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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 19.11.2002
Aktenzeichen: VII B 123/02
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 30 Abs. 2 Nr. 1
AO 1977 § 30 Abs. 4 Nr. 4
AO 1977 § 30 Abs. 5
FGO § 76 Abs. 1
FGO § 102 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt einen ...handel. Am ... April 1996 ging beim Finanzamt X eine schriftliche Anzeige vom ... April 1996 ein, in der der Kläger u.a. beschuldigt wurde, Rechnungen im Umfang von etwa ... DM "unterschlagen" zu haben. Der Anzeigeerstatter gab sich später dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) gegenüber namentlich zu erkennen. Im Rahmen des alsdann eingeleiteten Steuerstrafverfahrens wurde festgestellt, dass der Kläger Umsätze von etwa ... DM erzielt hatte, die er nicht in den von ihm abgegebenen Steuererklärungen angegeben hatte. Er wurde deshalb rechtskräftig zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt.

Der Kläger beantragte, ihm den Namen des Anzeigeerstatters mitzuteilen. Dies lehnte das FA mit Bescheid vom 3. August 2000 ab. Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 11. April 2001) erhobene Klage ab. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, weder aus der Abgabenordnung (AO 1977) noch aus datenschutzrechtlichen Bestimmungen ergebe sich ein Anspruch auf Bekanntgabe des Namens einer Informationsperson. Das Steuergeheimnis (§ 30 AO 1977) gelte nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch zugunsten einer Person, die der Finanzbehörde vertrauliche Informationen über einen Steuerpflichtigen zukommen lasse. Das FA habe es ermessensfehlerfrei abgelehnt, dem Kläger den Namen der Informationsperson mitzuteilen. Die Angaben in der Anzeige vom ... April 1996 hätten sich im Kern als zutreffend erwiesen.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Der Rechtsfrage, ob der Name einer Informationsperson dem Steuergeheimnis unterliege, komme grundsätzliche Bedeutung zu. Ferner liege ein Verfahrensmangel vor, weil das FG seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht erfüllt habe.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.

1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt nur bei einer klärungsbedürftigen und im Revisionsverfahren klärungsfähigen Rechtsfrage in Betracht (vgl. BFH, Beschlüsse vom 12. Juni 1996 IV B 133/95, BFHE 180, 450, BStBl II 1997, 82, 83; vom 27. Mai 2002 VIII B 150/01, BFH/NV 2002, 1463). Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Der Senat hat bereits entschieden, dass Namen von Informationspersonen wie Anzeigeerstatter oder Gewährsleute zu dem Kreis der durch das Steuergeheimnis nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 geschützten "Verhältnisse eines anderen" gehören (vgl. Senatsurteil vom 8. Februar 1994 VII R 88/92, BFHE 174, 197, 201, BStBl II 1994, 552, 554). Hieran hat der Senat in der Folgezeit festgehalten (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Mai 2001 VII B 199/00, BFH/NV 2001, 1366, 1367; vgl. auch BFH-Beschluss vom 25. Juli 1994 X B 333/93, BFHE 174, 491, 493, BStBl II 1994, 802, 803 --zu § 86 Abs. 1 FGO--).

a) Allerdings kann auch eine durch höchstrichterliche Rechtsprechung bereits entschiedene Rechtsfrage noch von grundsätzlicher Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO sein. Dies ist dann der Fall, wenn neue gewichtige Argumente gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgetragen werden, die der BFH bisher nicht erwogen hat (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 180, 450, 451, BStBl II 1997, 82, 83; Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2000 VII B 163/00, BFH/NV 2001, 917, 918).

b) Mit den vom Kläger referierten Argumenten aus der Instanzrechtsprechung und dem Schrifttum hat sich der Senat indessen bereits eingehend in seinem Urteil in BFHE 174, 197, BStBl II 1994, 552 auseinander gesetzt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Einwandes, das Steuergeheimnis sei ein Gegenstück zu den Offenbarungspflichten des Steuerrechts und könne daher nur auf Steuerpflichtige und sonstige auskunftspflichtige Personen bezogen werden (vgl. Landgericht --LG-- Hamburg, Beschluss vom 19. Februar 2002 631 Qs 9/02, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2002, 1216, 1217; Streck/Olbing, Der beim Finanzamt angezeigte Steuerbürger: Auskunftsanspruch contra Steuergeheimnis, Betriebs-Berater 1994, 1267, 1268; Gosch, Anmerkung zur Senatsentscheidung VII R 88/92, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 1994, 217, 218; Schuhmann, Geheimhaltung der Namen von Informanten durch das Finanzamt, Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht --wistra-- 1996, 16, 18). Hierzu hat der Senat ausgeführt, dass es unerheblich sei, ob die betreffende Person in einem steuerlichen Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren auskunftspflichtig sei oder ihre Angaben ohne rechtliche Verpflichtung abgegeben habe (vgl. Senatsurteil in BFHE 174, 197, 201, BStBl II 1994, 552, 554). Dabei hat der Senat auf den mit dem Steuergeheimnis verfolgten Zweck hingewiesen, durch besonderen Schutz des Vertrauens in die Amtsverschwiegenheit die Bereitschaft zur Offenlegung der steuerlich relevanten Sachverhalte zu fördern, um so das Steuerverfahren zu erleichtern, die Steuerquellen vollständig zu erfassen und eine gesetzmäßige, insbesondere auch gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen (vgl. Bundesverfassungsgericht --BVerfG--, Urteil vom 17. Juli 1984 2 BvE 11, 15/83, BVerfGE 67, 100, 140). Hierbei handelt es sich um einen gegenüber dem Schutz des Steuerpflichtigen und der anderen zur Auskunftserteilung verpflichteten Personen gleichwertigen Zweck des Steuergeheimnisses (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 67, 100, 140). Anders als Schuhmann (wistra 1996, 16, 18) meint, steht das Senatsurteil in BFHE 174, 197, 202, BStBl II 1994, 552, 554 daher nicht in Widerspruch zu der Rechtsprechung des BVerfG.

c) Soweit vorgebracht wird, der gewissenlose oder leichtfertige Denunziant verdiene nicht den Schutz des Steuergeheimnisses (vgl. LG Hamburg, Beschluss in NJW 2002, 1216, 1217; Gosch, StBp 1994, 217, 218), hat der Senat auch hierzu bereits Stellung genommen. Der Senat hat ausgeführt, dass § 30 Abs. 4 Nr. 4 und Abs. 5 AO 1977 unter bestimmten Voraussetzungen eine Durchbrechung des Geheimnisschutzes vorsehe, wobei sich die Offenbarungsbefugnis der Finanzbehörden zu einer Verpflichtung verdichten könne, wenn durch die Handlung der Informationsperson das allgemeine Persönlichkeitsrecht des von der Anzeige Betroffenen verletzt werde (vgl. Senatsurteil in BFHE 174, 197, 202, BStBl II 1994, 552, 554).

2. Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel ist von ihm nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt worden. Insoweit bringt der Kläger vor, das FG habe gegen seine Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) verstoßen, weil es den von ihm in seiner Beschwerdeschrift formulierten Fragen nicht durch eine Vernehmung der Finanzbeamten, die mit der Sache befasst gewesen seien, nachgegangen sei.

a) Hat ein Beteiligter in der Vorinstanz --wie hier-- keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt, erfordert eine gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO schlüssige Rüge, das FG habe gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung gemäß § 76 Abs. 1 FGO verstoßen, die Angabe der Tatsachen, die es auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären müssen, oder der zu erhebenden Beweise sowie die Darlegung, weshalb sich dem FG die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung oder einer Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, was sich bei weiterer Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätte und inwiefern das Ergebnis vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG aus entscheidungserheblich gewesen wäre (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. Juli 1999 VII B 19/99, BFH/NV 1999, 1635, 1636; vom 27. Februar 2002 VII B 113/01, BFH/NV 2002, 941, 942).

b) Der Kläger hat in seiner Beschwerdeschrift jedoch nur umfangreich ausgeführt, welche Fragen an die von ihm benannten Zeugen vom FG seiner Ansicht nach zu stellen gewesen wären. Er hat nicht dargelegt, was sich konkret bei einer Befragung dieser Zeugen ergeben hätte. Insbesondere hat der Kläger nicht dargelegt, inwiefern die von ihm formulierten Fragen vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG aus entscheidungserheblich gewesen sein sollen. Das Beschwerdevorbringen läuft im Kern darauf hinaus, das FG habe bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung des FA nicht alle nach Lage der Dinge zu berücksichtigenden Belange (nach entsprechender Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere der "Schutzbedürftigkeit" des Klägers) ausreichend beachtet und gewürdigt. Ein diesbezüglicher Mangel der angefochtenen Entscheidung stellte indes keinen Verfahrensmangel, sondern einen materiellen Mangel dar, der die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen würde. Jedenfalls genügt es nicht für die Darlegung, dass das Urteil des FG auf einem Verfahrensmangel beruhen kann, wenn nur vorgebracht wird, möglicherweise wäre die Entscheidung des FG anders ausgefallen, wenn es die Zeugen gehört hätte und insbesondere der Frage nachgegangen wäre, ob die Informationsperson zum familiären oder geschäftlichen Umfeld des Klägers gehört hat. Der Kläger hat auch insofern nicht nachvollziehbar dargetan, dass dieser Gesichtspunkt nach der materiell-rechtlichen Auffassung des FG für die Überprüfung der Ermessensentscheidung des FA gemäß § 102 Satz 1 FGO von Bedeutung war. Dagegen spricht namentlich, dass das FG einen entsprechenden Vortrag des Klägers im Tatbestand seines Urteils dargestellt hat, in den Entscheidungsgründen hierauf indessen nicht weiter eingegangen ist.

Auch soweit die Beschwerde rügt, das FG habe nicht aufgeklärt, welche mündlichen Anschuldigungen gegen den Kläger erhoben worden seien, übersieht sie, dass es nach dessen materiell-rechtlichem Prüfungsprogramm ausschließlich auf den Inhalt der schriftlichen Anzeige und einen insofern gegebenen Vorsatz des Gewährsmannes des FA ankam.

Ende der Entscheidung

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