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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.01.1999
Aktenzeichen: VII B 170/98
Rechtsgebiete: VwVfG, FGO, ZPO, Datenschutzrichtlinie 95/46/EG


Vorschriften:

VwVfG § 29 Abs. 1 Satz 1
VwVfG § 29 Abs. 2
Datenschutzrichtlinie 95/46/EG Art. 13 Abs. 1
FGO § 114 Abs. 1 Satz 2
FGO § 114 Abs. 3
ZPO § 920 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) begehrte beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) Einsicht in die sog. "schwarze Liste", in die in den jeweiligen Mitgliedstaaten aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 1469/95 (VO Nr. 1469/95) des Rates vom 22. Juni 1995 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 145/1) unzuverlässige Exporteure aufgenommen werden; je nach dem Grad der Unzuverlässigkeit sind damit bestimmte Sanktionen verbunden. Den Antrag auf Akteneinsicht vom 10. März 1998 lehnte das HZA mit Schreiben vom 17. März 1998 ab.

Mit dem beim Finanzgericht (FG) gestellten Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung will die Antragstellerin erreichen, daß dem HZA aufgegeben wird, ihr die Einsichtnahme in die "schwarze Liste" zu ermöglichen, um festzustellen, ob das HZA gegen sie verstärkte Kontrollen nach Art. 3 Abs. 1 a VO Nr. 1469/95 angeordnet hat. Die Antragstellerin hat sich zur Begründung ihres Antrags u.a. darauf gestützt, daß sich die Beschauquote bei ihren Ausfuhren im Jahr 1997 im Vergleich zum Vorjahr erheblich erhöht habe, wodurch sie nicht unerhebliche Zusatzbelastungen tragen müsse.

Den Antrag lehnte das FG mit folgender Begründung ab: Ob ein Anordnungsgrund bestehe, brauche nicht entschieden zu werden, da die Antragstellerin das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht schlüssig vorgetragen habe. Ein Rechtsanspruch auf Akteneinsicht könne sich im Streitfall allenfalls aus § 29 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) ergeben. Das HZA sei jedoch zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, weil im Streitfall die Voraussetzungen des § 29 Abs. 2 VwVfG, der dem Schutz berechtigter Geheimhaltungsinteressen diene, erfüllt seien.

Mit der Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, das FG habe zu Unrecht das Bestehen eines Anordnungsanspruches verneint. Zur Begründung hat sie im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die Ausnahme- und Einschränkungstatbestände des § 29 Abs. 2 VwVfG i.V.m. Art. 13 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG seien im Streitfall nicht anwendbar. Gerade aus datenschutzrechtlichen Gründen benötige der betroffene Marktbeteiligte ein Auskunftsrecht. Es sei nicht erkennbar, daß dadurch die Effektivität der Betrugsbekämpfung, also der Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft, in Gefahr geriete. Zwingende Interessen wirtschaftlicher oder finanzieller Art, die ein absolutes Geheimhaltungsgebot begründen könnten, seien nicht erkennbar. Sollte der betroffene Marktbeteiligte erst durch die Einsichtnahme in die Akten erfahren, daß ihm gegenüber verstärkte Kontrollen angeordnet worden seien, so könne er entweder die Begründetheit der behördlichen Bewertung ausräumen oder aber sein Verhalten so einstellen, daß künftig keine Unregelmäßigkeiten mehr vorkämen.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluß des FG vom 17. Juni 1998 aufzuheben und das HZA zu verpflichten, ihr Einsicht in die "schwarze Liste" zu gewähren, um festzustellen, ob das HZA gegen sie verstärkte Kontrollen angeordnet habe.

Das HZA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerin --was das FG verneint-- einen Anspruch, aus dem sie ihr Begehren herleitet, schlüssig dargelegt und dessen tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht hat. Denn für die beantragte einstweilige Anordnung zur Einsichtnahme in die schwarze Liste fehlt es schon an einem Anordnungsgrund.

Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist, daß der Antragsteller einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) und den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), schlüssig dargelegt und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht hat. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung; Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Februar 1997 VII B 231/96, BFH/NV 1997, 428).

Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist (BFH in BFH/NV 1997, 428). Die für den Erlaß einer Anordnung geltend gemachten Gründe müssen jedenfalls ähnlich gewichtig und bedeutsam sein wie die im Gesetz ausdrücklich genannten ("wesentliche Nachteile" und "drohende Gewalt"). Sie müssen so schwerwiegend sein, daß sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen (Beschluß des Senats vom 12. Mai 1992 VII B 173/91, BFH/NV 1994, 103).

Das gilt insbesondere, wenn nicht nur eine vorläufige Maßnahme begehrt wird, sondern --wie von der Antragstellerin-- die Vorwegnahme der Hauptsache. Ein solches Rechtsschutzziel widerspricht grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes. Eine Regelungsanordnung darf nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur eine einstweilige Regelung enthalten und das Ergebnis des Hauptprozesses nicht vorwegnehmen oder diesem endgültig vorgreifen (vgl. Beschluß des Senats vom 22. August 1995 VII B 153, 154, 167, 172/95, BFHE 178, 15, BStBl II 1995, 645, m. zahlr. w. Nachw.). Etwas anderes gilt im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) nur dann, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1977 2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 166, und vom 25. Oktober 1988 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69).

Die Antragstellerin hat derartige wesentliche Nachteile nicht glaubhaft gemacht. Ihr Vortrag vor dem FG, daß der Eintrag in die "schwarze Liste" als solcher stark belastend und wettbewerbsschädigend sei, daß die Eintragung in die "schwarze Liste" einen Marktbeteiligten zum Problemfall stigmatisiere und zur Folge habe, daß die Anbahnung von Geschäftsbeziehungen vereitelt oder bestehende Geschäftsbeziehungen abgebrochen würden, ist schon nicht hinreichend substantiiert.

Eine konkrete Gefahr für die Geschäftsbeziehungen der Antragstellerin könnte man zudem allenfalls dann in Betracht ziehen, wenn für Dritte oder Geschäftspartner eines Marktbeteiligten die Möglichkeit bestünde, Einblick in die schwarze Liste zu nehmen. Dies sieht die VO Nr. 1469/95 jedoch nicht vor. Nach Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 1469/95 ist die Vertraulichkeit der nach Maßgabe dieser VO ausgetauschten Informationen zu gewährleisten. Die Informationen dürfen grundsätzlich nur Personen mitgeteilt werden, die in den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit davon Kenntnis erhalten müssen. Damit ist sichergestellt, daß andere als die genannten Personen grundsätzlich keine Auskunft über den Inhalt der "schwarzen Liste" erhalten. Daß die Antragstellerin mit der unmittelbar bevorstehenden Gefahr rechnen müßte, daß eine Eintragung in die "schwarze Liste" gleichwohl unbefugten Dritten bekannt wird, ist nicht glaubhaft gemacht.

Soweit die Antragstellerin darauf hinweist, daß sich die Zahl der bei ihren Ausfuhren beschauten Sendungen im Jahr 1997 im Vergleich zum Vorjahr um 25 % erhöht habe, ist nicht glaubhaft und substantiiert dargelegt, daß ihr hiermit tatsächlich erhebliche Zusatzbelastungen entstanden sind, die das Unternehmen nachhaltig betroffen haben. Vor allem ist aber nicht erkennbar, daß dadurch für die Antragstellerin so schwerwiegende, unzumutbare Nachteile entstehen, daß eine Vorwegnahme der Hauptsache durch Erlaß der begehrten Anordnung unabweisbar wäre.



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