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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 20.10.2005
Aktenzeichen: VII B 17/05
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, EStG


Vorschriften:

AO 1977 § 34
AO 1977 § 34 Abs. 1
AO 1977 § 69
AO 1977 § 225 Abs. 3
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3
EStG § 41a Abs. 1
EStG § 41a Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Geschäftsführer der Komplementär-GmbH (GmbH) einer GmbH & Co. KG (KG). Aufgrund rückständiger Lohn- und Kirchensteuerschulden der KG wurde er vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) gemäß § 34 i.V.m. § 69 der Abgabenordnung (AO 1977) als Haftungsschuldner in Anspruch genommen. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Kläger durch die Nichtentrichtung der für den Monat Juni 2000 geschuldeten Lohnsteuer zum gesetzlichen Fälligkeitstermin die ihm als Geschäftsführer der GmbH obliegenden steuerlichen Pflichten zumindest grob fahrlässig nicht erfüllt habe. Sein Vertrauen darauf, dass er die Steuerrückstände nach Behebung der Liquiditätsschwierigkeiten werde begleichen können, könne ihn nicht entlasten. Das FA habe die aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses am 28. August 2000 vorgenommene Drittschuldnerzahlung der das Geschäftskonto der KG führenden Bank ordnungsgemäß verbucht und dabei in rechtlich nicht zu beanstandender Weise gemäß § 225 Abs. 3 AO 1977 die Bestimmung der Tilgungsreihenfolge dahin gehend vorgenommen, dass mit dem Betrag Umsatzsteuerschulden getilgt worden seien. Der Umstand, dass der Kläger auf diesem Konto die für die Lohnsteuerzahlungen erforderlichen Beträge zurückgehalten und dem Kreditinstitut am 26. Juli 2000 einen Überweisungsauftrag erteilt habe, der von der Bank jedoch nicht ausgeführt worden sei, könne das Verschulden des Klägers nicht beseitigen. Denn durch die verspätete Anweisung habe der Kläger angesichts der angespannten finanziellen Situation der KG die Gefahr eines Ausfalls der Lohnsteuerforderungen des FA bewusst in Kauf genommen. Dieser Beurteilung stünde nicht entgegen, dass sich diese Gefahr bei pflichtgemäßem Verhalten der Bank nicht realisiert hätte.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG. Im Streitfall würden sich die Ausführungen des FG zum Verschulden des Klägers und zur Erfüllung des Haftungstatbestandes nicht mit den vom Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 21. Januar 1972 VI R 187/68 (BFHE 104, 294, BStBl II 1972, 364) aufgestellten Anforderungen decken. Danach hätte es dem Kläger bewusst sein müssen, dass die angewiesene Bank das Guthaben nicht auszahlen würde. Auch habe das FG nicht beachtet, dass zwischen dem schuldhaften Verhalten des Haftungsschuldners und dem Schadenseintritt eine Kausalität bestehen müsse, die im Streitfall nicht gegeben sei. Das FG hätte den Nachweis führen müssen, dass die Bank das Guthaben bei fristgerechter Anweisung tatsächlich an das FA ausgezahlt hätte. Zudem habe das FG verkannt, dass der Wille der Bank bei Auszahlung des gepfändeten Betrages im Streitfall unbeachtlich gewesen sei. Das Recht des Klägers zur Bestimmung des Verwendungszwecks und der Tilgungsreihenfolge gehe vor. Schließlich habe das FG den Gehörsanspruch des Klägers dadurch verletzt, dass es den Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht darauf hingewiesen habe, dass die haftungsbegründende Pflichtverletzung in der Nichtentrichtung der Lohnsteuer zum gesetzlichen Fälligkeitstermin gesehen werde. Infolgedessen habe der Kläger keine Möglichkeit gehabt, zu der verspäteten Überweisung Stellung zu nehmen. Darin liege ein Verfahrensfehler, der die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erfordere.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Soweit der Kläger rügt, dass die Ausführungen des FG zur Frage des ihm anzulastenden Verschuldens nicht in Einklang mit den in der BFH-Entscheidung in BFHE 104, 294, BStBl II 1972, 364 dargelegten Anforderungen stehen, wird die damit behauptete Divergenz nicht ausreichend bezeichnet. Macht nämlich der Beschwerdeführer geltend, dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), so muss er in der Beschwerdebegründung darlegen, inwiefern über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen und welche sonstigen Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten. Rügt er eine Abweichung von Entscheidungen des BFH, so muss er auch nach neuem Revisionszulassungsrecht tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (BFH-Beschlüsse vom 7. Oktober 2003 X B 52/03, BFH/NV 2004, 80, und vom 5. Juli 2002 XI B 67/00, BFH/NV 2002, 1479).

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Ohne abstrakte Rechtssätze aus den Entscheidungen herauszuarbeiten und in einer die Abweichung verdeutlichenden Weise gegenüberzustellen, stellt der Kläger lediglich die Behauptung auf, dass in der Nichtentrichtung der geschuldeten Lohnsteuer zum gesetzlichen Fälligkeitstermin kein Verschulden liege und dass das FG die vom BFH zur Frage des Verschuldens i.S. von § 69 AO 1977 entwickelten Grundsätze fehlerhaft angewandt habe.

Ungeachtet der unzureichenden Darlegung der Divergenz vermag der beschließende Senat eine solche auch nicht zu erkennen. Als Geschäftsführer der GmbH hatte der Kläger nach § 34 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) die steuerlichen Pflichten der KG zu erfüllen und somit die für den Monat Juni 2000 geschuldete und vom Arbeitslohn einbehaltene Lohnsteuer nach § 41a Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) spätestens am 10. Juli 2000 an das FA abzuführen. Dieser Verpflichtung ist der Kläger in vorwerfbarer Weise nicht nachgekommen, denn nach der Rechtsprechung des BFH indiziert die Nichtentrichtung der Steuer zum gesetzlichen Fälligkeitstermin die Schuldhaftigkeit der damit verbundenen Pflichtverletzung (BFH-Entscheidungen vom 13. März 2003 VII R 46/02, BFHE 202, 22, BStBl II 2003, 556, und vom 25. Juli 2003 VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540). Von diesem Grundsatz, der auch der vom Kläger angeführten BFH-Entscheidung zugrunde liegt, ist das FG nicht abgewichen.

2. Soweit der Kläger rügt, dass das FG die nach § 69 AO 1977 zu fordernde Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Eintritt des Vermögensschadens nicht beachtet und darüber hinaus verkannt habe, dass die Pfändung der Forderung dem Recht des Klägers zur Bestimmung des Zahlungszwecks nicht entgegenstehe, richtet sich dieses Vorbringen gegen die materiell-rechtliche Würdigung durch das FG. Ein Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO wird damit jedoch nicht in der von § 116 Abs. 3 FGO geforderten Weise dargelegt. Denn Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 24 und § 116 Rz. 34, jeweils m.w.N.).

3. Das Vorbringen des Klägers, mit dem er die Beschwerde erstmals auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) stützt und zwei Fragen formuliert, denen eine solche Bedeutung vermeintlich zukommen soll, kann deshalb keine Berücksichtigung finden, weil der neue Zulassungsgrund erst nach Ablauf der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht worden ist (BFH-Beschluss vom 18. Februar 1997 X B 188/96, BFH/NV 1997, 593).

4. Selbst wenn der Beschwerdeschrift die ausreichende Darlegung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs entnommen werden könnte, liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor. Denn die Pflicht des Klägers zur fristgerechten Abführung der Lohnsteuer ergibt sich wie bereits ausgeführt aus § 41a Abs. 1 EStG. Von einem Geschäftsführer ist zu verlangen, dass er die steuerlichen Pflichten kennt, die er mit seinem Amtsantritt übernommen hat (Senatsbeschlüsse vom 13. Februar 1996 VII B 245/95, BFH/NV 1996, 657, und vom 7. März 1995 VII B 172/94, BFH/NV 1995, 941). Dem FG oblag daher keine besondere Pflicht, den Kläger auf die gesetzlichen Bestimmungen und auf die sich daraus ergebende Pflicht hinzuweisen, auf deren Verletzung es seine Entscheidung maßgeblich gestützt hat. Dass das FG dem Umstand der Nichtentrichtung der Lohnsteuer zum gesetzlichen Fälligkeitstermin eine entscheidungserhebliche Bedeutung beimessen würde, hätte sich dem Kläger auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis aufdrängen müssen.

Ende der Entscheidung

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