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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.06.2004
Aktenzeichen: VII B 156/03
Rechtsgebiete: AO 1977, HGB, BGB, UStG, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 191 Abs. 4
AO 1977 § 220 Abs. 1
HGB § 159
HGB § 159 Abs. 1
HGB § 159 Abs. 2
HGB § 159 Abs. 3
BGB § 736 Abs. 2
UStG § 18 Abs. 4 Satz 2
UStG § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
FGO § 78
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war vom 1. Dezember 1990 bis zum 31. Dezember 1991 Gesellschafter einer in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) geführten Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungssozietät. Das Ausscheiden des Klägers aus der Sozietät wurde dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) am 20. Februar 1992 schriftlich angezeigt. Mit Haftungsbescheid vom 2. September 1999 nahm das FA den Kläger für --aufgrund einer im Jahre 1997/1998 durchgeführten Außenprüfung nachzuerhebende-- Umsatzsteuer für 1991 in Höhe von 5 898,50 DM zuzüglich Nebenleistungen neben dem Mehrheitsgesellschafter in Haftung. Die Haftungsinanspruchnahme stützte das FA auf die Stellung des Klägers als Mitgesellschafter und Gesamtschuldner (§§ 705, 427 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--).

In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Haftungssumme geringfügig herab und führte aus, die Inanspruchnahme des Klägers wegen der genannten Umsatzsteuerrückstände zuzüglich Nebenleistungen erfolge insbesondere auch deshalb, weil es sich um umsatzsteuerliche Tatbestände --nämlich eine Vorsteuerminderung und einer Eigenverbrauchsteuer-- handele, die dem Kläger als Gesellschafter persönlich zuzurechnen seien.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Das FG urteilte, die Gesellschafter einer GbR hafteten gesamtschuldnerisch. Der Inanspruchnahme stünde auch die Verjährung nach § 191 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 159 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) nicht entgegen, da der geänderte Umsatzsteuerbescheid vom 30. Juli 1998 gegenüber der GbR noch innerhalb des durch die Außenprüfung hinausgeschobenen Ablaufs der Festsetzungsfrist ergangen sei. Die Umsatzsteuerforderung des FA sei aufgrund des geänderten Umsatzsteuerbescheides vom 30. Juli 1998 erst mit Ablauf des 2. September 1998 fällig geworden. Entgegen der Auffassung des Klägers beginne die Festsetzungsverjährung für den Erlass des Haftungsbescheides nur dann nach § 159 Abs. 2 HGB mit dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Auflösung der Gesellschaft, wenn die durch die jeweiligen Umsatzsteuerbescheide festgesetzten Umsatzsteuern vor diesem Zeitpunkt fällig geworden seien. Die Umsatzsteuerbescheide hätten auch nach Auflösung der GbR noch gegen diese ergehen können, und seien in je einer Ausfertigung den Gesellschaftern wirksam bekannt gegeben worden. Die Ausführungen des FA zur Ermessensausübung seien ausführlich und nicht zu beanstanden.

Mit der Beschwerde begehrt der Kläger die vom FG versagte Zulassung der Revision. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage zur Haftungsverjährung und das Erfordernis einer Entscheidung zur Fortbildung des Rechts und zur Einheitlichkeit der Rechtsprechung, da ein Widerspruch zu dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. August 1997 VII R 63/97 (BFHE 183, 307, BStBl II 1997, 745) bestehe (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Des Weiteren hält der Kläger eine Rechtsfrage zum Umfang der Ausführungen in der Ermessensentscheidung des FA bezüglich eines Haftungsbescheides für klärungsbedürftig und rügt die Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat lässt es unerörtert, ob und inwieweit die Beschwerdebegründung bereits an Mängeln in der Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe leidet (zu den Darlegungserfordernissen s. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 25 ff.); denn die vom Kläger behaupteten Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

1. Die Rechtsfrage, ob § 159 Abs. 3 HGB bei einer GbR zur Berechnung des Ablaufs der Haftungsverjährung anwendbar ist, ist weder von grundsätzlicher Bedeutung, noch steht deren Bejahung durch das FG im Widerspruch zu der Entscheidung des Senats in BFHE 183, 307, BStBl II 1997, 745. Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Senat in dem benannten Urteil entschieden, dass die Frist innerhalb derer ein Umsatzsteuer-Haftungsbescheid gegen den Gesellschafter einer aufgelösten GbR ergehen kann, sich nach den analog anzuwendenden Vorschriften des § 159 HGB, mithin auch des § 159 Abs. 3 HGB richtet. Der BFH hat dabei ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass der Gesetzgeber dieser, von ihm bereits in mehreren Entscheidungen vertretenen Auffassung, durch die Einfügung des § 736 Abs. 2 BGB Gesetzeskraft verliehen hat. Der Senat hat zur Frage des Verjährungsbeginns mit klaren und unmissverständlichen Worten ausgeführt: "Der Zeitpunkt des Verjährungsbeginns ... richtet sich nach § 159 Abs. 2 und Abs. 3 HGB. Er hängt im Falle des Abs. 2 nicht von der Eintragung der Auflösung ... in das Handelsregister ..., sondern von dem Zeitpunkt ab, in dem das FA als Gläubiger der Umsatzsteueransprüche gegen die GbR von deren Auflösung Kenntnis erhalten hat". Falls die durch die jeweiligen Umsatzsteuerbescheide festgesetzte Umsatzsteuer vor diesem Zeitpunkt fällig geworden sein sollte, beginnt die (Festsetzungs-)Verjährung mit dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Auflösung (§ 159 Abs. 2 HGB). Falls die Fälligkeit erst danach eingetreten ist, beginnt sie mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit, der sich nach § 220 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 18 Abs. 4 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bestimmt. Diese Rechtsprechung hat das FG ausdrücklich zitiert und den vorliegenden Sachverhalt hierunter subsumiert. Ein Widerspruch zur Senatsentscheidung in BFHE 183, 307, BStBl II 1997, 745 und damit eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO, die zur Zulassung der Revision führen könnte, ist nicht ersichtlich.

Die Rechtsfrage ist mit der bezeichneten Senatsentscheidung auch eindeutig in dem Sinne geklärt, wie sie auch das FG entschieden hat. Dass weiterer Klärungsbedarf bestünde, macht die Beschwerdebegründung nicht deutlich; denn sie trägt nicht vor, dass und ggf. von welcher Seite und mit welchen Argumenten die Auffassung des Senats umstritten sei und aus welchen Gründen eine weitere Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts notwendig sein sollte (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

2. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob das Für und Wider im Rahmen der Ermessensentscheidung zur Haftungsinanspruchnahme des Klägers ausreichend dargestellt wurde, wenn das FA lediglich auf die Textziffern des Betriebsprüfungsberichtes (betreffend die Umsatzsteuernachforderung für die GbR) Bezug genommen hat, ist schon deshalb nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil sich diese Frage --wie der Kläger selbst ausführt-- lediglich auf seinen Einzelfall bezieht und daher das Interesse der Allgemeinheit nicht berührt (zu diesem Erfordernis für die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage siehe Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 23). Der Vortrag des Klägers, das FA habe in seinen Ermessenserwägungen lediglich auf die entsprechenden Prüfungsfeststellungen im Betriebsprüfungsbericht der GbR Bezug genommen, entspricht auch nicht den Tatsachen. Das FG hat hierzu vielmehr in seiner ausführlichen Stellungnahme zu den Ausführungen des FA hinsichtlich seiner Ermessensausübung festgestellt, das FA habe durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die einzelnen Textziffern des Betriebsprüfungsberichtes in Verbindung mit dem vor dem Landgericht am 27. September 1991 geschlossenen Vergleich und weiteren Erläuterungen in der Einspruchsentscheidung hinreichend deutlich gemacht, aus welchen Gründen es die Haftungsinanspruchnahme des Klägers nach dem sich aus den genannten Unterlagen ergebenden Maßstab der Verursachung der Steuernachforderung begrenze und für ermessensgerecht hält. Danach würde sich die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob es für die Darlegung der Ermessenserwägungen genügt, auf einzelne Textziffern eines die Gesellschaft, an der der Kläger beteiligt ist, betreffenden Betriebsprüfungsberichtes Bezug zu nehmen, in dem angestrebten Revisionsverfahren ohnedies nicht stellen.

3. Schließlich rügt der Kläger den Verfahrensfehler der Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 des Grundgesetzes), weil ihm das Schreiben des Gesellschafters M an den Beklagten vom 27. August 1998, in dem dieser die Haftungsinanspruchnahme der Gesellschafter nach der Verursachung der Umsatzsteuernachforderung durch den Gesellschafter (hier den Kläger) beim FA angeregt habe, nicht vorgelegt worden sei und er davon erstmals im Gerichtsbescheid des FG vom 6. November 2001 erfahren habe. Der gerügte Verfahrensfehler der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor. Der Kläger verkennt, dass zwischen dem Ergehen des Gerichtsbescheides vom 6. November 2001 bis zur mündlichen Verhandlung vor dem FG am 14. Februar 2003 ausreichend Gelegenheit bestanden hat, sich durch einen Anruf oder eine Akteneinsichtnahme (§ 78 Abs. 1 FGO) über den Inhalt dieses Schreibens, auf das er im Übrigen bereits in der Einspruchsentscheidung des FA hingewiesen worden ist, zu informieren. Das Gericht ist nicht verpflichtet, den steuerlich beratenen Kläger aufzufordern, Akteneinsicht zu beantragen. Es ist vielmehr Sache des Beteiligten selbst, das sich aus § 78 FGO für ihn ergebende Informationsrecht wahrzunehmen (vgl. BFH-Beschluss vom 28. November 2003 III B 7/03, BFH/NV 2004, 645). Es ist auch nicht die Aufgabe des Gerichts, dem Kläger jedes in den Akten befindliche Schreiben, dessen Inhalt möglicherweise in die Entscheidung des FG eingeht, gesondert zuzuleiten. Eine Verletzung der Gewährung des rechtlichen Gehörs durch das FG, das im Übrigen unabhängig von der Anregung des Mitgesellschafters das Abheben des FA auf die konkrete Verursachung der Umsatzsteuernachforderung durch den Kläger für ermessensgerecht gehalten hat, liegt somit nicht vor.

Ende der Entscheidung

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