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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.07.2003
Aktenzeichen: VII B 142/03
Rechtsgebiete: FGO, UStG, AO 1977, ZK, Verordnung EWG Nr. 3632/85


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 3
FGO § 155
UStG § 21 Abs. 2
AO 1977 § 370 Abs. 1 Nr. 1
ZK Art. 201 Abs. 3
ZK Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2
ZK Art. 5 Abs. 5
ZK Art. 244 Unterabs. 2
ZK a.F. Art. 221 Abs. 3 Satz 1
Verordnung EWG Nr. 3632/85 Art. 3 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) betreibt ein Speditionsunternehmen. Er befasst sich insbesondere mit dem internationalen Transport von Islandpferden sowie der Abwicklung der Einfuhrformalitäten.

Am 13. November 1995 ließ der Antragsteller im Namen des Empfängers O beim Hauptzollamt A die Einfuhr eines Islandpferdes zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr anmelden. Dabei ließ er hinsichtlich des angemeldeten Zollwerts von 2 311 DM eine Rechnung des Ausführers vorlegen, in der neben einem Kaufpreis von 1 111 DM für das Pferd insgesamt 1 200 DM für Beförderungs- und Ausfuhrkosten ausgewiesen waren. Das Hauptzollamt A folgte den Angaben in der Zollwertanmeldung und setzte auf dieser Grundlage die Einfuhrabgaben gegen O fest.

In der Folgezeit leitete das Zollfahndungsamt (ZFA) B gegen den Antragsteller und dessen Ehefrau ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ein. Hiervon setzte das ZFA B den Antragsgegner und Beschwerdeführer (Hauptzollamt --HZA--) in Kenntnis und teilte mit, auf Grund der Erkenntnisse aus zahlreichen anderen Verfahren sei davon auszugehen, dass im Streitfall eine unterfakturierte Rechnung vorgelegt worden sei, weil für Stuten mit guter Abstammung ein Preis von mindestens 5 000 DM anzusetzen sei. Dem seien Pensionskosten für die Zeit vom Abschluss des Kaufvertrags bis zur Einfuhr von 1 050 DM hinzuzurechnen.

Dem folgte das HZA und forderte zunächst von O mit Bescheid vom ... Januar 2002 insgesamt ... € Zoll und Einfuhrumsatzsteuer nach. Mit seinem hiergegen eingelegten Einspruch machte O geltend, die Einfuhrformalitäten seien vom Verkäufer des Pferdes von Island aus getätigt worden.

Das HZA forderte den Antragsteller daraufhin auf, einen Nachweis für seine Vertretungsmacht zu übersenden. Der Antragsteller teilte hierauf mit, O habe die Vollmacht seiner Ehefrau gegenüber erteilt. Da das HZA den Nachweis einer Bevollmächtigung nicht als erbracht ansah, hob es den gegenüber O ergangenen Bescheid auf und forderte vom Antragsteller mit Bescheid vom ... September 2002 die Einfuhrabgaben von ... € nach. Hiergegen legte der Antragsteller Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV), die das HZA ablehnte.

Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag auf AdV gegen Sicherheitsleistung statt. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, es bestünden begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Es sei ernstlich zweifelhaft, dass die Einfuhrabgaben in der Person des Antragstellers nach Art. 201 Abs. 3 i.V.m. Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex --ZK--) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 302/1) entstanden seien. Nach summarischer Prüfung spreche einiges dafür, dass der Antragsteller mit Vertretungsmacht des O gehandelt habe. Der Antragsteller habe durch die Vorlage der Versicherung an Eides statt seiner Ehefrau glaubhaft gemacht, von O mit der Durchführung des Transports des Pferdes beauftragt worden zu sein. Wenn auch die Beauftragung einer Spedition nicht notwendig die Erteilung einer Vollmacht für die Zollbehandlung umfasse, sei dies für die Durchführung der Einfuhrformalitäten des Speditionsauftrags doch sachgerecht. Eine Vollmacht für die Vertretung bei der Vornahme einer das Zollrecht betreffenden Verfahrenshandlung könne nach dem hier maßgeblichen einzelstaatlichen Recht formfrei erteilt werden. Auch der Nachweis der Vertretungsmacht gegenüber der Zollbehörde müsse nicht schriftlich erfolgen. Wegen der bestehenden begründeten Zweifel an der Abgabenschuldnerschaft des Antragstellers könne offen bleiben, ob die Abgabenschuld verjährt sei.

Mit der Beschwerde trägt das HZA vor, zwar seien sowohl die Erteilung einer Vollmacht als auch der Nachweis der Vertretungsmacht nach Art. 5 Abs. 5 ZK nicht formgebunden. O habe jedoch geltend gemacht, die Einfuhrformalitäten seien vom Verkäufer von Island aus getätigt worden. Regelmäßig seien die für die Einfuhrabfertigung notwendigen Unterlagen dem Antragsteller direkt von einem isländischen Exportagenten über eine Reederei übersandt worden. Der Antragsteller habe sich häufig erst nach der Zollabfertigung mit den Empfängern in Verbindung gesetzt, um den Weitertransport der Pferde zu regeln. Eine nachträgliche Genehmigung eines Handelns in fremdem Namen durch den Empfänger sei jedoch unzulässig. Überdies könne die Versicherung an Eides statt der Ehefrau des Antragstellers für den Nachweis der Vertretungsmacht nicht mehr berücksichtigt werden, weil sie erst nach Ablauf der ihm zuletzt bis zum 24. Mai 2002 gesetzten Frist vorgelegt worden sei. Nach dieser Versicherung an Eides statt bleibe auch offen, ob O den Auftrag für den Transport des Pferdes vor oder nach der Zollabfertigung erteilt habe und er auch die Vertretung bei der Abgabe der Zollanmeldung umfasst habe. Die nachgeforderten Einfuhrabgaben seien auch nicht verjährt. Aus dem Schlussbericht des ZFA C ergebe sich, dass die Ehefrau des Antragstellers von der Praxis der Vorlage unterfakturierter Rechnungen bei der Einfuhr von Islandpferden gewusst habe. Da sie dennoch im Streitfall die ihr übermittelte Rechnung ohne weitere Prüfung mit der Zollanmeldung vorgelegt habe, habe sie eine Steuerhinterziehung begangen.

Das HZA beantragt, den angefochtenen Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag auf AdV abzulehnen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er macht geltend, er habe glaubhaft gemacht, von O bevollmächtigt worden zu sein. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Zollanmeldung habe ein entsprechender Auftrag des O vorgelegen, weil er andernfalls nicht tätig geworden wäre.

II. Die zulässige Beschwerde des HZA (§ 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist unbegründet. Wie das FG zutreffend entschieden hat, bestehen begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids.

Nach Art. 244 Unterabs. 2 ZK, der sinngemäß für das finanzgerichtliche Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO anzuwenden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 22. November 1994 VII B 140/94, BFHE 176, 170, 172), setzen die Zollbehörden die Vollziehung einer angefochtenen Entscheidung ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Begründete Zweifel i.S. des Art. 244 Unterabs. 2 ZK bestehen, wenn bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der angefochtenen Entscheidung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen auch gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die eine Unentschiedenheit in der Beurteilung der Rechtslage oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 176, 170, 173). Mit dem FG ist davon auszugehen, dass derartige Zweifel im Streitfall gegeben sind.

a) Nach Art. 201 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 ZK ist Zollschuldner der Anmelder. Dies ist die Person, die in eigenem Namen eine Zollanmeldung abgibt, oder die Person, in deren Namen eine Zollanmeldung abgegeben wird (Art. 4 Nr. 18 ZK). Personen, die erklären, im Namen oder für Rechnung eines anderen zu handeln, aber keine Vertretungsmacht besitzen, gelten als in eigenem Namen und für eigene Rechnung handelnd (Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 ZK). Entsprechendes gilt nach § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes für die Einfuhrumsatzsteuer.

Wie das HZA nicht in Abrede stellt, kann die Vollmacht, sich gegenüber den Zollbehörden bei der Vornahme der das Zollrecht betreffenden Verfahrenshandlungen vertreten zu lassen (Art. 5 Abs. 1 ZK), formfrei erteilt werden (vgl. bereits Senatsurteil vom 2. April 1987 VII R 60/84, BFHE 150, 93, 96). Der Nachweis der Vertretungsmacht gegenüber den Zollbehörden nach Art. 5 Abs. 5 ZK kann gleichfalls nicht nur durch die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht geführt werden (vgl. Friedrich in Schwarz/Wockenfoth, Zollgesetz, 3. Aufl., Art. 5 ZK Rz. 29; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 80 AO Rz. 27). Da der Begriff des Nachweises gemeinschaftsrechtlich nicht geregelt ist, sind grundsätzlich alle Beweismittel zulässig, die das einzelstaatliche Verfahrensrecht zulässt (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 23. März 2000 Rs. C-310/98 und C-406/98 --Met-Trans und Sagpol--, EuGHE 2000, I-1797 Rdnr. 29 --zu Art. 454 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 253/1--).

Anders als das HZA meint, berührt es die Wirksamkeit einer tatsächlich bestehenden Vertretungsmacht nicht, wenn der von der Zollbehörde nach Art. 5 Abs. 5 ZK geforderte Nachweis erst nach Ablauf einer dem Vertreter gesetzten Frist geführt wird (vgl. bereits Senatsurteil in BFHE 150, 93, 95). Dieser noch zu Art. 3 Abs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 3632/85 des Rates vom 12. Dezember 1985 zur Festlegung der Voraussetzungen, unter denen eine Person eine Zollanmeldung abgeben kann (ABlEG Nr. L 350/1), entwickelte Grundsatz gilt unverändert fort, weil die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen im Wesentlichen unverändert geblieben sind.

b) Entgegen der vom HZA vertretenen Auffassung hat der Antragsteller das Bestehen einer Vertretungsmacht des O auch durch die Vorlage der Versicherung an Eides statt seiner Ehefrau vom 16. Dezember 2002 glaubhaft gemacht (§ 155 FGO i.V.m. § 294 Abs. 1 der Zivilprozessordnung). Hierin bestätigt die Ehefrau des Antragstellers, für diesen den Auftrag für den Transport der Stute ... am 13. November 1995 von O entgegengenommen zu haben. Dieser Auftrag umfasste nach dieser Versicherung an Eides statt auch die Erledigung der Einfuhrformalitäten und damit die Vertretung des O bei der Abgabe der Zollanmeldung. Die Ehefrau des Antragstellers gab im ersten Absatz ihrer Versicherung an Eides statt an, dass ihr Ehemann seinen Kunden auch diese Dienstleistung anbiete. Im dritten Absatz dieser Versicherung an Eides statt erklärte die Ehefrau des Antragstellers unmittelbar nach der Schilderung der Auftragserteilung durch O, der der Zollanmeldung zu Grunde gelegte Wert habe sich aus einer Mitteilung des Ausführers des Pferdes ergeben. Hieraus folgt, dass auch der Auftrag zur Abwicklung der Einfuhrformalitäten von O vor der Abgabe der Zollanmeldung vom 13. November 1995 erteilt worden sein soll. Dass nach den Feststellungen des ZFA C Aufträge zur Abwicklung der Verzollung von den Kunden des Antragstellers in den wenigsten Fällen erteilt worden seien, schließt nicht aus, dass O dem Antragsteller im Streitfall dennoch einen derartigen Auftrag erteilt haben kann. Der in dem Einspruchsverfahren betreffend den gegen O ergangenen Steuerbescheid aufgestellten Behauptung des O, die Einfuhrformalitäten seien vom Verkäufer des Pferdes von Island aus getätigt worden, kommt kein höherer Beweiswert zu als der Versicherung an Eides statt der Ehefrau des Antragstellers. Ob O den Antragsteller tatsächlich bevollmächtigt hat, die Zollanmeldung vom 13. November 1995 in seinem Namen abzugeben, wird ggf. vom FG im Hauptsacheverfahren aufzuklären sein.

c) Da die AdV bereits wegen der begründeten Zweifel daran, ob der Antragsteller überhaupt Zollschuldner ist, zu gewähren ist, kann offen bleiben, ob die Nachforderung der Einfuhrabgaben vom Antragsteller auch nach Art. 221 Abs. 3 Satz 1 ZK i.d.F. vor In-Kraft-Treten der Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 (ABlEG Nr. L 311/17) unzulässig wäre, weil sie erst nach Ablauf von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld erfolgt ist. Dahinstehen kann ebenfalls, ob sich dem Schlussbericht des ZFA C ausreichende Feststellungen für die Annahme des HZA entnehmen ließen, dass im Streitfall eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) durch die Anmeldung eines unzutreffenden Zollwertes begangen wurde (vgl. hierzu Senatsurteil vom 21. November 2000 VII R 8/00, BFH/NV 2001, 570, 571) und deshalb eine Verjährungsfrist von zehn Jahren gilt (Art. 221 Abs. 3 Satz 2 ZK a.F. i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977) sowie ob das HZA zu Recht die Pensionskosten von 1 050 DM dem angenommenen Kaufpreis von 5 000 DM hinzugerechnet hat.



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