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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 19.04.2007
Aktenzeichen: VII B 162/06
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 155
ZPO § 139
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Aufgrund von Einkommen- und Umsatzsteuerschulden des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) sowie rückständiger steuerlicher Nebenleistungen und Verwaltungskosten erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gegenüber der V-Bank am 18. März 2005 und gegenüber der D-Bank am 17. Mai 2005 Pfändungs- und Einziehungsverfügungen. Die Vollstreckungsmaßnahmen führten zur Überweisung von Geldbeträgen. Am 1. Juni 2005 hob das FA die gegenüber der V-Bank erlassene Pfändungs- und Einziehungsverfügung auf. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Anfechtungs-, hilfsweise Fortsetzungsfeststellungsklage, die das Finanzgericht (FG) als unzulässig abwies. Zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen, so dass das FG in seiner Abwesenheit verhandelt hat.

Die Unzulässigkeit der Anfechtungsklage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 18. März 2005 begründete das FG mit der Aufhebung der Verfügung durch das FA. Hinsichtlich der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 17. Mai 2005 führte das FG aus, dass sich die Vollstreckungsmaßnahme mit der Zahlung der Drittschuldnerin erledigt habe. Schließlich sei auch die Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig, weil der Kläger ein besonderes Feststellungsinteresse nicht substantiiert dargelegt habe.

Mit seiner gegen die Nichtzulassung der Revision gerichteten Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision zur Rechtsfortbildung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Das erstinstanzliche Urteil weiche von der Senatsentscheidung vom 11. April 2001 VII B 304/00 (BFHE 194, 338, BStBl II 2001, 525) ab. Darin habe der Senat den Rechtssatz aufgestellt, dass für die Darlegung des besonderen Feststellungsinteresses hinsichtlich eines Antrages auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Pfändung bestimmter Beträge die substantiierte Darlegung der Tatsachen ausreiche, aus denen sich diese Rechtswidrigkeit ergebe. Davon abweichend habe das FG den Rechtssatz aufgestellt, dass diese --im Streitfall tatsächlich schriftsätzlich erfolgten Darlegungen-- durch den Kläger nicht ausreichten. Damit habe es erhöhte Anforderungen aufgestellt. Neben der festzustellenden Divergenz leide das Urteil an einem schwerwiegenden und offensichtlichen Fehler, so dass es objektiv willkürlich und greifbar gesetzwidrig sei. Da das FG auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags nicht eingegangen sei, habe es den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Die dem FG übersandten Schriftsätze hätten sämtliche Darlegungen enthalten, die für die Prüfung des besonderen Feststellungsinteresses notwendig gewesen seien. Hätte das FG den Sachvortrag hinreichend berücksichtigt, hätte es der Klage stattgeben müssen. Die Gehörsverletzung werde durch den Umstand belegt, dass das FG den Sachvortrag in den Entscheidungsgründen nicht behandelt habe. Schließlich hätte das FG den Kläger gemäß § 155 FGO i.V.m. § 139 der Zivilprozessordnung auf die angeblich fehlende Darlegung des Feststellungsinteresses hinweisen und zur Ergänzung des Sachvortrags auffordern müssen. Im Übrigen sei er, der Kläger, zu Rechtsausführungen zum besonderen Feststellungsinteresse nicht verpflichtet. Denn es sei Sache des FG, den Sachverhalt aufzuklären.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es ist der Ansicht, dass weder die behauptete Abweichung des FG-Urteils von der in der Beschwerde bezeichneten Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) noch die behaupteten Verfahrensmängel vorliegen.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat kann offen lassen, ob die Beschwerde den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt, jedenfalls liegen weder die geltend gemachte Divergenz noch die behaupteten Verfahrensfehler vor.

1. In seiner Entscheidung in BFHE 194, 338, BStBl II 2001, 525 hat der Senat ausgeführt, dass der Verstoß gegen ein Vollstreckungsverbot für den Betroffenen regelmäßig ein konkretes, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse rechtlicher und wirtschaftlicher Art an der Folgenbeseitigung, nämlich an der Rückgängigmachung der durch die unzulässige Vollstreckungsmaßnahme bewirkten Vermögensverschiebung begründet, sofern dieser Verstoß, bzw. die ihn begründenden Tatsachen vom Betroffenen substantiiert dargelegt werden. In Übereinstimmung mit diesen Vorgaben hat das FG in seiner Urteilsbegründung den Rechtssatz aufgestellt, dass das zu fordernde besondere Feststellungsinteresse substantiiert dargelegt werden müsse. Eine Abweichung von der Senatsentscheidung liegt offensichtlich nicht vor. Vielmehr ist das FG --unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung-- zu dem Schluss gelangt, dass das Vorbringen des Klägers den vom Senat aufgestellten Anforderungen nicht genügt hat.

2. Die vom Kläger behauptete Gehörsverletzung oder ein Verstoß gegen den Inhalt der Akten liegt ebenfalls nicht vor. Allein aus dem Umstand, dass das FG dem Rechtsbegehren des Klägers nicht entsprochen hat, lässt sich nicht schließen, dass das FG rechtliches Gehör verweigert oder den Inhalt der Akten nicht zur Kenntnis genommen hätte. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Sie sind jedoch nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Dezember 1995 1 BvR 1463/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1996, 153, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 15. Juni 1994 II B 172/93, BFH/NV 1995, 131). Im Übrigen ist das Gericht nicht dazu verpflichtet, vor seiner Entscheidungsfindung seine Rechtsansicht mündlich oder schriftlich mitzuteilen bzw. die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte im Voraus anzudeuten (BFH-Beschluss vom 10. August 2005 VIII B 344/04, BFH/NV 2006, 78, m.w.N.). Einen fachkundig vertretenen Prozessbeteiligten braucht es auf naheliegende rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte nicht hinzuweisen (BFH-Entscheidung vom 20. August 1998 XI B 110/95, BFH/NV 1999, 329). Im Streitfall hat der Kläger in eigener Sache als Rechtsanwalt Klage erhoben. Das Erfordernis einer substantiierten Darlegung des von ihm geltend gemachten Feststellungsinteresses zur Begründung einer Fortsetzungsfeststellungsklage hätte ihm infolgedessen bekannt sein müssen. Eines besonderen Hinweisbeschlusses des FG bedurfte es deshalb nicht.

3. Einen schwerwiegenden und nicht hinnehmbaren Rechtsfehler des erstinstanzlichen Erkenntnisses, der eine Zulassung der Revision aus diesem Gesichtspunkt geboten erscheinen ließe, vermag der Senat nicht zu erkennen. Der BFH hat das Vorliegen eines solchen Fehlers dann bejaht, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, 405, BStBl II 2004, 25, und vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Ein solcher Fall liegt nicht vor.

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