Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.12.2007
Aktenzeichen: VII B 23/06
Rechtsgebiete: VwVfG, FGO


Vorschriften:

VwVfG § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2
VwVfG § 48 Abs. 2 Satz 7
VwVfG § 48 Abs. 4
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 118 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat 1993 mit 27 Ausfuhranmeldungen Schlachtrinder (Marktordnungs-Warenlistennummer 0102 9071 0000) zur Ausfuhr in den Libanon bzw. nach Ägypten angemeldet und dabei ein Gewicht von 574 074 kg angegeben. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) hat ihr hierfür Ausfuhrerstattung gewährt. Die Klägerin hatte die Rinder von dem Viehhändler H gekauft. Dieser ist inzwischen wegen Subventionsbetrugs verurteilt worden, weil er in zahlreichen Fällen, nach seinem Geständnis auch bei den von diesem Verfahren betroffenen Ausfuhrsendungen, ein zu hohes Gewicht der von ihm verkauften Rinder angegeben hat. Das Landgericht hat dazu festgestellt, H habe im Tatzeitraum 1993 das Gewicht der Rinder um bis zu etwa 50 kg erhöht; insgesamt errechne sich, dass 43 550 kg zu viel angemeldet worden seien.

Das HZA hat einen dieser Gerichtsdifferenz entsprechenden Teil der Ausfuhrerstattung in Höhe von insgesamt rd. ... DM von der Klägerin 1996 zurückgefordert. Die dagegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Es urteilte, die Klägerin müsse sich das Verhalten des H ungeachtet dessen zurechnen lassen, ob sie gutgläubig gewesen sei oder nicht. Daran ändere sich auch nichts, wenn den Zollbehörden Versäumnisse bei der Ausfuhrabfertigung vorzuwerfen sein sollten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Zollverwaltung der Klägerin betreffend das Verhalten des H einen frühzeitigen "Warnhinweis" habe erteilen müssen; die ersten Hinweise auf Manipulationen des H seien anonym ergangen und lediglich Anlass für Ermittlungen über den zunächst noch ungeklärten Sachverhalt gewesen. Das HZA habe auch nicht die Rückforderungsfrist des § 48 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) versäumt. Denn das HZA, auf dessen Kenntnis es alleine ankomme, sei vom Zollfahndungsamt (ZFA) erst im März 1995 umfassend über das Ermittlungsergebnis bezüglich des Jahres 1993 unterrichtet worden; erst damals seien ihm die Beweismittelordner und die konkreten Berechnungen zu den streitigen Ausfuhrvorgängen übersandt worden.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der geltend gemacht wird, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Fragen,

"- ob und nach welchen Vorschriften sich die Beschwerdeführerin das Verhalten eines Dritten (Vorliegen des Beschuldigten H) zurechnen lassen muss, sowie

- ob im Rahmen einer derartigen Zurechnung auch das Verhalten der Beschwerdegegnerin (Behörde) bzw. der für sie handelnden Zollbeamten von Bedeutung ist, insbesondere ein schuldhaftes Verhalten der Behörde bzw. der Beschwerdegegnerin bzw. der Zollbeamten eine Zurechnung ausschließt, sowie

- ob eine objektiv unrichtige oder unvollständige Angabe im Sinne von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG dann dem Einwand des Vertrauensschutzes nicht entgegensteht, wenn die Behörde die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben kannte oder grob fahrlässig nicht kannte bzw. die Behörde oder die für sie handelnden Zollbeamten es zu verantworten haben, dass es zu den unrichtigen Angaben gekommen ist, sowie

- nach welchen Vorschriften das Verhalten eines Dritten im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 7 VwVfG der Beschwerdeführerin zuzurechnen ist, und ob im Rahmen der Frage einer derartigen Zurechnung auch ein Fehlverhalten der Behörde bzw. der Zollbeamten sowie eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des Erstattungsbescheides zu berücksichtigen ist, und schließlich

- welche Kenntnis für den Lauf der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG aufseiten der Beschwerdegegnerin gegeben sein muss, insbesondere ob es ausreichend ist, dass diese nicht nur die Rechtswidrigkeit, sondern auch den Sachverhalt, aus dem die Rechtswidrigkeit [folgt], kennt, und lediglich die Berechnung der Höhe des Rückforderungsbetrages den Ermittlungsbehörden überlässt, insbesondere ob sich die Beschwerdegegnerin die Kenntnis der Ermittlungsbehörden zurechnen lassen muss".

Die Klägerin trägt dazu zusammengefasst vor:

Sie könne für das Verhalten des H nicht verantwortlich gemacht werden. Dieser sei nicht ihr Vertreter, sondern allenfalls ein Dritter gewesen. Überdies sei den Zollbeamten Fehlverhalten vorzuwerfen, weil sie H trotz anonymer Beschuldigungen gegen ihn nicht jedwede Gewichtsermittlung untersagt oder zumindest dessen Angaben genauestens überprüft hätten. Ferner hätten sie die Klägerin sofort informieren müssen. Das FG habe sich insofern mit den Besonderheiten des Falles nicht auseinandergesetzt, die u.a. dadurch gekennzeichnet seien, dass die Verwiegungen im Beisein der Zollbeamten erfolgten, diese jedoch noch nicht einmal einen stichprobenartigen Abgleich der Wiegelisten mit den Wiegekarten vorgenommen hätten.

Das FG habe auch den Tatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG falsch verstanden. Eine unrichtige Angabe im Sinne dieser Vorschrift liege dann nicht vor, wenn die Behörde die Unrichtigkeit kenne, wie es vorliegend der Fall gewesen sei. Auch § 48 Abs. 4 VwVfG sei unrichtig angewandt worden. Dem HZA sei nämlich die Kenntnis der Ermittlungsbehörden zuzurechnen. Es habe überdies bereits bei Erlass der Erstattungsbescheide gewusst, dass gegen H Manipulationsvorwürfe erhoben würden; die Jahresfrist habe damit zu laufen begonnen. Jedenfalls aber sei nach mehreren Schreiben des ZFA aus dem Jahre 1994 und 1995 klar gewesen, dass die Ausfuhrerstattung zurückgefordert werden müsse.

II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) bleibt ohne Erfolg. Die Revision ist nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Der beschließende Senat sieht daher davon ab, auf die ins Gewicht fallenden Mängel in der Darlegung dieses angeblich vorhandenen Zulassungsgrundes (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) im Einzelnen einzugehen.

1. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob sich ein Ausführer das Verhalten eines Dritten zurechnen lassen muss und ob in diesem Zusammenhang ein schuldhaftes Verhalten der Zollbehörde zu berücksichtigen ist, hat der beschließende Senat bereits in seinem schon vom FG angeführten Beschluss vom 17. Mai 2005 VII B 18/02 (BFH/NV 2005, 1887), der zu einer in allen wesentlichen Hinsichten gleichliegenden Sache ergangen ist, beantwortet. Im Übrigen würde sich diese Frage, soweit sie sich auf ein Mitverschulden der Zollbehörde bezieht, in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, weil das FG, an dessen Feststellungen der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden wäre, nicht festgestellt hat, dass den Zollbehörden ein schuldhaftes Fehlverhalten vorzuwerfen ist.

2. Die Frage, ob unrichtige Angaben i.S. des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG auch dann vorliegen und die Rückforderung einer Begünstigung rechtfertigen, wenn die Behörde die Unrichtigkeit der Angaben kannte oder grob fahrlässig nicht kannte, bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie anhand des Wortlautes und des Sinnes des Gesetzes klar und eindeutig zu beantworten ist. Dieses stellt nämlich, wie klar erkennbar ist, auf ein Mitverschulden der Behörde an dem Erlass des zurückzunehmenden rechtswidrigen Verwaltungsakts im Tatbestand der vorgenannten Vorschrift nicht ab, schließt also eine Rücknahme insbesondere dann nicht aus, wenn die Behörde die Unrichtigkeit der Angaben des Begünstigten hätte erkennen können. Wenn sie diese tatsächlich erkannt hat, mag es anders sein, weil es dann an der von der Vorschrift vorausgesetzten Kausalität der unrichtigen Angaben für den Erlass des zurückzunehmenden Bescheides im Allgemeinen fehlen wird. Diese Frage würde sich jedoch in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, weil das FG nicht festgestellt hat, dass das HZA die Unrichtigkeit der Angaben des H bzw. der Klägerin bei Erlass der zurückgenommenen Ausfuhrerstattungsbescheide gekannt hat.

3. Auch die als nächstes aufgeworfene Frage, ob bei der Anwendung des § 48 Abs. 2 Satz 7 VwVfG ein Fehlverwalten der Zollbehörde, insbesondere eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des Erstattungsbescheides zu berücksichtigen ist, ist nicht klärungsbedürftig, soweit sie sich in dem angestrebten Revisionsverfahren überhaupt stellen würde. Die Vorschrift legt, wie das FG zutreffend sinngemäß ausgeführt hat, eine Entscheidungsfrist fest, die erst dann beginnt, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde --das HZA-- in vollem Umfang Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des zurückzunehmenden Verwaltungsakts erlangt hat. Ob es diese Kenntnis früher hätte erlangen können, ist ohne Bedeutung, erst recht, ob es bei sorgfältiger Erfüllung seiner Verwaltungsaufgaben schon den Erlass des rechtswidrigen Bescheides hätte vermeiden können.

4. Auch die weitere, von der Beschwerde in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, ob die zur Rücknahme berufene Behörde, damit die Frist beginnt, die Höhe des zurückzufordernden Betrages kennen muss, lässt sich unschwer anhand des Gesetzes und der dazu ergangenen, bereits vom FG angeführten Rechtsprechung des beschließenden Senats sowie dem dort angeführten grundlegenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --im bejahenden Sinne-- beantworten und erfordert daher ebenfalls nicht die Zulassung der Revision.

Ende der Entscheidung

Zurück