sich in Besitz der ihm von der Steuerfahndung herausgegebenen Buchführungsunterlagen der Gesellschaft befand, deren Sichtung und Auswertung möglich war, irgendwelche Angaben gemacht, aus denen sich eine Haftungsbeschränkung nach den Grundsätzen der anteiligen Tilgung ergeben könnte. Er wird vielmehr von der Staatsanwaltschaft verdächtigt, vorgenannte Unterlagen beiseite geschafft, die Aufklärung insofern also vereitelt zu haben. Unter diesen Umständen vermag der beschließende Senat nicht die für die Gewährung von PKH erforderliche Überzeugung zu gewinnen, dass dem Antragsteller voraussichtlich der Nachweis möglich sein wird, dass die Grundsätze anteiliger Tilgung von ihm beachtet worden sind bzw. dass er jedenfalls diesbezügliche Mitwirkungspflichten nicht schuldhaft verletzt hat.

Ende der Entscheidung

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