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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 21.06.2004
Aktenzeichen: VII B 204/03
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, BGB


Vorschriften:

AO 1977 § 254
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
BGB § 133
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Vater (V) der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) schuldete dem Land Niedersachsen Abgaben in Höhe von ... DM.

Mit Duldungsbescheid vom 24. Juli 2001 erklärte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gegenüber der Klägerin die Anfechtung von Zahlungen, die die A-GmbH & Co. KG auf ein Konto der Klägerin bei der Bank in P geleistet hat und machte die Rückgewähr der Ansprüche nach § 11 des Gesetzes betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens in der Fassung vom 20. Mai 1898 (Anfechtungsgesetz alter Fassung --AnfG a.F.--) geltend. Dabei ging das FA von einer unentgeltlichen Zuwendung des V an die Klägerin aus. Nach der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2003 hat das Finanzgericht (FG) den Duldungsbescheid vom 24. Juli 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufgehoben.

Am 2. Januar 2002 hat das FA einen weiteren Duldungsbescheid erlassen, mit dem es, wie im Bescheid vom 24. Juli 2001, die Zahlungen der A-GmbH & Co. KG auf das Konto der Klägerin angefochten und weitergehend dazu angeordnet hat, dass die Klägerin die Vollstreckung in die Guthaben ihrer bei verschiedenen Banken vorhandenen Konten, sowie in die von ihr seit dem Zufluss der auf Anweisung des V überwiesenen Beträge erworbenen weiteren Vermögenswerte insoweit zu dulden habe, als gehöre ein Gesamtbetrag von ... DM noch zum Vermögen des V. Auch diesen Bescheid vom 2. Januar 2002 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung hat das FG mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 25. März 2003 ergangenem Urteil aufgehoben.

Mit dem im hier zu beurteilenden Verfahren angefochtenen, als Ergänzungsbescheid zum Duldungsbescheid vom 2. Januar 2002 bezeichneten Verwaltungsakt vom 9. April 2002 forderte das FA die Klägerin zur Zahlung eines Betrages in Höhe von ... € auf. Die gegen diesen Ergänzungsbescheid nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das FG als unbegründet abgewiesen (Az. 15 K 321/02).

Das FG vertritt in seiner Entscheidung die Auffassung, der vom FA als Ergänzungsbescheid zum Duldungsbescheid vom 2. Januar 2002 bezeichnete Verwaltungsakt sei als Leistungsgebot i.S. des § 254 der Abgabenordnung (AO 1977) zu dem vorgenannten Duldungsbescheid auszulegen. Mit dem Duldungsbescheid vom 2. Januar 2002 habe das FA in Bezug auf die Anfechtung der Zuwendung des V an die Klägerin lediglich eine den Regelungsgehalt des Duldungsbescheides vom 24. Juli 2001 wiederholende Verfügung erlassen. Eine neue Regelung enthalte der Bescheid vom 2. Januar 2002 jedoch hinsichtlich der sich aus der Anfechtung ergebenden Rechtsfolge. Da die Konten der Klägerin bei der Bank in P bereits aufgelöst waren, habe sich der Anspruch auf Duldung der Vollstreckung in die durch die angefochtene Rechtshandlung des V erlangten Gegenstände aus dem Bescheid vom 24. Juli 2001 nicht mehr durchsetzen lassen. Das FA habe deshalb in dem Bescheid vom 2. Januar 2002 den Duldungsanspruch auf einen Wertersatzanspruch umgestellt, ohne jedoch ein Leistungsgebot auszusprechen. Diese Umstellung habe Folgen für den Inhalt des Leistungsgebotes, das folgerichtig im Verwaltungsakt vom 9. April 2002 nicht mehr auf die Duldung der Vollstreckung, sondern auf Zahlung gerichtet worden sei. Das Leistungsgebot sei rechtmäßig ergangen. Es setze nur voraus, dass die geschuldete Leistung, zu der das Leistungsgebot auffordere, ordnungsgemäß festgesetzt sei. Das sei mit Duldungsbescheid vom 2. Januar 2002 geschehen. Ob dieser Duldungsbescheid seinerseits rechtmäßig ist und die dagegen von der Klägerin vorgetragenen Einwendungen seien im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, die die Klägerin auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und eine Abweichung des Urteils des FG von der Entscheidung anderer Gerichte stützt, weshalb die Einheitlichkeit der Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Entscheidung zu sichern sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO).

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Ungeachtet der Mängel in der Darlegung der benannten Revisionszulassungsgründe (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) liegen diese auch nicht vor.

1. Nach dem Vortrag der Klägerin hält sie die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, "ob die Aufhebung eines Duldungsbescheides auch die Aufhebung des darauf gestützten Leistungsgebotes zur Folge haben muss".

Voraussetzung dafür, dass einer Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist, ist u.a., dass der Bundesfinanzhof (BFH) über eine Frage zu entscheiden hätte, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftig und klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. November 1997 II B 3/97, BFH/NV 1998, 604, und vom 8. Dezember 2002 I B 67/03, BFH/NV 2004, 648). Daran fehlt es im Streitfall.

Zwar hat das FG den Duldungsbescheid vom 2. Januar 2002, auf dem das vom FA als Ergänzungsbescheid bezeichnete Leistungsgebot beruht, mit ebenfalls am Tage der mündlichen Verhandlung in der Streitsache ... beschlossenem Urteil vom 25. März 2003 aufgehoben. Dieses Urteil war jedoch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom gleichen Tage über den Ergänzungsbescheid vom 9. April 2002, den das FG als Leistungsgebot gewertet hat, noch nicht ergangen. Laut Sitzungsprotokoll sollten die Entscheidungen in den drei oben bezeichneten, zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Verfahren zugestellt werden. Damit war der Duldungsbescheid vom 2. Januar 2002 im Zeitpunkt des Ergehens der Entscheidung über das Leistungsgebot vom 9. April 2002 noch nicht aufgehoben, so dass sich die von der Klägerin bezeichnete Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellt; sie ist mithin nicht klärungsfähig. Solange der Duldungsbescheid nicht bestandskräftig aufgehoben oder für wirkungslos erklärt worden ist, hat grundsätzlich auch ein darauf beruhendes Leistungsgebot Bestand. Einwendungen gegen die Zulässigkeit des Leistungsgebotes, die sich aus Umständen ergeben, die erst nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG eingetreten sind und über die das FG nicht entschieden hat, könnten in dem begehrten Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden. Denn der BFH ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden und dürfte Tatsachen, die erstmals im Revisionsverfahren vorgetragen werden --sofern die Feststellungen des Urteils der Vorinstanz nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind--, grundsätzlich seiner Entscheidung nicht zugrunde legen (§ 118 Abs. 2 FGO; ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 17. Dezember 1997 X R 88/95, BFHE 185, 40, BStBl II 1998, 343, m.w.N.). Da die von der Klägerin hervorgehobene Rechtsfrage, ob ein Leistungsgebot nach der inzwischen eingetretenen Rechtskraft des den Duldungsbescheid vom 2. Januar 2002 aufhebenden Urteils des FG ebenfalls aufzuheben ist, nur geklärt werden könnte, wenn von einem anderen, als dem vom FG festgestellten und entschiedenen Sachverhalt ausgegangen wird, fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit und damit an der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Frage für dieses Verfahren (vgl. BFH-Beschlüsse vom 1. Februar 1994 VII B 127/93, BFH/NV 1994, 873, und in BFH/NV 1998, 604).

2. Die von der Klägerin behauptete Abweichung der vorinstanziellen Entscheidung von den Entscheidungen anderer Gerichte besteht nicht.

Eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO liegt nur vor, wenn die Entscheidung des FG einen --vom Beschwerdeführer benannten-- abstrakten Rechtssatz beinhaltet, der einem --ebenfalls zitierten-- Rechtssatz des BFH oder eines anderen Gerichtes widerspricht (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 14. Januar 1998 IX B 103/97, BFH/NV 1998, 616, m.w.N.). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

Die Klägerin behauptet, das FG habe seiner Entscheidung den Rechtssatz zugrunde gelegt, "dass ein Verwaltungsakt nach der Rechtsnatur zuvor ergangener Bescheide zu qualifizieren ist". Dieser Rechtssatz findet sich in der angefochtenen Entscheidung des FG nicht. Die Klägerin hat auch keine weiteren Rechtssätze aus der FG-Entscheidung hervorgehoben und ihnen abweichende Aussagen in einer oder mehreren Entscheidungen des BFH gegenübergestellt. Vielmehr wendet sie sich mit ausführlichen rechtlichen Erwägungen gegen die Auslegung des am 9. April 2002 ergangenen Ergänzungsbescheides zu dem Duldungsbescheid vom 2. Januar 2002 als dessen Leistungsgebot, die sie für unzutreffend hält. Die Würdigung des FG, dass es sich bei dem vom FA als Ergänzungsbescheid bezeichneten Verwaltungsakt lediglich um das Leistungsgebot zu dem vorher ergangenen Duldungsbescheid, der ein Leistungsgebot nicht enthalten hat, handelt, beruht auf einer Würdigung der Umstände im Streitfall und nicht auf einem abweichenden Rechtssatz. Der Vortrag der Klägerin bezeichnet auch keine Divergenz, sondern hat allein die nach ihrer Auffassung materiell-rechtliche Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung zum Inhalt. Mit dem Vorbringen, das FG habe die vom BFH in Anwendung von § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs herausgearbeiteten Kriterien zur Auslegung von Verwaltungsakten nicht beachtet, kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 7. Januar 2004 I B 91/03, BFH/NV 2004, 653).

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