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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 11.04.2002
Aktenzeichen: VII B 134/01
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hatte bei der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Oberfinanzdirektion --OFD--) die Erteilung verbindlicher Zolltarifauskünfte (vZTA) über Profilschienenführungen und deren Bestandteile (Profilschiene und Laufwagen) beantragt. Diese Waren kommen im Maschinen- und Gerätebau zum Einsatz, wo sie mit Hilfe von umlaufenden Kugeln eine möglichst reibungs- und verschleißarme sowie präzise lineare Bewegung von Gerätekomponenten bewirken sollen.

Mit den vZTA Nr. DE M/B 459-461/99/01-01 vom 19. April 1999 wurden die Waren als "Wälzlager (Linear-Kugellager) - sog. Profilschienenführung" bzw. als "Teile, erkennbar ausschließlich bestimmt für Wälzlager, unfertig - sog. Führungsschiene bzw. sog. Laufwagen" in die Unterpos. 8482 10 90 bzw. 8482 99 00 der Kombinierten Nomenklatur (KN) eingereiht.

Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage vor dem Finanzgericht (FG), mit der sie begehrte, die getroffenen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben sowie die OFD zu verpflichten, die streitgegenständlichen Waren in die Tarifpos. 8485 KN, hilfsweise 8483 KN einzureihen.

Das FG wies die Klage aus den in Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern (ZfZ) 2002, 99 veröffentlichten Gründen ab.

Hiergegen richtet sich die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und auf Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtssache schon deshalb, weil die Tarifierung von Linearschienenführungen durch die Finanzverwaltung nicht einheitlich sei und aufgrund von Außenprüfungen auch bei konkurrierenden Unternehmen wegen der geänderten Tarifauffassung Nacherhebungen in erheblicher Größenordnung drohten. Auf europäischer Ebene sei die Tarifierung ebenfalls noch ungeklärt. Einige Mitgliedstaaten des Harmonisierten Systems (HS) tarifierten anders als die deutsche Zollverwaltung. Der HS-Ausschuss bei der Weltzollorganisation (WCO) habe sich mit der Frage der Einreihung von Linearführungen bereits befasst, sei jedoch zu keiner Entscheidung gekommen, weil der Antragsteller, die japanische Regierung, den Antrag zurückgenommen habe. Der Ausschuss sei jedoch der Auffassung gewesen, dass Linearschienenführungen keine herkömmlichen Wälzlager seien, und habe die Einreihung in die Pos. 8485 HS befürwortet.

Die Revision sei auch unter dem Gesichtspunkt der Fortbildung des Rechts zuzulassen. Zwar gebe es keine anderslautenden Entscheidungen deutscher oder europäischer Gerichte; eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei jedoch erforderlich, um die einheitliche Rechtsanwendung durch die Zollverwaltung zu sichern.

Die OFD ist der Beschwerde entgegengetreten. Das FG habe unter Hinweis auf die Erläuterungen zu Recht festgestellt, dass die Anordnungen der Führungen (linear oder konzentrisch) und die damit zusammenhängende kreisförmige oder lineare Fortbewegung kein im Wortlaut der Pos. 8482 KN zum Ausdruck gelangtes Einreihungskriterium darstelle, auch wenn diese Unterscheidung für den Handel entscheidend sei und einen eigenständigen Industriezweig hervorgebracht habe. Die Tarifierung sei auf Gemeinschaftsebene eindeutig. Änderungen in der technischen Entwicklung könnten in einem Rechtsstreit vor den Gerichten keine Berücksichtigung finden, denn zur Änderung des HS bzw. der KN seien nur die dafür zuständigen internationalen Gremien befugt. Das WCO-Sekretariat habe zwar damals dem HS-Ausschuss eine Änderung der Tarifierung von Linearschienenführungen vorgeschlagen, in dem betreffenden Dokument jedoch gleichzeitig darauf hingewiesen, dass diese Waren gegenwärtig (März 1997) ausdrücklich in den Erläuterungen zur Pos. 8482 HS genannt würden. Zu einer Änderung des HS sei es aber damals nicht gekommen.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, weil der Rechtssache die von der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht zukommt und eine Zulassung der Revision auch nicht zur Fortbildung des Rechts angezeigt ist.

1. Geht es in einer Zolltarifsache wie im Streitfall allein darum, ob eine von der Zollverwaltung erteilte vZTA die betreffende Ware zutreffend in den Zolltarif (HS oder KN) eingereiht hat oder ob die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers die richtige ist, beschränkt sich also die Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommen soll, auf die Frage der zutreffenden Tarifierung, so kommt, wie der Senat in seinem Beschluss vom 11. Februar 2002 VII B 136/01 eingehend ausgeführt hat, der Klärungsbedürftigkeit der Tarifierungsfrage und ihrer ausreichenden Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) entscheidende Bedeutung zu. Hat das FG die Tarifauffassung der Zollverwaltung bestätigt, muss der Beschwerdeführer unter Heranziehung der zu dieser Frage ggf. vorhandenen Literatur und Rechtsprechung der europäischen und der nationalen Gerichte sowie der einschlägigen Zolltarifmaterialien (Avise, Erläuterungen u.a.), ggf. auch unter Vorlage abweichender vZTA aus anderen Mitgliedstaaten, Zweifel an dieser Einreihung der Ware erwecken und aufzeigen, aus welchen Gründen seiner abweichenden Tarifauffassung möglicherweise der Vorzug vor der in der vZTA zu Grunde gelegten Tarifauffassung gegeben werden könnte. Gewisse Mindestdarlegungen in dieser Richtung sind auch deswegen unabdingbar, um dem BFH als Beschwerdegericht die Prüfung der Frage zu ermöglichen, ob sich ggf. Auslegungszweifel oder Gültigkeitsbedenken in Bezug auf das anzuwendende gemeinschaftliche Zolltarifrecht ergeben könnten, die zur Zulassung der Revision schon deshalb zwängen, weil im Revisionsverfahren voraussichtlich eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) einzuholen wäre.

a) Die Klägerin ist ihrer Darlegungspflicht zwar in ausreichendem Maße nachgekommen; die aufgeworfene Tarifierungsfrage ist nach Auffassung des Senats aber nicht klärungsbedürftig, weil sie eindeutig so zu entscheiden ist, wie es die OFD in ihren vZTA und das FG im angefochtenen Urteil getan haben. Der Vortrag der Klägerin ist nicht geeignet, hieran Zweifel zu erwecken.

Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass der Begriff "Wälzlager" der Positionsüberschrift 8482 KN i.V.m. der dort gegebenen Klammerdefinition ("Kugellager, Rollenlager und Nadellager") Kugellager aller Art erfasst, und zwar ohne Rücksicht darauf, wie die Gleitvorrichtungen angeordnet sind und technisch funktionieren. Denn der Umstand, dass die Führung --wie bei der Profilschienenführung im Streitfall-- linear statt wie herkömmlich konzentrisch angeordnet ist und damit die Fortbewegung linear und nicht kreisförmig verläuft, ist kein im Wortlaut der Tarifposition zum Ausdruck gelangtes Einreihungskriterium. Dies wird durch die Erläuterungen (ErlHS zu Pos. 8482 Rz. 02.0 bis 07.0) bestätigt, wonach Wälzlager eben nur "in der Regel" aus zwei konzentrischen Ringen (Laufringen) usw. bestehen und wonach ausdrücklich auch "mit Kugeln ausgestattete Gleitvorrichtungen (Kugelführungen) z.B. Kugelführungen aus Stahl, mit unbegrenzter Laufbahn", die --wie im Streitfall-- "aus einem Segment, einem Gehäuse mit den Kugeln und einer Führungsschiene mit v-förmiger Nut" bestehen, zu den Kugellagern gerechnet werden.

Der Hinweis der Klägerin auf das Dokument 41.110 E des HS-Ausschusses bei der WCO vom 13. März 1997 vermag diese eindeutige Tariflage nicht in Zweifel zu ziehen. Zwar hatte Japan tatsächlich die Einführung einer neuen Tariflinie (bei Unterpos. zu 8485 90) für lineare Gleitvorrichtungen vorgeschlagen (Abs. 1) und wurde dabei vom Sekretariat des HS-Ausschusses auch unterstützt (Abs. 5). Wie sich jedoch aus Abs. 7 dieses Dokuments ergibt, hat das Sekretariat zugleich darauf hingewiesen, dass Gleitvorrichtungen dieser Art (Kugelführungen) ausdrücklich in der Erläuterung zu Pos. 8482 HS genannt seien, mithin nach geltender Tariflage zu dieser Position gehörten. Da Japan seinen Antrag nicht weiterverfolgt hat und zwischenzeitlich eine neue Tariflinie für lineare Gleitvorrichtungen auch nicht geschaffen wurde, gibt das besagte Dokument noch die aktuelle Tariflage wieder.

Die Gerichte sind, anders als die Klägerin meint, nicht dazu befugt, dem Fortschritt der technischen Entwicklung im Wege einer veränderten Auslegung des Zolltarifs Rechnung zu tragen. Diese Aufgabe --wozu vornehmlich auch die Schaffung neuer Tariflinien gehört-- obliegt den für die Verwaltung des HS eingerichteten besonderen Gremien und letztlich dem Gemeinschaftsgesetzgeber, der entsprechende Vorgaben dieser Gremien in Gemeinschaftsrecht umzusetzen hat (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Januar 1989 Rs. 234/87, EuGHE 1989, 72; BFH, Urteil vom 24. November 1992 VII K 1/92, BFH/NV 1993, 759).

Auch mit ihren weiteren Argumenten vermag die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Tarifierungsfrage nicht zu begründen. Wenn die Zollverwaltung in der Vergangenheit, wie vorgetragen, den streitgegenständlichen entsprechende Waren anders als in den angefochtenen vZTA eingereiht haben sollte und daher jetzt Nacherhebungen in großem Umfang drohen, so wäre diese Tarifauffassung nach den obigen Ausführungen unrichtig gewesen und trüge nichts zur Frage der Klärungsbedürftigkeit der zutreffenden Tarifierung linearer Gleitvorrichtungen bei.

Eine etwa abweichende Tarifierungspraxis in anderen HS-Mitgliedstaaten oder in Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat die Klägerin zwar behauptet, aber keine tragfähigen Unterlagen vorgelegt, aus denen sich eine solche abweichende Tarifierungspraxis klar ergeben könnte. Aus der im Laufe des Beschwerdeverfahrens vorgelegten vZTA der niederländischen Zollverwaltung (in niederländischer Sprache) ergibt sich nicht, dass es sich bei der dort eingereihten "Linear Stage", wie vorgetragen, um eine der streitgegenständlichen Profilschienenführung hinsichtlich Aufbau und Funktionsweise gleiche Ware handelt. Die OFD hat hierzu --von der Klägerin unwidersprochen-- ausgeführt, dass es sich dabei vielmehr um eine Kugelrollspindel handelt, die im Wortlaut der Pos. 8483 KN namentlich genannt und in den ErlHS Rz. 24.5 zu dieser Position näher beschrieben ist.

b) Insgesamt ist es der Klägerin damit nicht gelungen, Zweifel an der vorgenommenen Einreihung der Profilschienenführung in die Unterpos. 8482 10 90 --und damit als Folge auch der Tarifierung von Führungsschiene und Laufwagen in die "Teileunterposition" 8482 99 00-- zu erwecken. Damit ist die aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig; ihr kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. In einem künftigen Revisionsverfahren träfe den Senat daher auch keine Verpflichtung, die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG vorzulegen (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 --C.I.L.F.I.T.-- EuGHE 1982, 3415, 3430). Insofern verhält es sich anders als bei dem dem Vorlagebeschluss vom 14. Januar 1992 VII K 3/91 (BFH/NV 1992, 499) zugrunde liegenden Sachverhalt, als sich der Senat aufgrund der konkreten Umstände des Falles für verpflichtet hielt, zur Frage der Tarifierung von "Linearführungen" eine Vorlage an den EuGH zu richten, die er später wegen der Rücknahme der Klage wieder zurückgezogen hat.

2. Soweit die Klägerin ihre Beschwerde auf den Gesichtspunkt der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) stützt, genügt der Hinweis, dass der Senat, wie bereits ausgeführt, zu einer Rechtsfortbildung im Sinne einer Abänderung der Auslegung des Zolltarifs im Hinblick auf die Anpassung an die technische Entwicklung nicht befugt ist. Im Übrigen ist ein Rechtsfortbildungsbedarf nicht ersichtlich.



Ende der Entscheidung

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