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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.12.2008
Aktenzeichen: VII B 155/08
Rechtsgebiete: AO, ZPO


Vorschriften:

AO § 46 Abs. 6
AO § 150 Abs. 2
AO § 150 Abs. 3 S. 1
ZPO § 836 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) legte dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts (AG) vor, der die Erstattung von Einkommen- und Kirchensteuer nebst Solidaritätszuschlag für die Jahre 2000 bis 2002 des Herrn N betraf. Das FA erkannte lediglich Ansprüche in Bezug auf die Einkommensteuerveranlagung 2002 an. Da N keine Einkommensteuererklärung eingereicht hatte, ermittelte das FA die Besteuerungsgrundlagen im Wege der Schätzung. Gegen den daraufhin erlassenen Einkommensteuerbescheid 2002 legte die Klägerin Einspruch ein und bat um Übersendung des Bescheids, um eine geänderte Einkommensteuererklärung einreichen zu können. Dies lehnte das FA mit der Begründung ab, dass die Klägerin als Pfandgläubigerin nicht befugt sei, gegen den an N gerichteten Verwaltungsakt Einspruch einzulegen. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und eines Beschlusses des AG, mit dem der Klägerin als Pfandgläubigerin nach § 887 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) das Recht zugewiesen wurde, zur Durchsetzung des N für 2002 zustehenden Steuererstattungsanspruchs das Einspruchsverfahren sowie das Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) zu führen, hielt die Klägerin an ihrem Begehren fest. Daraufhin verwarf das FA den Einspruch als unzulässig. Die sodann eingereichte Klage nahm die Klägerin aufgrund einer Mitteilung des FG, in der es Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung des Vorverfahrens äußerte, zurück.

Der von der Klägerin erneut eingelegte Einspruch sowie die Klage hatten keinen Erfolg. Das FG urteilte, dass die Klägerin als Pfandgläubigerin im Steuerfestsetzungsverfahren des Vollstreckungsschuldners nicht klagebefugt und deshalb die Klage unzulässig sei. Zur Begründung seiner Rechtsansicht verwies das FG auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. August 1998 VII R 114/97 (BFHE 187, 1, BStBl II 1999, 84) und vom 29. Februar 2000 VII R 109/98 (BFHE 191, 311, BStBl II 2000, 573) sowie auf den Beschluss des BGH vom 27. März 2008 VII ZB 70/06 (BGHZ 176, 79), in dem der BGH seine im Beschluss vom 12. Dezember 2003 IXa ZB 115/03 (BGHZ 157, 195, BFH/NV 2004, Beilage 2, 160) vertretene Rechtsansicht aufgegeben hat.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Zu klären sei die Rechtsfrage, ob dem Pfandgläubiger das Dispositionsrecht durch die Ausübung des Antrags-, Einspruchs-, Klage- und Revisionsrechts am gepfändeten Steueranspruch gegenüber dem Fiskus als Drittschuldner (Wohn- oder/und Betriebsstätten-Finanzamt) zustehe. Es widerspreche rechtsstaatlichen Grundsätzen, wenn im Gegensatz zum sonst im Pfändungsrecht geltenden Rechtsdurchsetzungsanspruch des Gläubigers dieser gegenüber dem Fiskus gehindert würde, sein durch die Pfändung und den Schuldtitel erworbenes Recht selbst durchzusetzen. Für eine rechtsstaatlich und verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare Privilegierung des Fiskus gebe es keinen nachvollziehbaren Grund. Die verfassungsrechtlich geschützten Eigentums- und Rechtsdurchsetzungsrechte garantierten u.a. den rechtsstaatlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Die Rechtsprechung des BFH und BGH, die auf vorkonstitutionellem Recht beruhe, lasse die inzwischen eingetretene Entwicklung im Datentransfer und die Rechtsposition des Pfandgläubigers aus § 836 Abs. 1 ZPO bzw. § 46 Abs. 6 der Abgabenordnung (AO) völlig unberücksichtigt. Das Erfordernis, die Einkommensteuererklärung eigenhändig zu unterschreiben, liefere keine ausreichende Grundlage für die Verweigerung des dem Pfandgläubiger zustehenden Rechtsdurchsetzungsanspruchs. Nach wie vor werde mit Instrumenten der Gutenbergschen Drucktechnik aus dem Jahr 1450 und einem hierauf aufbauenden Regelwerk von Enno Becker aus dem Jahr 1919 gearbeitet. Die Unterschrift sei nur eine vertretbare Handlung, weil sie auch von einem Bevollmächtigten geleistet werden könne.

Das FA ist der Beschwerde unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung entgegengetreten. Aufgrund der nunmehr eindeutigen Rechtslage komme der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage keine Klärungsbedürftigkeit zu.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1.

Die aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Einer Rechtsfrage kommt nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie klärungsbedürftig ist. An der zu fordernden Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat, wenn die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231, und vom 31. Mai 2000 X B 111/99, BFH/NV 2000, 1461). Insbesondere ist eine Rechtsfrage dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (BFH-Beschluss vom 4. Mai 1999 IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587).

Wie die Klägerin selbst einräumt, ist die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits geklärt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt das Erfordernis der Abgabe einer vom Steuerpflichtigen eigenhändig unterschriebenen Einkommensteuererklärung durch § 150 Abs. 3 Satz 1 AO eine vom Steuerpflichtigen höchstpersönlich zu erfüllende Verpflichtung dar, womit er die persönliche Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Steuererklärung übernimmt (§ 150 Abs. 2 AO). Dabei handelt es sich um eine auf den Besonderheiten des Steuerschuldverhältnisses beruhende gesetzliche Ausgestaltung der Rechte und Pflichten des Steuerschuldners, die mit höchstpersönlichen Rechten des Zivilrechts weder identisch noch vergleichbar sind. Nur unter engen Voraussetzungen, wie körperlicher oder geistiger Verhinderung des Steuerpflichtigen, wird eine Ersetzung der Unterschrift durch einen Bevollmächtigten zugelassen. Der Pfändungsgläubiger eines Lohnsteuererstattungsanspruchs ist daher nicht berechtigt, anstelle des Steuerschuldners dessen Einkommensteuererklärung zu unterschreiben und abzugeben und für diesen die Veranlagung zu beantragen (vgl. Senatsentscheidungen in BFHE 187, 1, BStBl II 1999, 84, und BFHE 191, 311, BStBl II 2000, 573). Erst recht ist er an der Einlegung eines Einspruchs und an der Erhebung einer Klage gehindert. Inzwischen hat sich der BGH unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung der Auffassung des BFH angeschlossen. Danach kann der Pfandgläubiger aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses weder einen Anspruch auf Vornahme von Verfahrenshandlungen im Steuerfestsetzungsverfahren gemäß § 888 ZPO durch Haftantrag gegen den Schuldner vollstrecken noch nach § 887 ZPO ermächtigt werden, Verfahrenshandlungen des Schuldners im Steuerfestsetzungsverfahren selbst vorzunehmen (BGH-Entscheidung in BGHZ 176, 79). Ausdrücklich hat der BGH diese Beschränkungen mit der Eigentumsgarantie aus Art. 14 des Grundgesetzes (GG) für vereinbar erklärt. Die durch die Mitwirkungspflicht des Schuldners verursachte Erschwerung der Vollstreckung sei dem Vollstreckungsgegenstand immanent, nicht anders als eine sonstige wertmindernde Eigenschaft eines Vermögensobjekts.

Mit der Entscheidung des BGH kann die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage als höchstrichterlich geklärt angesehen werden. Einer erneuten Entscheidung des BFH bedarf es somit nicht.

2.

Der Beschwerde sind keine Argumente und Erwägungen zu entnehmen, die eine erneute Befassung des BFH als geboten erscheinen lassen.

a)

Die Ausführungen zu Art. 14 GG lassen eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Reichweite des Eigentumsschutzes vermissen. Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift den behaupteten Verfassungsverstoß im Einzelnen darlegen. Erforderlich ist hierzu eine substantiierte, an den Vorgaben des GG sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des BVerfG orientierte rechtliche Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil (BFH-Beschlüsse vom 26. September 2002 VII B 270/01, BFH/NV 2003, 480, und vom 3. April 2001 VI B 224/99, BFH/NV 2001, 1138). Dies vermag die Beschwerde auch nicht ansatzweise zu leisten.

b)

In Bezug auf das Erfordernis der eigenhändigen Unterschriftsleistung des Steuerpflichtigen behauptet die Klägerin lediglich, dass es sich um eine vertretbare Handlung handle. Damit setzt sie der Rechtsansicht des BFH und des BGH eine abweichende Meinung entgegen, ohne jedoch neue und überzeugende Argumente vorzutragen, die Anlass zu einer Überprüfung der BFH-Rechtsprechung bieten könnten. Im Übrigen geht es im Streitfall nicht um technische Fragen, wie die Nutzbarmachung moderner Kommunikationswege und um die Ersetzung der Unterschrift durch digitale Signaturen, sondern um die Wahrnehmung von höchstpersönlichen Rechten und Pflichten des Steuerpflichtigen, die nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen durch Verwendung moderner Kommunikationstechniken ausgeübt werden können.

Ende der Entscheidung

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