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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.04.2002
Aktenzeichen: VII B 142/01
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hatte bei der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Oberfinanzdirektion --OFD--) die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) über eine als Reispapier (Teigware aus Reis) bezeichnete Ware unter Einreihung als Lebensmittelzubereitung in die Unterpos. 1901 90 99 der Kombinierten Nomenklatur (KN) beantragt. Bei der Ware handelt es sich um ein Erzeugnis, das in einer Kunststofffolie mit dem Aufdruck "Rice Paper" und "Galettes de RIZ", "500g" verpackt ist und aus farblosen, spröden, glasig-durchscheinenden, runden Blättern von ca. 17,5 cm Durchmesser besteht, die aus Reis, Tapioka, Salz und Wasser hergestellt sind.

Mit der vZTA Nr. DE M/838/99/1 vom 16. November 1999 wurde die Ware als "getrocknete Teigblätter aus Mehl oder Stärke" in die Unterpos. 1905 90 20 KN eingereiht.

Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage vor dem Finanzgericht (FG), mit der sie begehrte, die getroffenen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben sowie die OFD zu verpflichten, die streitgegenständliche Ware in die Unterpos. 1901 90 99 KN einzureihen.

Das FG wies die Klage ab und bestätigte die Einreihung durch die OFD. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, die streitgegenständliche Ware sei in Pos. 1905 KN ausdrücklich genannt, sodass schon nach Maßgabe der Allgemeinen Vorschrift (AV) 1 die von der Klägerin begehrte Einreihung in eine Auffangposition ausscheide. Die Einreihungsverordnung (EG) Nr. 1196/97 (VO Nr. 1196/97) der Kommission vom 27. Juni 1997 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 170/13) sei zwar zu Umhüllungen für Frühlingsrollen ergangen und daher auf die vorliegende Ware nicht anwendbar, bestätige aber zusammen mit den Erläuterungen zum Harmonisierten System --HS-- (Rz. 16.0 zu Pos. 1901 KN und Rz. 28.0 zu Pos. 1905 KN) das Tarifierungsergebnis.

Hiergegen richtet sich die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtssache schon deshalb, weil im begehrten Revisionsverfahren eine Vorlageverpflichtung des Bundesfinanzhofs (BFH) an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gegeben sei. Bislang gebe es noch keine höchstrichterliche Entscheidung zur Abgrenzung der beiden in Frage kommenden Unterpositionen und auch nicht zur Bedeutung der VO Nr. 1196/97 in diesem Zusammenhang. Die Einreihungspraxis in den einzelnen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sei nicht einheitlich, was die mit der Beschwerdebegründung vorgelegten vZTA aus anderen Mitgliedstaaten bestätigten. Die Auslegung sei mithin zweifelhaft, was nach den Maßstäben des C.I.L.F.I.T.-Urteils des EuGH zur Vorlage führen müsse. Das FG habe bei der Auslegung auch nicht alle sprachlichen Fassungen der in Betracht kommenden Rechtsvorschriften berücksichtigt und die gebotenen Auslegungsmaßstäbe nicht beachtet, insbesondere die "Sperrwirkung" der VO Nr. 1196/97 verkannt, unzulässigerweise auf das Herstellungsverfahren abgestellt, den Zusatz von Manioka als wesentliches und charakterbestimmendes Merkmal der Ware außer Betracht gelassen und die streitgegenständliche Ware unzulässig mit den in der Pos. 1905 KN genannten "Oblaten" und "Leb- und Honigkuchen" gleichgestellt.

Die OFD ist der Beschwerde entgegengetreten. Das FG habe unter Hinweis auf den Wortlaut der Pos. 1905 KN und die dazu ergangenen Erläuterungen zum HS sowie auf die VO Nr. 1196/97 zu Recht ihre Tarifauffassung bestätigt. Vergleichbare Waren würden auch von den Zollbehörden Frankreichs, Italiens, Schwedens und der Niederlande in die Unterpos. 1905 90 20 KN eingereiht. Als Beleg hierfür legte die OFD eine Reihe von vZTA vor. Die von der Klägerin vorgelegten vZTA beträfen andere Waren, nämlich Mischungen und Teig zum Herstellen von Backwaren der Pos. 1905 KN, die zutreffend in die Unterpos. 1901 20 KN sowie als Teigwaren in die Unterpos. 1902 30 10 KN eingereiht worden seien.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, weil der Rechtssache die von der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht zukommt.

Geht es in einer Zolltarifsache wie im Streitfall allein darum, ob eine von der Zollverwaltung erteilte vZTA die betreffende Ware zutreffend in den Zolltarif (HS oder KN) eingereiht hat oder ob die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers die richtige ist, beschränkt sich also die Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommen soll, auf die Frage der zutreffenden Tarifierung, so kommt, wie der Senat in seinem Beschluss vom 11. Februar 2002 VII B 136/01, DStRE 2002, 722 eingehend ausgeführt hat, der Klärungsbedürftigkeit der Tarifierungsfrage und ihrer ausreichenden Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) entscheidende Bedeutung zu. Hat das FG die Tarifauffassung der Zollverwaltung bestätigt, muss der Beschwerdeführer unter Heranziehung der zu dieser Frage ggf. vorhandenen Literatur und Rechtsprechung der europäischen und der nationalen Gerichte sowie der einschlägigen Zolltarifmaterialien (Avise, Erläuterungen u.a.), ggf. auch unter Vorlage abweichender vZTA aus anderen Mitgliedstaaten, Zweifel an dieser Einreihung der Ware erwecken und aufzeigen, aus welchen Gründen seiner abweichenden Tarifauffassung möglicherweise der Vorzug vor der in der vZTA zu Grunde gelegten Tarifauffassung gegeben werden könnte. Gewisse Mindestdarlegungen in dieser Richtung sind auch deswegen unabdingbar, um dem BFH als Beschwerdegericht die Prüfung der Frage zu ermöglichen, ob sich ggf. Auslegungszweifel oder Gültigkeitsbedenken in Bezug auf das anzuwendende gemeinschaftliche Zolltarifrecht ergeben könnten, die zur Zulassung der Revision schon deshalb zwängen, weil im Revisionsverfahren voraussichtlich eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) einzuholen wäre.

Die Klägerin ist ihrer Darlegungspflicht zwar in ausreichendem Maße nachgekommen; die aufgeworfene Tarifierungsfrage ist nach Auffassung des Senats aber nicht klärungsbedürftig, weil sie eindeutig so zu entscheiden ist, wie es die OFD in ihrer vZTA und das FG im angefochtenen Urteil getan haben. Der Vortrag der Klägerin ist nicht geeignet, hieran Zweifel zu erwecken.

a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass sowohl in der Überschrift zur Pos. 1905 KN als auch in der Unterpositionslinie 1905 90 20 KN "getrocknete Teigblätter aus Mehl oder Stärke und ähnliche Waren" ausdrücklich genannt sind und daher, falls die Ware hier einzuordnen ist, ein Rückgriff auf die Auffangposition 1901 als "Lebensmittelzubereitung aus Mehl, ... Stärke, ... anderweit weder genannt noch inbegriffen" schon nach der AV 1 ausscheidet.

b) Der Klägerin ist es mit ihrem Vortrag nicht gelungen, Zweifel an der Zuordnung der streitgegenständlichen Ware zur Unterpos. 1905 90 20 KN zu erwecken. Aus dem Vortrag ist nicht ersichtlich geworden, inwiefern das FG gegen die Grundregel der zolltariflichen Einreihung verstoßen haben sollte, wonach das entscheidende Kriterium dieser Einreihung grundsätzlich in den objektiven Merkmalen und Eigenschaften einer Ware zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und ggf. auch in den Vorschriften zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 28. März 2000 Rs. C-309/98 --Holz Geenen--, EuGHE 2000, I-1975, Abs. 14). Es ist nicht zu beanstanden, dass das FG unter Heranziehung der Herstellererklärung der Klägerin zu der Auffassung gekommen ist, dass das "Reispapier" hinsichtlich des Reisanteils aus Stärke hergestellt worden ist und der Bestandteil an Tapioka (Maniokawurzel), der in einem Gutachten auf 10 bis 30% bemessen wird, der Ware nicht ihren wesentlichen Charakter im Sinne der AV 3b verleiht. Demgegenüber spielt es keine Rolle, in welchem Herstellungsverfahren die Stärke gewonnen worden ist. Das FG hat das diesbezügliche Verfahren der Nassmüllerei auch nur erwähnt, um den Einwand der Klägerin, es handele sich nicht um Stärke, zu widerlegen, nicht aber, um damit die Einreihung zu begründen.

Inwieweit eine Einreihungsverordnung wie die VO Nr. 1196/97 eine "Sperrwirkung" entfalten sollte, bleibt unverständlich. Einreihungsverordnungen gelten stets nur für die begutachtete Ware, die Anlass zu der Verordnung gegeben hat. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die VO Nr. 1196/97 (dort Anhang Nr. 1) nicht zur Anwendung kommen kann, weil die "Teigblätter, unterschiedlicher Größe, hergestellt aus Reismehl, Salz und Wasser" nach der Warenbeschreibung dort zur Herstellung von Umhüllungen für Frühlingsrollen verwendet werden. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass bei anderweitiger Verwendung der Teigblätter eine Zuordnung zu derselben Unterpos. 1905 90 20 KN ausgeschlossen sein soll, denn auf die genaue Verwendung des Lebensmittels kommt es bei Pos. 1905 KN nicht an. Ebenso wenig wäre maßgeblich, dass dort Reismehl, hier aber Reisstärke zum Einsatz kam, denn nach dem Wortlaut der betreffenden Unterposition ist beides zugelassen. Auch die Beigabe von Tapioka als nicht bestimmender Anteil im Streitfall führt nicht zu der von der Klägerin behaupteten Sperrwirkung. Mithin steht die VO Nr. 1196/97 der im Streitfall getroffenen Einreihung nicht entgegen. Sie darf vielmehr, wie vom FG vertreten, als Bestätigung der Tarifauffassung der OFD gewertet werden, weil die Warenbeschreibung in ihren wesentlichen Punkten mit derjenigen im Streitfall übereinstimmt.

Zur Unterpos. 1905 20 KN ("... Leb- und Honigkuchen und ähnliche Waren") hat das FG nicht entschieden; ebenso wenig hat es die streitgegenständlichen Waren mit Oblaten gleichgestellt. Diesbezügliche Angriffe der Klägerin gehen fehl. Ebenso bleibt unklar, weshalb das FG die KN in allen Sprachfassungen hätte heranziehen sollen und müssen; hat die Klägerin doch keinen Begriff aufgezeigt, dessen Bedeutung im Wege der Auslegung unter Heranziehung auch anderer Sprachfassungen hätte geklärt werden müssen.

c) Auch der Hinweis der Klägerin auf die vorgelegten vZTA, welche eine abweichende Tarifierungspraxis in anderen Mitgliedstaaten belegen sollen, vermag diese eindeutige Tariflage nicht in Zweifel zu ziehen. Insofern genügt die Bemerkung, dass diese vZTA ganz offensichtlich andere Waren betreffen, nämlich gefrorene Mischungen und Teig zum Herstellen von Waren der Pos. 1905 KN (1901 20 KN) oder Teigwaren der Unterpos. 1902 30 KN. Hingegen hat die OFD sechs vZTA aus Frankreich, Italien, Schweden und den Niederlanden vorgelegt, die alle bestätigen, dass "Feuille ou Galette de Riz", "rice paper", "Rispapper" oder "Rijstpapier" von den betreffenden Zollverwaltungen in die Unterpos. 1905 90 20 KN eingereiht worden sind. Die Vorlage dieser vZTA ist kein neues und unzulässiges Tatsachenvorbringen, wie die Klägerin meint, und zwar nicht nur deshalb, weil der OFD nicht verwehrt sein kann, was die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, sondern weil die Vorlage einer vZTA als Beibringung einer zollrechtlichen Entscheidung i.S. der Art. 6 und 12 Zollkodex nicht allein dem reinen Tatsachenbereich zuzurechnen ist, sondern wegen ihrer Bindungswirkung über den nationalen Bereich hinaus wie etwa Einreihungsverordnungen und Tarifavise zu den Rechtstatsachen gehört, die in beiden Instanzen eines finanzgerichtlichen Verfahrens berücksichtigt werden können und, soweit sie dem Gericht bekannt oder bekannt gemacht worden sind, bei seiner Entscheidung auch berücksichtigt werden müssen.

d) Insgesamt ist es der Klägerin damit nicht gelungen, Zweifel an der vorgenommenen Einreihung des Reispapiers in die Unterpos. 1905 90 20 KN zu erwecken. Damit ist die aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig; ihr kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. In einem künftigen Revisionsverfahren träfe den Senat daher auch keine Verpflichtung, die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG vorzulegen (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 --C.I.L.F.I.T.--, EuGHE 1982, 3415, 3430).

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